14. August 2023, 16:45 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Wortkreation „Phubbing“ steht für „Phone“, also Telefon, und „snubbing“ (= „jemanden brüskieren“). Das Phänomen beschreibt eine exzessive Smartphone-Nutzung in sozialen Situationen. Sprich: dass jemand ständig aufs Handy starrt, statt seinem Gegenüber zuzuhören. Wie es zu Phubbing kommt und was hilft – TECHBOOK geht genauer auf das Thema ein.
Ob im Wartezimmer beim Arzt, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, im Supermarkt, beim Essen oder gar im Bett – das Smartphone ist für zahllose Menschen zum ständigen Begleiter geworden. Viele von ihnen können schlichtweg nicht widerstehen, das Gerät zur Hand zu nehmen, etwa um durch den Feed in den sozialen Netzwerken zu scrollen oder eine Nachricht zu lesen und/oder zu beantworten. Selbst dann, wenn man sich eigentlich gerade offline in einem Gespräch befindet. Genau das heißt im Fachjargon Phubbing. Und es kann auf mehreren Ebenen zum Problem werden.
Übersicht
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Phubbing – das steckt dahinter
Man weiß eigentlich, dass es unhöflich ist, aufs Handy statt ins Gesicht des Gegenübers zu schauen. Doch da wirken Kräfte, die offenbar stärker sind. Die Hintergründe und möglichen Folgen wurden schon mehrfach zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.
Evolutionär bedingter Drang, Kontakt zu halten
Offenbar beruht der Drang, das Handy zu zücken, kognitionswissenschaftlich betrachtet auf natürlich vorhandenen Modulen in unserem Gehirn. So ist es in einer Arbeit aus dem Jahr 2019 beim Portal „Science Daily“ nachzulesen. Demnach haben wir uns im Lauf der Evolutionsgeschichte auf enge Beziehungen in kleinen Netzwerken verlassen, Familie und Freunden etwa, um als Individuum und Spezies überleben zu können. Das Smartphone und die ständige Möglichkeit, Nachrichten zu verschicken, sowie die sozialen Medien machen es dem Menschen leichter als jemals zuvor, persönliche Informationen auszutauschen.
Diese virtuellen Verbindungen sind sicherlich auch vorteilhaft. Sie könnten jedoch ungewünschte Konsequenzen haben – nicht zuletzt für unsere aktuellen Beziehungen im „echten“ Leben.
Wichtig: Phubbing bezieht sich nicht auf das Thema Handy-Sucht. Es geht hier ausschließlich um eine exzessive Smartphone-Nutzung in sozialen Situationen, die somit andere vor den Kopf stößt. Die Themen Handy-Sucht und Nomophobie ( = extreme Angst davor, nicht erreichbar zu sein) behandelt TECHBOOK in eigenen Beiträgen.
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So gefährdet das Smartphone Ihre Beziehung
Wenn wir vom Smartphone abgelenkt werden, ist unsere Aufmerksamkeit geteilt. Für den Aufbau von Intimität ist es aber notwendig, dass wir auf unseren Partner reagieren. Hierfür wird Aufmerksamkeit in der Gegenwart benötigt.
Laut dem Paartherapeuten Eric Hegmann ist somit Phubbing nicht nur unhöflich, sondern kann schlimmstenfalls zwischenmenschliche Beziehungen zerstören. Denn greift man mitten in einer Unterhaltung zum Smartphone, signalisiert das dem Gegenüber Desinteresse. Laut Hegmann ist das leicht als Zurückweisung zu interpretieren. „Der Partner fühlt sich dadurch unwichtig und sieht sich in Konkurrenz mit einer Sache.“
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Es drohen Seitensprünge und psychische Probleme
Einander ungeteilte Aufmerksamkeit schenken – das ist scheinbar „nur“ eine Frage des gegenseitigen Respekts. Kommt der Partner diesem Minimum nicht nach, kann das entsprechend schwerwiegende Folgen haben.
In extremen Fällen fühle sich der Partner macht- und hilflos, warnt der Beziehungsexperte. „Das wird mittelfristig dazu führen, dass er sich Anerkennung und Aufmerksamkeit außerhalb der Beziehung sucht.“ Deshalb werden Opfer von Phubbing oft selbst zu „Tätern“. Denn da sie sich ausgeschlossen fühlen, greifen viele von ihnen wiederum selbst zum Handy. Und klar, so könnten sich Verbindungen zu anderen Personen aufbauen. Dies müsse zwar nicht direkt zu einer Affäre führen. Aber wenn sich neben der Beziehung eine andere entwickelt, in der Themen angesprochen werden können, für die es in der Partnerschaft keinen Raum mehr gibt – dann besteht zumindest eine Art Exklusivität mit einer anderen Person. Und: Genau diese Exklusivität führe häufig zu einer Affäre, weiß Hegmann.
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Weiterhin können Beziehungsprobleme durch Phubbing die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen, dass Menschen sich unglücklich fühlen – und schlimmstenfalls an Depressionen erkranken. Das wollen Forscher der Renmin University of China in einer Studie herausgefunden haben.
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Das können Sie gegen Phubbing tun
Beziehungsexperte Hegmann rät zum Gespräch und einer „Verhandlung der Bedürfnisse und Wünsche“, um dem Problem zu begegnen. Man sollte es dem Partner bei einer passenden Gelegenheiten und in ruhigem Ton mitteilen, wenn man von dessen ständiger Smartphone-Nutzung genervt ist. Achten Sie (beide!) bewusst darauf, sich aufeinander zu konzentrieren. Am besten führt man eine Regel ein: In sozialen Situationen gehört das Handy weggelegt.
Natürlich hat man aber mal das Handy in der Hand. Wenn man dabei auf etwas Interessantes stößt, spricht doch nichts dagegen, den Partner miteinzubeziehen. Leiten Sie spannende Beiträge doch einfach an ihn weiter! „Damit zeigen Sie Interesse und schaffen Bindung“, so Hegmann. „Dann wirkt das Smartphone auch nicht mehr so bedrohlich.“