28. Oktober 2022, 14:19 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Nach der Ankündigung 2022 und einem versuchten Rückzieher hat Elon Musk nun tatsächlich den Social-Media-Riesen Twitter übernommen. Musk, der selbst Twitter nutzt, möchte die Plattform komplett überarbeiten.
Elon Musk hat bei Twitter die Macht übernommen und umgehend die ersten Zeichen gesetzt. Er hatte angekündigt, die strengen Regeln für die Inhalte des Kurznachrichtendienstes zu lockern, die festlegen, was die Millionen Twitter-Nutzer posten dürfen.
Twitter-Vorstand umgehend entlassen
„Der Vogel ist befreit“, schrieb der Gründer des Elektroauto-Bauers Tesla in einem Tweet am Donnerstag. Das ist eine Anspielung auf das Logo von Twitter – den kleinen Vogel. Nach einem monatelangen Tauziehen ist der Milliardär seit Donnerstag, 27. Oktober 2022, offiziell der Eigentümer der Social-Media-Plattform, die er sich 44 Milliarden Dollar kosten ließ.
Unmittelbar nach der Übernahme feuerte Musk Twitter-CEO Parag Agrawal, Finanzchef Ned Segal und Chef-Justiziarin Vijaya Gadde. Gadde war 2021 federführend in der Sperrung des Twitter-Accounts von Ex-US-Präsident Donald Trump. Agrawal und Segal seien von Sicherheitskräften aus der Twitter-Zentrale in San Francisco geleitet worden, sagten mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Musk änderte die Selbstbeschreibung auf seinem Twitter-Account auf „Chief Twit“. Der reichste Mann der Welt könnte nun selbst die Führung des Unternehmens übernehmen, das am Freitag Abschied von der New Yorker Börse nimmt. Twitter, Musk und die Manager nahmen dazu zunächst keine Stellung.
Musk hatte den Twitter-Führungskräften vorgeworfen, ihn und die Investoren über die Zahl gefälschter Konten auf der Social-Media-Plattform getäuscht zu haben. Nach offiziellen Angaben sind es weniger als fünf Prozent „Fake Accounts“. Im Streit um die vertraulichen Unternehmensdaten hatte Musk gedroht, die im Frühjahr verkündete Übernahme ganz abzublasen, doch der Vorstand zwang ihn mit einer Klage, das Vorhaben umzusetzen.
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Musk will Werbekunden beschwichtigen
Musk hat umfangreiche Stellenstreichungen in der 7500 Mitarbeiter starken Belegschaft von Twitter angekündigt, versucht aber inzwischen, ihnen die Sorgen vor Massenentlassungen zu nehmen und auch die Werbekunden bei der Stange zu halten. „Twitter darf kein gesetzloses Höllenloch werden, wo alles ohne Konsequenzen gesagt werden kann“, schrieb er in einem offenen Brief an Werbekunden – auf Twitter. Die Plattform dürfe keine Echokammer für Hass und Spaltung werden. Er habe Twitter nicht gekauft, um noch mehr Geld zu verdienen. „Ich habe es gemacht, um der Menschheit zu helfen, die ich liebe“, erklärte Musk.
Wie er das bewerkstelligen will und wer das Unternehmen künftig führen soll, lässt Musk bisher offen. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg will er selbst den Chefposten übernehmen.
In letzter Sekunde eingelenkt
Das Drama um Musk und Twitter hatte am 4. April begonnen, als der Self-made-Milliardär eine Beteiligung von 9,2 Prozent offenlegte, mit der er sich zum größten Aktionär von Twitter aufschwang. Doch statt wie vereinbart in den Verwaltungsrat einzuziehen, legte er ein Übernahmeangebot über 54,20 Dollar je Aktie vor, von dem lange unklar blieb, wie ernst es gemeint war. Doch es war Musk ernst: Ohne wie üblich die Bücher zu prüfen, schlug er eine Woche später zum angebotenen Preis ein.
