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Hersteller darf sich nicht mehr abschotten

Redakteur zu neuen EU-Auflagen für Apple: „Das geht zu weit!“

Die Europäische Kommission macht es Apple schwierig, Geschäfte in der EU zu betreiben
Die Europäische Kommission macht es Apple schwierig, Geschäfte in der EU zu betreiben Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Christian Ohde | Collage: TECHBOOK
Adrian Mühlroth
Redakteur

20. März 2025, 17:37 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Apple ist für seinen „Walled Garden“-Ansatz bekannt – ein geschlossenes System, das nach den Vorstellungen der Unternehmensvisionäre aufgebaut ist. Seine Innovationen und Technologien stehen in der Regel nur Apple selbst zur Verfügung, was bei vielen kleineren Unternehmen für Frust sorgt. Sie können auf grundlegende Schnittstellen nicht zugreifen, da Apple sein System schützen will. Das hat bislang den Wettbewerb in vielen Kategorien wie Smartwatches und Kopfhörern zugunsten von Apple behindert. Denn der Konzern kann so seine eigenen Produkte als zu 100 Prozent in das eigene Ökosystem integriert bewerben, während andere das Nachsehen haben. Dass die Europäische Kommission Apples eisernen Griff nun lockert, ist an sich ein guter Ansatz. Aber mit ihrem Rundumschlag schießt sie völlig über das Ziel hinaus.

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Ende 2023 wurde Apple von der EU als Gatekeeper im Rahmen des Gesetzes über digitale Märkte (DMA) identifiziert. Seitdem muss sich das Unternehmen an strenge Auflagen halten. Das Stichwort hierbei ist Interoperabilität. Damit ist die Möglichkeit von Drittanbietern gemeint, ihre Apps und Dienste in das Apple-Ökosystem einzubinden. Das ist auch der Grund, warum das Unternehmen seit vergangenem Jahr alternative Appstores auf dem iPhone erlauben muss. Nun hat die Europäische Kommission diese Anforderungen jedoch auf neun weitere iOS-Features ausgeweitet. Ich befürchte, dass die EK europäischen Apple-Kunden damit einen Bärendienst erweist. Zwar wird sich das Unternehmen kaum aus der EU zurückziehen. In Zukunft dürfen wir aber damit rechnen, dass neue Features verspätet oder gar nicht erst hier erscheinen.

Apple muss sein System in der EU öffnen

Die Europäische Kommission hat Apple verpflichtet, sein iOS-Ökosystem für eine größere Interoperabilität mit Drittanbieter-Geräten und -Diensten zu öffnen. Das Unternehmen muss Geräteherstellern und Entwicklern einen verbesserten Zugang zu insgesamt neun Konnektivitäts-Features in iOS geben:

  • iOS-Benachrichtigungen
  • Hintergrund-Prozesse
  • Automatische Audio-Übergabe (z. B. mit AirPods zwischen iPhone und Mac)
  • Peer-to-Peer-Verbindung über Wi-Fi (z. B. zur Bildschirm-Spiegelung)
  • AirDrop
  • AirPlay
  • NFC
  • Automatisches Koppeln durch Annähern (z. B. mit AirPods)
  • Automatische Wi-Fi-Verbindung

Apple muss die Interoperabilität für die einzelnen Features nach einem festgelegten Zeitplan gewährleisten. Beta-Versionen für iOS-Benachrichtigungen und automatisches Koppeln durch Annähern sowie Bestandteile der Hintergrund-Prozesse und der automatischen Wi-Fi-Verbindung müssen bereits 2025 für Drittanbieter geöffnet sein.

Als letzte Maßnahme muss die automatische Audio-Übergabe bis Mitte 2027 zugänglich gemacht werden. In dem gesamten Prozess muss Apple Transparenz und Effizienz bei der Bearbeitung von Entwickleranfragen zur Interoperabilität gewährleisten, um einen „fairen“ Zugang zu iOS-Funktionen zu ermöglichen.

Der richtige Ansatz, …

Die Intentionen der EU-Regulatoren sind nobel. Die Maßnahme soll sicherstellen, dass Smartwatches, Kopfhörer und andere vernetzte Geräte verschiedener Marken nahtloser mit Apple-Produkten funktionieren. Bislang ist die Apple Watch die einzige Smartwatch, die vollen Zugriff auf Benachrichtigungen und Hintergrund-Prozesse (etwa zum Aktualisieren der Wettervorhersage) hat. Andere Hersteller können nur stark im Funktionsumfang beschränkte Produkte für das iPhone anbieten. Der Gründer der Ur-Smartwatch Pebble, Eric Migicovsky, schrieb kürzlich auf seinem Blog zum Neustart der Marke: „Es ist für eine Smartwatch eines Drittanbieters unmöglich, Textnachrichten zu senden oder Aktionen für Benachrichtigungen auszuführen (wie Ablehnen, Stummschalten, Antworten) und viele, viele andere Dinge.“

Ähnliches ist es mit AirPods, die sich beim Öffnen des Deckels automatisch mit dem iPhone verbinden. Wettbewerber müssen das über eine App oder die System-Einstellungen bewerkstelligen. Auch bei AirDrop hat das geschlossene System Nachteile für Nutzer. Der Dateitransfer von iPhone auf Mac funktioniert (in der Regel) ohne Probleme. Aber Inhalte schnell und einfach auf ein Android-Smartphone oder einen Windows-PC überspielen? Schlichtweg nicht möglich.

