
9. März 2024, 10:07 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Seit Kurzem sind in Italiens Bildungseinrichtungen keine Smartphones oder Tablets mehr erlaubt. Das Land geht schon länger schrittweise dagegen vor, dass Schüler während der Unterrichtszeit ihre Kommunikationsgeräte nutzen, und vielerorts in Europa sieht es ähnlich aus. Auch in Deutschland wird ein mögliches Handy-Verbot an Schulen diskutiert. Lesen Sie mehr zu dem Thema bei TECHBOOK.
Erwachsensein schützt nicht davor, sich von einem blinkenden Device ablenken zu lassen. Wobei das Handy dafür ehrlicherweise nicht einmal blinken oder klingeln muss. Von Smartphones geht im Alltag eine starke Anziehung aus, auch dann, wenn man sich eigentlich auf etwas Anderes konzentrieren sollte. Umso schwieriger muss es für Jugendliche und Kinder sein, das – meist mit Spielen und Social-Media-Apps ausgestattete – Smartphone in der Hosentasche zu lassen, wenn als alternative Beschäftigung momentan nur der mitunter langweilige Unterricht „lockt“. Diese Auswahl haben Schüler aber nicht mehr überall. Denn einige unserer Nachbarländer verbieten Smartphones an Schulen bereits oder haben das zumindest vor.
Übersicht
Diese Länder gehen gegen Smartphone-Nutzung an Schulen vor
Ganz aktuell hat in Italien Bildungsminister Giuseppe Valditara angekündigt, die Richtlinien für eine Smartphone-Nutzung an Schulen, Kindergärten und Co. zu verschärfen. Das vermeldete als erstes die Nachrichten- und Presseagentur „Ansa“. Bereits seit 2007 gilt ein Verbot für die Nutzung von Smartphones und Co. in italienischen Bildungseinrichtungen, sofern diese nicht unterrichtsbezogen ist.
Doch daran sei sich kaum gehalten worden, heißt es in dem Bericht. Vielleicht auch, damit die Smartphone-Verwendung in der bisher genehmigten Form nicht doch noch zu privaten Eingaben verführt, sollen Smartphones und Tablets nun gänzlich aus dem Unterricht verschwinden.
In Frankreich ist die Smartphone-Nutzung an Schulen schon seit vielen Jahren verboten. Mehr dazu kann man auf der Website des französischen Bildungsministeriums nachlesen.
Daneben hat die britische Regierung kürzlich einen neuen Leitfaden für die Smartphone-Nutzung an Schulen veröffentlicht. Dieser legt ein grundsätzliches Handy-Verbot zumindest nahe – Schüler könnten etwa ihr Smartphone am Eingang abgeben müssen. Zunächst eine Empfehlung. „Es bleibt den Schulleitern überlassen, ob sie die Regeln, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, befolgen und wie streng sie durchgesetzt werden“, heißt dazu beim britischen „Mirror“.
Werden Smartphones in deutschen Schulen bald verboten?
Das Thema schwelt auch schon eine Weile in Deutschland. Denn auch hier sind mit einer übermäßigen Smartphone-Nutzung assoziierte Probleme zu beobachten. Die Nachrichten-Website „Heise“ berichtete im vergangenen Oktober von entsprechenden Diskussionen.
Demnach würden viele Politiker, Wissenschaftler sowie der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte ein allgemeines Handy-Verbot befürworten – zumindest an Grundschulen. Denn die Schüler seien aufs Smartphone und Tablet fixiert und gingen deshalb nur noch selten an die frische Luft. Doch die Lehrerorganisationen und -gewerkschaften seien dagegen. Und das bestätigte sich auch auf TECHBOOK-Nachfrage.
Das sagt der Deutsche Lehrerverband
„Ein flächendeckendes generelles Handy-Verbot ist organisatorisch schwierig umzusetzen“, erklärt uns Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverband. Es ginge auf Kosten wertvoller Unterrichtszeit, die Einhaltung zu überprüfen und sich gegebenenfalls mit unfolgsamen Schülern auseinanderzusetzen. Besser als ein Verbot, welches immerhin das Untersagte oft umso interessanter mache, sei die offene Auseinandersetzung mit dem Thema im Beisein der Schüler. „Wenn diese sich selbst mit dem Pro und Contra auseinandergesetzt haben, führt das auch viel eher zu einer Einsicht, was den ausgewogenen Umgang mit Smartphones und anderen digitalen Geräten angeht“, erklärt Düll.
