10. Oktober 2024, 10:39 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Am 15. Mai 1997 in der taiwanesischen Stadt Taoyuan gegründet, stieg HTC (Hightech Computer Corporation) innerhalb kürzester Zeit mit Mobiltelefonen, Tablets und weiteren Geräten zu einem wichtigen Player auf dem Markt für Mobilkommunikation auf.
Um den rasanten Aufstieg sowie den späteren Niedergang von HTC verstehen zu können, bedarf es eines kurzen Rückblicks auf die Rolle, die das Android-Betriebssystem bzw. die als Open Handset Alliance bekannt gewordene Google-Initiative dabei spielte. Das am 5. November 2007 gegründete und von Google angeführte Konsortium war bzw. ist ein Zusammenschluss von anfangs 33 und heute 84 Unternehmen. Dabei handelt es sich um Software- und Marketing-Unternehmen ebenso wie um Chip- und Mobiltelefon-Hersteller sowie Netzbetreiber, die sich für offene Standards bei Mobilgeräten einsetzen. So wollte man nicht nur eine deutliche Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit und des Benutzererlebnisses von mobilen Geräten und Diensten erreichen, sondern auch eine kostengünstigere Entwicklung und schnellere Markteinführung.
Das erste Android-Handy stammte von HTC
Google hatte erst zwei Jahre zuvor ein kleines Start-up mit dem Namen Android, Inc. aufgekauft. Allerdings ließ man zunächst Gerüchte unkommentiert, dass man sich auf dem Markt für mobile Kommunikation engagieren wolle, so der Autor und Android-Entwickler Thomas Künneth in seinem 2020er-Band „Android 11 – Das Praxisbuch für App-Entwickler“. Spätestens mit dem Auftritt der Open Handset Alliance aber war klar, dass der schon damals durch den Börsengang 2004 mächtige Technologie-Konzern mit dem Kauf von Android offensichtlich von Anfang an einen Plan verfolgt hatte. Denn beinahe selbstverständlich setzte man bei der Entwicklung besagter Standards vollumfänglich auf Android.
Was uns zurück zu HTC und dessen Rolle als Wegbereiter für den späteren Welterfolg von Android bringt. Das Handy, das unter Android lief und bereits GPS-Fähigkeit besaß, war das HTC Dream. Es kam am 22. Oktober 2008 unter dem Namen T-Mobile G1 in den USA auf den Markt und wurde später auch in Deutschland von T-Mobile vermarktet.
2010 wiederum brachte Google unter eigenem Namen das Smartphone Nexus One auf den Markt, das allerdings ebenfalls von HTC hergestellt wurde. Die Qualitäten des Nexus One führten dazu, dass die GSMA (Global System for Mobile Communications Association), die Industrievereinigung der GSM-Mobilfunkanbieter, HTC als „Bester Geräte-Hersteller 2011“ auszeichnete. Im Übrigen nicht die einzige bedeutende Auszeichnung für das taiwanesische Unternehmen. Schon 2010 hatte die deutsche Computerzeitschrift „Chip“, damals mit einer verkauften Auflage von rund 350.000 Exemplaren, HTC den „CHIP Award ‚Unternehmen des Jahres‘ 2010“ verliehen.
2012: 88 Millionen Euro Verlust
Im selben Jahr – Android hatte sich damals gerade erst die bis heute gültige Spitzenposition bei den Betriebssystemen für Mobilgeräte gesichert –, stammten stolze 70 Prozent aller Windows-Handys sowie knapp 35 Prozent aller Android-basierten Geräte in der EU-5-Region (Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich und Spanien) von HTC. Dass die Marke dennoch gerade auch im deutschsprachigen Raum bisher keinen entsprechenden Bekanntheitsgrad erlangt hatte, lag primär daran, dass HTC-Geräte über Wiederverkäufer und unter deren Namen (T-Mobile, Vodafone und Orange) vertrieben wurden.
Noch aber ging der rasante Aufstieg weiter. So erwarb HTC im August 2011 für 300 Millionen US-Dollar 50,1 Prozent der Anteile und damit die Mehrheit am Audiotechnik-/Kopfhörer-Hersteller Beats Audio. Das nach dem Rapper Dr. Dre benannte Unternehmen hatte mit Beats by Dr. Dre. eine imagestarke Kopfhörer-Eigenmarke im Portfolio und fertigte nun eigens für HTC-Smartphones entwickelte Lautsprechersysteme. So wollte HTC vor allem die junge Käufergruppe ansprechen, die ihr Handy gerade auch zum Musik-Streaming nutzten.
