25. Dezember 2022, 17:20 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Früher kannte jeder Apple-Nutzer iTunes, und kam um den Dienst auch nicht herum. Heute ist iTunes aber fast von der Bildfläche verschwunden. Doch warum?
Ende der 1990er Jahre kapern Piraten das Internet – Musikpiraten. Über verschiedene Plattformen und Tauschbörsen wandern Songs und ganze Alben in digitaler Form auf Festplatten von Musikfans – kostenlos und illegal. Napster, Gnutella und Co. sorgen innerhalb der Musikindustrie für geschwollene Halsschlagadern. Allerdings haben die Plattenlabel auch kein geeignetes, legales Geschäftsmodell zu bieten. Stattdessen schicken die Musikbosse Juristen los und überziehen die meist jugendlichen Musikpiraten mit Klagen. Die Welle an illegalen Downloads ebbt dennoch nicht ab. Bis der ideenreiche Apple-Chef Steve Jobs mit iTunes das Musikgeschäft revolutioniert.
Übersicht
Mit der MP3 kommen die Musikpiraten
In der Geschichte des Internets sind es des Öfteren Nutzerinnen und Nutzer gewesen, die durch ihr Verhalten bestimmte Entwicklungen vorweggenommen haben. Das trifft ganz sicher auch auf die Musikpiraten zu. Stellt sich dennoch die Frage: Warum haben Menschen weltweit angefangen, Musik illegal zu verbreiten und herunterzuladen?
Technische Entwicklungen haben ihren Teil dazu beigetragen. Die Schallplatte ist inzwischen von der digitalen CD abgelöst worden. Zusätzlich gibt es mit MP3 ein digitales Format, welches Musikdateien ohne wesentlichen Qualitätsverlust verkleinert. Das Teilen von Musik geht nun viel einfacher, auch bei langsamen Internet-Verbindungen.
Die Industrie unterfüttert den Trend mit MP3-Playern und CD-Brennern. Bevor es die CD gab, haben Menschen Lieder auf Kompaktkassetten überspielt. Inzwischen lassen sich eigene CDs mit den Lieblingsstücken per Brenner ähnlich komfortabel zusammenstellen. Dank des MP3-Formats passen sogar sehr viel mehr Lieder auf eine CD als auf eine Musikkassette.
Die Idee von iTunes entsteht
Der Musikindustrie schmeckt diese Entwicklung gar nicht. Die CD-Verkaufszahlen gehen weltweit zurück, weil sich Menschen ihre Lieblingsmusik lieber kostenlos über das Internet herunterladen.
Eigene Abo-Modelle der Plattenlabel bewegen sich am Rande der Bedeutungslosigkeit. Grund: Die hohen Abo-Preise und das verhältnismäßig überschaubare Angebot. Warum sollte jemand ein Abo für ein paar ausgesuchte Künstlerinnen und Künstler abschließen, wenn im Netz Millionen Songs völlig frei zur Verfügung stehen?
Das Problem erkennt auch Steve Jobs von Apple. Das Unternehmen beobachtet sehr genau, was dort gerade passiert. Apple kennt sich zwar nicht im Musikgeschäft aus, weiß allerdings sehr genau, was die Menschen in der digitalen Welt wünschen.
Auf die wachsende Nachfrage nach MP3s reagiert Apple zunächst defensiv. Das Unternehmen hat keine spezielle Software im Angebot. Der eigene Quicktime-Player kann mit den damals beliebten Programmen wie Winamp oder dem Real Player nicht mithalten. Um Zeit und Kosten zu sparen, kauft Apple im Jahr 2000 die Rechte an der MP3-Software SoundJam MP. Die Entwickler holt das Unternehmen gleich mit ins Boot.
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Apple startet in drei Schritten eine Revolution
Ein Jahr später erscheint die erste Version der neuen Apple Musik-Software iTunes. Das Programm erinnert im Aussehen noch stark an SoundJam MP. Den ersten Schritt hat der Computer-Hersteller vollzogen.
Allerdings kopiert Apple-Chef Steve Jobs beliebte Formate nicht einfach nur, sondern macht diese immer noch ein stückweit besser. Deswegen hat der geniale Visionär schon längst den nächsten Schritt im Hinterkopf. Denn Steve Jobs verfolgt das Ziel, die Musikpiraten wieder in die Legalität zurückzuholen.
Apple tüftelt daher fleißig an iTunes herum und präsentiert Ende 2001 eine weitere Sache: Den iPod. Auf dem kleinen MP3-Player, so groß wie ein Kartenspiel, passen 1000 Lieder – damals eine unvorstellbar große Zahl. Zum Vergleich: Auf eine 60 Minuten Kompaktkassette passten läppische 20 Songs.
