2. August 2024, 17:40 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
In einem zweiteiligen Video-Projekt hat TECHBOOK-Redakteur Adrian Mühlroth versucht, einzelne Komponenten – von Mini-Schraube bis Ladespule – zu einem funktionierenden iPhone zusammenzusetzen.
2020 haben wir uns einer mächtigen Aufgabe gestellt: ein iPhone komplett aus Einzelteilen zusammenbauen, um herauszufinden, ob es möglich ist und überhaupt finanziell Sinn ergibt. Denn in China – vor allem in Shenzhen, wo das iPhone hauptsächlich hergestellt wird – stehen Ersatzteile für das Apple-Smartphone auf Märkten und Straßenständen zu günstigen Preisen zum freien Verkauf.
Hier geht es zu Part 1 unseres Video-Projekts
In unserem Video haben wir damals gezeigt, dass der Zusammenbau tatsächlich möglich ist – konnten das Projekt aber aufgrund eines fehlerhaften Bauteils nicht zu Ende bringen. Mit neuen Komponenten und der passenden Software ausgestattet starten wir einen neuen Versuch.
Ob es diesmal klappt, sehen Sie hier in Part 2 unseres Video-Projekts:
Was wir im zweiten Anlauf anders gemacht haben
Im Prinzip war unser DIY-iPhone bereits fertig. Es wäre in der Theorie funktionsfähig gewesen, allerdings haben wir den Fehler gemacht, die Einrichtung per iTunes zu versuchen. Denn das Logic Board (die Hauptplatine), das wir verwendet haben, war komplett gelöscht. Das heißt: kein Betriebssystem, keine Daten, nichts. Zudem war das Board nicht mit der Frontkamera-Einheit gepaart, die für Face ID verantwortlich ist. Das ist jedoch Voraussetzung, wenn das iPhone fehlerfrei funktionieren soll.
Deswegen haben wir im Nachgang darauf geachtet, dass wir Logic Board und Face-ID-Einheit direkt zusammen kaufen, um sicherzugehen, dass sie aufeinander abgestimmt sind. Doch selbst mit den neuen Komponenten klappte die Einrichtung über iTunes nicht. Wir legten das Projekt daher auf Eis.
Hier kommt nun eine Software names „3uTools“ zum Einsatz, die kostenlos für Windows (und neuerdings auch für macOS) zur Verfügung steht. Das Tool ermöglicht eine umfangreiche Diagnostik von iPhone-Hardware und kann zudem Fehler in der Software beseitigen. Ich bin darauf gestoßen, als mein iPhone 13 mini eines Tages nicht mehr anging und auch iTunes keine Hilfe brachte. 3uTools erkannte den Fehler in der Boot-Sequenz und fixte ihn – ohne Datenverlust.
Mir kam die Idee, dass damit auch unser mittlerweile etwas verstaubtes DIY-iPhone vielleicht zu retten wäre. Nach etwas Herumprobieren war ich mir ziemlich sicher, dass es möglich wäre. Ein Neustart also, das Projekt hatte doch wieder eine Chance auf Beendigung.
Auch interessant: Faltbares iPhone kommt! Neue und überraschende Details veröffentlicht
Das DIY-iPhone bereit für iOS machen
Da uns nicht die Software zur Verfügung steht, die Apple zum Einrichten von iPhones verwendet, ist 3uTools die nächstbeste Lösung. Tatsächlich ist das Programm relativ selbsterklärend. iPhone anschließen, erkennen lassen, Partition flashen, iOS installieren.
Bei den ersten paar Anläufen, iOS 17 auf unserem selbst gebauten iPhone XR zu installieren, brach der Prozess jedoch immer wieder ab. Das ist nicht verwunderlich, denn schon der kleinste Schreibfehler kann bei einer derart wichtigen Operation fatal sein. Beim vierten oder fünften Mal ließ sich das iPhone jedoch plötzlich in iOS booten – die größte Hürde war genommen.
Nun hieß es nur noch: alle Bauteile auf ihre Funktionalität testen und das iPhone final zusammensetzen. Nach der Herausforderung, aus den ganzen Einzelteilen ein funktionierendes Gerät zu machen, war das die leichteste Übung.
Mit Video Kann man ein iPhone selbst bauen? Wir haben es ausprobiert!
Vereinfachte Reparatur Die größte Änderung im iPhone 14 hat uns Apple verschwiegen
Im Interview Fairphone-CEO: »Der Fokus bei Smartphones wird künftig auf Software statt auf Hardware liegen
Hat es sich gelohnt, das iPhone selbst zusammenzubauen?
Zu dem Zeitpunkt, als wir das Projekt ursprünglich umsetzen wollten, war es rein rechnerisch tatsächlich günstiger, die Einzelteile aus China zu importieren und zu einem iPhone zusammenzusetzen. Selbst nach der Preissenkung 2019 kostete ein neues iPhone XR noch 700 Euro. Die Kosten für die Einzelteile hingegen beliefen sich auf knapp 500 Euro – also fast ein Drittel günstiger. Kalkuliert man allerdings die schiere Zeit mit ein, die der Zusammenbau kostet und die Wahrscheinlichkeit, dass – wie in unserem Fall – Ersatzteile nötig sind, fällt die Rechnung anders aus.
Aus heutiger Sicht würde sich der Aufwand für ein iPhone XR nicht mehr lohnen, da das Gerät mittlerweile auf dem Gebrauchtmarkt erheblich günstiger ist. Der eigenhändige Zusammenbau, wie wir ihn vorgenommen haben, ist zudem mit neueren Geräten (ab iPhone 11) nicht mehr möglich. Neben Logic Board und Face-ID-Einheit werden auch viele andere Komponenten durch Hardware-gesicherte Seriennummern in der Fabrik aufeinander abgestimmt. Dazu zählen Batterie, Display und Kamera. Tauscht man etwa das defekte Display oder die defekte Kamera eines iPhone 15 mit den Bauteilen eines baugleichen iPhone 15, werden diese nicht erkannt – obwohl sie exakt gleich sind. Apple deaktiviert dann Funktionen wie TrueTone, Face ID und sogar die komplette Kamera.
Ohne die Software-Tools des Unternehmens ist das Zusammensetzen von Komponenten deshalb nicht möglich. Apple will dadurch verhindern, dass minderwertige Bauteile und möglicherweise Nachbauten aus China als Ersatzteile verwendet werden. Das ist auch okay – aber dass auch originale Bauteile davon betroffen sind, ist absurd. Deshalb hat das Unternehmen bereits Besserung gelobt und angekündigt, künftig auch originale Komponenten für die Reparatur zuzulassen.
Wer weiß, vielleicht wird es dadurch in Zukunft wieder möglich sein, ein iPhone aus Einzelteilen zusammenzubauen – und vielleicht sogar günstiger als ein neues Gerät. Dass das klappt, haben wir bereits bewiesen, nun liegt der Ball also in Apples Spielfeldhälfte.