Schnell aber sollte sich zeigen, dass diese Rechnung nicht aufging. Bereits 2013 hatte man alle Anteile an Beats Audio wieder verkauft. Schon ein Jahr zuvor hatte HTC starke Umsatzrückgänge verzeichnen und erstmals seit dem Börsengang 2002 einen Quartalsverlust erleiden müssen. Mit umgerechnet 88 Millionen Euro war HTC in die roten Zahlen gerutscht, obwohl im Vorjahreszeitraum noch ein Nettogewinn von 100 Millionen Euro erzielt worden war. Eine Entwicklung, die sich fortsetzen sollte und an der auch das im Februar 2013 präsentierte Modell HTC One nichts mehr änderte.
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Das HTC One schürte trügerische Hoffnung
Dabei war das One nicht nur ein herausragendes Smartphone, sondern auch ein echtes Schmuckstück und zumindest für Stilbewusste ein Must-have. „HTC One: The One and Only“, titelte „Chip“ damals und bescheinigte dem Gerät, „neue Maßstäbe bei Verarbeitung und Performance“ zu setzen. „Computer BILD“ wiederum bezeichnete HTCs neues Flaggschiff als „Smartphone-Rakete im Alu-Anzug“, „Handschmeichler“ und – das wohl größte Lob –, als „das iPhone unter den Android-Geräten“.
Tatsächlich erinnerte das One mit seinem Unibody-Gehäuse aus Aluminium in Machart und Qualitätseindruck an Apples MacBook, das 2008 erstmals in dieser Bauweise erschienen war. Das Nachrichten-Portal von „NTV“ bilanzierte, das HTC sei „alles in allem vermutlich das beste Smartphone, das man kaufen kann.“ Vielleicht also gar kein Wunder, dass der damalige HTC-Chef Peter Chou noch daran glaubte, das Unternehmen zurück in die Erfolgsspur bringen zu können.
Wie die Geschichte aber zeigen würde, war diese Hoffnung trügerisch. Zwar sollte es noch rund vier Jahre ein Dahinsiechen geben. Spätestens am 21. September 2017 aber hatte HTC seine Eigenständigkeit endgültig verloren. An diesem Tag sickerte durch, dass Google Teile der HTC-Smartphone-Sparte übernommen hatte, für 1,1 Milliarden US-Dollar. Zu diesem Deal gehörte im Übrigen ein Lizenzabkommen, das es Google ermöglichte, HTC-Patente zu nutzen. „Pixel, ich hör dir trapsen“, mag manch einer im Rückblick später gedacht haben.
Das Online-Magazin „SmartDroid“ jedenfalls schrieb Anfang 2024: „Der Pionier der smarten Telefone (HTC; d. Red.) ist im Grunde genommen nicht mehr existent, lebt aber ein Stück weit in der Pixel-Reihe weiter.“ „Im Grunde genommen“, weil HTC bis heute weiterhin eigene Smartphones produziert. Bei denen aber handelt es sich nach der Meinung von „SmartDroid“ um „meist bedeutungslose Modelle ohne Charme oder starke Merkmale.“ Auch das Online-Portal „Stern“ nannte als einen der Gründe für den Niedergang, dass man seine „Kernkompetenz, das Bauen guter Smartphones“, vernachlässigt und beim ausufernden Produktportfolio „auf Masse statt Klasse“ gesetzt habe.
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Hoffnungsschimmer HTC U24 Pro
Einen kleinen Hoffnungsschimmer allerdings gibt es. Mit dem Mittelklasse-Smartphone HTC U24 Pro haben die Taiwanesen im Juni 2024 „ein spannendes neues Smartphone“ vorgestellt, so das Branchen-Magazin „Connect“. „Computer BILD“ bestätigt dem Gerät, das zwar „leistungstechnisch in der gehobenen Mittelklasse positioniert“ sei, dennoch „hochwertige und durchaus bemerkenswerte Features.“
Und auch „Chip“ spricht von einer „Super Ausstattung“, mit der das „schicke HTC 24 Pro“ punkten könne. Allerdings ist „Notebookcheck“ deutlich weniger euphorisch. Zwar gebe es durchaus „einige Details, welche das Phone besonders machen“. Trotzdem glaubt das Magazin nicht an „eine Rückeroberung signifikanter Marktanteile“.
Interessenten, die, vielleicht aus Nostalgiegründen, ein Faible für die Marke haben oder vom nach wie vor überzeugenden HTC-Look angetan sind, sollten sich daher unbedingt selbst ein Bild von den (ggf. auch fehlenden) Qualitäten des U24 Pro machen.