Auch bei der Gewerkschaft für Lehrer (GEW) halte man nichts von einem generellen Handy-Verbot an Schulen. „Sinnvoll ist jedoch, dass sich die Schulgemeinschaft vor Ort, also Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler, verständigt und von allen mitgetragene Regeln entwickelt und umsetzt“, erklärt ein GEW-Sprecher TECHBOOK.
Smartphone für Unterrichtszwecke – ist das wirklich so sinnvoll?
„Letztlich geht es auch darum, den Lernenden einen selbstkritischen Handy-Gebrauch zu vermitteln“, so Stefan Düll vom Deutschen Lehrerverband weiter. Die Schule könnte demnach dazu beitragen, Jugendlichen einen ausgewogenen Umgang mit der „digitalen Durchdringung“ zu vermitteln. Zumal sich das Smartphone auch gezielt für Lernzwecke einsetzen lasse.
Als Argument für eine unterrichtsbezogene Smartphone-Nutzung wird häufig die Förderung der Medienkompetenz von Schülern angeführt. Die Geräte seien dabei nicht zuletzt Recherche-Hilfen. „Die Digitalisierung unseres Alltags wird in der Zukunft weiter zunehmen“, ist sich Lehrerverband-Präsident Düll sicher. „Ein Verbot in den Schulen hilft Kindern und Jugendlichen nicht dabei, die notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln, digitale Medien und soziale Netzwerke angemessen und verantwortungsvoll zu nutzen.“
Beispiel Dänemark und Schweden
Ein Blick nach Dänemark jedoch wirft auf diese scheinbaren Rechtfertigungsgründe ein doch eher kritisches Licht. Das Land, das – ähnlich wie Schweden – sehr früh damit begonnen hat, Laptops und Smartphones flächendeckend in den Unterricht zu integrieren, galt lang als Vorbild für eine digitalisierte Ausbildung. Und ausgerechnet dort fangen erste Schulen an, Computer und Co. gänzlich aus den Schulen zu verbannen. Mitunter müssen Schüler neuerdings ihre Handys am Schuleingang abgeben und bekommen es erst nach der letzten Stunde zurück. Die Reaktionen erschrecken nicht bloß beunruhigte Eltern. „Mein Sohn dachte, er würde sterben, als ihm gesagt wurde, er solle das Telefon abgeben“, berichtete dazu ein Vater der Presse-Agentur dpa. An betreffender Schule sollte der Unterricht im Rahmen eines Testslaufs für vorerst zwei Wochen (!) ohne Kommunikationsgeräte stattfinden.
Es habe überhandgenommen, weiß auch Mattias Tesfaye, Dänemarks Minister für Kinder und Bildung. Im Interview mit der Zeitung „Politiken“ erklärte er, dass die Klassenräume des Landes zur „Erweiterung der Jugendzimmer“ geworden seien. In diesen werde ohne bereits zu viel gestreamt, gespielt und geshoppt. Tesfaye bedauere es rückblickend, Schüler zu digitalen Versuchskaninchen gemacht zu haben.
Auch Schweden, wo man lang stolz auf seine digitalisierte Schuljugend war, rudert angestrengt zurück. Auf schlechte Ergebnisse der jüngsten Pisa-Studie reagiert die schwedische Regierung mit einem generellen Smartphone-Verbot bis zur 9. Klasse. Dieses gilt sowohl im Unterricht als auch in den Pausen.

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Kein Smartphone-Verbot an deutschen Schulen absehbar
Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass sich in Deutschland bald etwas Ähnliches tut. Denn: „Da Schulangelegenheiten Ländersache sind, kann jedes Bundesland nach eigenem Ermessen Grundsätze und Verbote aufstellen.“ So ist es auf der Website „Ins Netz gehen“, die mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) verbunden ist, nachzulesen.
Und hier findet man offenbar, dass Regeln stets dem „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen“ müssen, heißt es da, und dass ein Handy-Verbot Schüler in ihren Grundrechten einschränken würde.