9. November 2022, 14:05 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Mittlerweile hat fast jeder der großen Smartphone-Hersteller Geräte mit Falt-Display im Angebot. Apple ist dabei außen vor – bislang gibt es keine konkreten Pläne für ein Falt-iPhone.
Das iPhone ist ein beliebtes Smartphone in der Modder-Szene. Bastler haben unter anderem den Kopfhöreranschluss zurück gebracht und einen USB-C-Anschluss verbaut. Nun gehen chinesische YouTuber den nächsten Schritt und bauen das erste iPhone mit faltbarem Display.
iPhones kommen ab Werk mit faltbaren Displays
Für das Projekt haben die YouTuber auf Technik aus dem mittlerweile fünf Jahre alten iPhone X zurückgegriffen. Der Vorteil an dem älteren Gerät ist, dass die Original-Displays günstig als Ersatzteile zur Verfügung stehen.
Was viele nicht wissen: Das OLED-Display des iPhone X ist bereits faltbar. Apple selbst hat das Display am unteren Ende um 180 Grad geklappt, um den umliegenden Rahmen so dünn wie möglich zu machen. Die meisten Android-Smartphones nutzen diese Technik nicht, weshalb der untere Rahmen oft etwas dicker als der obere ist. Die Ingenieure können sich die Biegsamkeit des iPhone-X-Displays zu Nutze machen und für ihr eigenes, faltbares iPhone umfunktionieren.
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Display-Umbau extrem kompliziert
Das Display im Phone X hat sechs Schichten. Die Ingenieure entfernen Rahmen, Glas und die 3D-Touch-Schicht hinter dem Display. Alles, was übrig bleibt, ist das OLED-Display selbst und die Digitizer-Schicht, die für die Erkennung von Touch-Eingaben zuständig ist.
Die Separierung der verschiedenen Schichten ist jedoch extrem aufwendig und fehleranfällig. Selbst wenn sich die ersten Schichten erfolgreich abtrennen lassen, können beim Falten des Displays Schäden entstehen, die zu einem Ausfall von Pixellinien führen. Erst nach einem halben Jahr und beim 37. Original-Display gelingt die Operation – der Bildschirm ist voll funktionsfähig.
Das separierte Display allein ist wie schon gesagt sehr zerbrechlich. Um sicherzustellen, dass es nur in einer Achse und zudem gleichmäßig faltet, ist ein Stabilisierungsmechanismus notwendig. Die Ingenieure greifen dafür auf Technologie von Hersteller Motorola zurück. Dieser hat mit dem Razr bereits seit 2020 ein Smartphone mit faltbarem Bildschirm im Angebot.
Sie nutzen das Razr als Grundlage, da Motorola dem Display im zusammengeklappten Zustand eine weitere Kurve in der Falz gegeben hat. Im Vergleich dazu hat etwa das Galaxy Z Flip von Samsung eine sehr enge Falz, die das Display stärker beansprucht. Nur durch Samsungs strapazierbare Plastik-Glas-Beschichtung kann das Display der starken Biegung standhalten. Für das iPhone-Display ist die großzügigere Biegung daher die bessere Wahl. Im zusammengeklappten Zustand hat das Display 7 mm Höhe für die Biegung zur Verfügung. Motorola erreicht das unter anderem dadurch, dass die untere Hälfte des Displays nicht fixiert ist und sich frei bewegen kann.
Neues Gehäuse aus dem 3D-Drucker
Im nächsten Schritt müssen die Ingenieure einen Weg finden, das Gehäuse des iPhone X in zwei zu teilen. Die beiden Hälften sind jeweils nur knapp 7 cm hoch und alle Komponenten müssen darin Platz finden. Schnell wird jedoch klar, dass nicht alles passt – es sind also Modifizierungen notwendig.
Einige der Komponenten müssen gedreht werden, was neue, flexible Kabel zur Verbindung mit dem Display erfordert. Die Batterie muss von knapp 2700 Milliamperestunden (mAh) Kapazität auf 1000 mAh verkleinert werden, um in das Gehäuse zu passen. Außerdem fehlt einer der Stereo-Lautsprecher sowie die Spule für kabelloses Laden im Falt-iPhone. Alle anderen Komponenten wie Face ID, Kameras und Taptic Engine bleiben jedoch erhalten.
Das Gehäuse entwerfen die Ingenieure selbst und fertigen es mit einem 3D-Drucker. Um es moderner wirken zu lassen, wählen sie ein Äußeres mit kantigem Rahmen, das dem aktuellen iPhone ähnelt. Auch die Kamera auf der Rückseite ist im Stil der neueren iPhone-Pro-Modelle. Selbst ein Apple-Logo und einen iPhone-Schriftzug auf dem Scharnier zwischen beiden Gehäuseteilen fügen die YouTuber hinzu.
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Das faltbare iPhone funktioniert!
Das modifizierte iPhone X lässt sich tatsächlich falten und ist voll funktionsfähig. Im zusammengeklappten Zustand ist zwar eine große Lücke zwischen den Gehäuseteilen, dafür hat das Display aber genug Platz, um nicht zu brechen. Geöffnet lässt sich erkennen, dass das Display nicht fest im Gehäuse integriert ist. Aufgrund dieser Einschränkungen nennen es die Ingenieure auf YouTube auch „Version 0.1“ – eher ein Prototyp als ein fertiges Produkt. Immerhin wollen sie weiter an der Idee arbeiten und Lösungen finden, die vielen Probleme zu beseitigen.
Hier sehen Sie das Video in voller Länge:
Um von dem faltbaren Display Gebrauch zu machen, musste auch iOS angepasst werden. Die Ingenieure benutzen dafür Jailbreak, um bestimmte Aspekte von iOS zu verändern. So kann das Falt-iPhone etwa zwei Apps übereinander im Splitscreen anzeigen. So lässt sich etwa oben über die Kamera ein Videocall führen und unten mit iMessage chatten. In der Fotos-App zeigt die obere Hälfte das ausgewählte Foto und die untere weitere Objekte in der Mediathek.
Leider hat das Display im Falt-iPhone schon nach ein paar Tagen der Nutzung Bläschen gebildet. Wenn das passiert, tritt Flüssigkeit aus den OLED-Pixeln aus, was zu einem Defekt führt. Ob das wirklich mehr als 200 Tage Arbeit wert ist? Es ist zumindest eine spannende Fallstudie, die die Möglichkeit eines Falt-iPhones erforscht. Das Projekt zeigt: wenn ein paar YouTube einen faltbaren iPhone-Prototyp bauen können, sollte das für ein Unternehmen mit den finanziellen Mitteln wie Apple kein Problem sein.