Mit iTunes verfügt Apple nun über eine inzwischen ganz passable Musik-Software, mit der ein iPod schnell und einfach befüllt werden kann. Musik hören geht nun überall und endet bei 1000 Liedern gefühlt niemals.
Zwei Schritte hat Apple getan. Der dritte wird die Welt für immer verändern. Am 28. April 2003 stellt das Unternehmen die Version 4.0 von iTunes vor – eigentlich nicht sonderlich spektakulär. Doch die neue Version enthält den iTunes Music Store, den ersten digitalen Plattenladen. Eine Single kostet dort 99 Cent, ein ganzes Album 9,99 US-Dollar – nicht kostenlos, allerdings völlig legal. Wie hat Steve Jobs das geschafft?
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iTunes bietet ein akzeptables Angebot
Was die Plattenlabel jahrelang selbst nicht hinbekommen haben, schafft ausgerechnet der Chef eines Computer-Unternehmens – einen völlig neuen Vertriebskanal für Musik aufzubauen. Steve Jobs schließt Verträge mit den damals fünf größten US-Labeln BMG, EMI, Sony Music Entertainment, Universal und Warner. Gerade einmal 200.000 Songs stehen am Eröffnungstag im neuen iTunes Music Store zur Verfügung. Doch die Nachfrage ist immens.
Eine Woche nach Eröffnung sind bereits eine Million Lieder verkauft worden. Über die Abo-Kanäle der Plattenlabel hatte es ein Jahr gedauert, um auf so eine Zahl zu kommen. Apple hingegen bringt es innerhalb eines Jahres auf 100 Millionen verkaufter Songs. Die anfängliche Skepsis der Musikindustrie löst sich allmählich auf.
Inzwischen funktioniert iTunes auch auf Windows-Rechnern. Dadurch gelingt es Apple, immer mehr Plattenlabel für iTunes zu gewinnen. Vor allem holt das Unternehmen das Thema Musik-Downloads aus der Schmuddelecke heraus. Denn Steve Jobs hatte erkannt, Menschen möchten so einfach wie möglich Musik tauschen und kopieren. Wenn das Angebot stimmt, bezahlen sie dafür auch Geld.
iTunes verändert auch die Hörgewohnheiten von Musikfans. Denn inzwischen muss nicht mehr ein ganzes Album gekauft werden, sondern gekauft wird nur noch, was gefällt. Als Musikfan lässt sich darüber streiten, ob das tatsächlich eine Verbesserung darstellt. Denn selbstverständlich reagieren darauf auch die Plattenlabel und produzieren Fließband-Musik, die nach dem immer gleichen Muster funktioniert.
Die Bezahlung der Künstlerinnen und Künstler fällt damals auch noch wesentlich üppiger aus als im heutigen Streaming-Zeitalter. Denn zwei Drittel der Einnahmen gehen an die Plattenlabel.
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Streaming beendet das iTunes-Modell
Apropos Streaming: Steve Jobs hatte damals richtig erkannt, die Menschen möchten Musik besitzen. Mit immer schnelleren Internet-Verbindungen ändert sich allerdings auch diese Einstellung. Vor allem ab den 2010er Jahren etablieren sich immer mehr Streaming-Dienste, die mit günstigen monatlichen Abos locken.
Apple vertraut weiterhin auf den eigenen iTunes Store und auf den Verkauf von Liedern. Erst im Jahr 2015 präsentiert das Unternehmen mit Apple Music ein eigenes Abo-Modell. Die Konkurrenz um Spotify oder Deezer ist zu diesem Zeitpunkt allerdings schon meilenweit enteilt.
Vor allem Spotify steckt sehr viel Energie in die Verbesserung der Algorithmen. Daher bekommen Spotify-Hörerinnen und -Hörer Lieder empfohlen, die deutlich besser mit dem eigenen Musikgeschmack harmonieren.
Im Jahr 2019 reagiert Apple auf die geänderten Hörgewohnheiten der Musikfans und beerdigt iTunes – zumindest auf Apple-Computern. Musik hören und streamen geht künftig über Apple Music. Einen digitalen Plattenladen gibt es zwar immer noch. Der Fokus liegt nun allerdings auch bei Apple auf Streaming.
Auf Windows-Rechnern lebt iTunes erst einmal noch weiter. Wenn iTunes irgendwann auch dort verschwindet, bleibt die Software dennoch unvergessen, weil sie das Musikgeschäft und das Hören von Musik für immer verändert hat.