Erst danach schürte er Zweifel an den öffentlich verfügbaren Daten, etwa zu gefälschten Konten, und beschuldigte die Twitter-Führung, Informationen zurückzuhalten. Anfang Juli kündigte er sogar an, die Übernahme abzublasen. Doch das Management schlug zurück, warf ihm vor, er wolle einen Vorwand nutzen, um sich davonzustehlen, weil er das Gefühl habe, zu viel bezahlt zu haben. Twitter klagte vor Gericht auf den Vollzug der Transaktion. Doch Anfang Oktober lenkte Musk in letzter Minute ein.
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Mit dem Kauf übernimmt der reichste Mann der Welt eine der einflussreichsten Medienplattformen des Planeten. Im Zusammenhang mit dem Gerichtsverfahren waren Textbotschaften veröffentlicht worden, wonach er Twitter von einem Werbe- zu einem Abo-Modell umbauen möchte. Zudem sollten Dienste wie Geldtransfers ermöglicht werden. Das Geschäft hätte zumindest in den USA auch eine politische Dimension. Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump hoffen, dass Musk dessen Nutzerkonto wieder freigeben wird. Der Republikaner war nach der Erstürmung des US-Capitols durch seine Anhänger am 6. Januar 2021 von Twitter verbannt worden.
Im Mai hatte Musk angekündigt, die Sperrung des Twitter-Kontos des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump rückgängig zu machen. Doch Trump hat erklärt, er wolle nicht auf die Plattform zurückkehren. Er hat inzwischen seine eigene Social-Media-App „Truth Social“ gegründet. Diese ringt allerdings noch um ihren geplanten Börsengang.
Redefreiheit ohne Moderation
Musk hatte vor der Ankündigung seiner Kaufabsicht bereits mehrere Umfragen auf Twitter gestartet. Darin wollte er unter anderem von den Nutzern wissen, ob Twitter Open-Source werden sollte und ob die Plattform sich an das Prinzip der amerikanischen Redefreiheit (Free Speech) halte. Der Unternehmer hatte mehrfach kritisiert, dass Twitter konservative Accounts sperre oder zumindest stumm schalte und die Plattform ein Sprachrohr für linke Stimmen sei.
Musik sieht Twitter als eine Art digitalen Marktplatz. Ein Ziel der Übernahme sei es demnach, mehr Redefreiheit größtenteils ohne Twitters Eingreifen zu erlauben. In dem offenen Brief an Werbekunden hat Musk aber zumindest versichert, dass sich das Unternehmen an US-Gesetze halten werde. Ein rechtsfreier Raum solle Twitter demnach nicht sein. Der Europäische Kommissar Thierry Breton hat zudem in Antwort auf Musks „Der Vogel ist befreit“-Tweet geantwortet, dass „In Europa der Vogel nach EU-Regeln fliegen wird“.
Kampf gegen Bots
Außerdem will Musk rigoros gegen Bots vorgehen. Bots steuern oft gefälschte oder inaktive Twitter-Accounts und verzerren sowohl die Follower-Zahl von prominenten Persönlichkeiten als auch das Meinungsbild zu brisanten politischen Themen.
Musk will Twitter zur „Super App“ machen
Musk hatte angedeutet, er wolle Twitter zu einer „Super App“ weiterentwickeln, die – ähnlich wie WeChat in China – alles von Geldtransfers über Online-Käufe bis zu Taxi-Diensten ermöglichen soll. Doch angesichts des Wirbels um die Übernahme durch Musk droht das Unternehmen seine aktivsten Nutzer zu verlieren. Diese „Heavy Tweeter“ machen zwar nur zehn Prozent aller Nutzer aus, stehen aber für 90 Prozent aller Tweets und für die Hälfte des weltweiten Umsatzes.
Nachträgliche Bearbeitung von Tweets
Ein weitere Änderung, die schon seit Jahren im Gespräch ist, ist ein „Edit Button“. Auch zu diesem Thema hat Musk Twitter-Nutzer befragt, ob sie eine solche Option haben wollen. Drei Viertel der Teilnehmer haben die Frage mit „Ja“ beantwortet. In den USA können Abonnenten von Twitter Blue die Funktion bereits testen.
Mit Material von Reuters