Es gibt also durchaus Verbesserungspotenzial. Geht es nach den EU-Regulatoren, hemmt der bisherige Walled-Garden-Ansatz die Innovation, da Drittanbieter keine Mittel haben, mit Apples integrierten Features zu konkurrieren. Die Anforderungen zur Interoperabilität sollen deshalb mehr Auswahlmöglichkeiten für iPhone-Nutzer schaffen.

… die falschen Folgerungen

Für Apples Geschäft in der EU stellt diese Entscheidung eine Herausforderung für das bisherige geschlossene Ökosystem dar. Apple ist der Inbegriff der vertikalen Integration: Das Unternehmen entwickelt Hardware, Software und Dienst komplett im eigenen Haus. Deswegen würden Features wie AirDrop und AirPlay nicht einfach auf einem anderen Smartphone als dem iPhone funktionieren – die entsprechende Hardware ist dafür ebenfalls notwendig.

Jetzt verlangt die Europäische Kommission jedoch, dass Drittanbieter einfach Zugriff auf die Konnektivitäts-Funktionen – und damit auf Apples selbst entwickelte Hardware – bekommen. Doch das ist nicht alles. Apple ist verpflichtet, kostenlose, gut dokumentierte APIs (Programmierschnittstellen) bereitzustellen und sicherzustellen, dass Drittanbieter-Lösungen genauso effektiv sind wie Apples eigene. Das Unternehmen muss kontinuierlich technische Unterstützung anbieten und gewährleisten, dass Drittanbieter immer Zugang zu neuen Funktionen haben.

Die EU-Regulatoren erwarten von Apple, anderen Zugriff viele der bislang gut geschützten iPhone-Funktionen zu geben – you’ll own nothing and you’ll be happy. Das alles auch noch zum Wahnsinnspreis von 0 Euro für Drittanbieter. Anstatt Apple zuzugestehen, dass die Öffnung seiner Plattform finanzielle Einbußen bedeuten könnte, streut die EU noch einmal Salz in die Wunde.

Der tiefgehende Konflikt zwischen EU und Apple

Apple kritisiert die Maßnahmen der EU scharf. In einem Statement gegenüber TECHBOOK schreibt das Unternehmen:

„Die heutigen Entscheidungen binden uns in Bürokratie und verlangsamen die Innovationskraft von Apple für Nutzer:innen in Europa. Sie zwingen uns, neue Funktionen kostenlos an Unternehmen weiterzugeben, die sich nicht an dieselben Regeln halten müssen. Das ist schlecht für unsere Produkte und für unsere europäischen Nutzer:innen. Wir werden weiterhin mit der Europäischen Kommission zusammenarbeiten, um ihnen unsere Bedenken im Namen unserer Nutzer:innen zu vermitteln.“

Über das offizielle Statement hinaus haben wir eine Reihe von Hintergrund-Details erhalten, die mehr Licht auf den Konflikt zwischen EU und Apple werfen. Unter anderem seien 500 Entwickler dazu abgestellt, Lösungen zur Einhaltung der DMA-Vorgaben zu finden. Es ist kein Geheimnis, dass das Unternehmen den regulatorischen Ansatz der Europäischen Kommission für verfehlt hält.

Apple glaubt an den Wettbewerb: „Unternehmen sollten miteinander konkurrieren […] und von ihren hart erarbeiteten Innovationen profitieren dürfen und nicht gezwungen sein, sie an Konkurrenten zu übergeben, damit diese sie kostenlos kopieren.“ Es befürchtet außerdem, dass anderen Unternehmen nur Apple kopieren würden – und nun in der EU direkt Zugriff auf Innovationen hätten. Apple zeigt sich zudem besorgt über Datenschutzrisiken, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zum iOS-Benachrichtigungssystem, das es Dritten ermöglichen könnte, seine Sicherheitsmaßnahmen zu umgehen.

Trotz seiner Einwände bestätigte Apple, dass man das Gesetz einhalten werde und sich verpflichtet habe, Interoperabilitätsänderungen ab diesem Jahr umzusetzen. Allerdings warnt das Unternehmen die EU-Regulatoren. Die aktuellen Maßnahmen bedeuten, dass „Beamte […] im Endeffekt das zukünftige Design des iPhones mikromanagen“. Für Apple kann das nur eine Folge haben – es wird „erheblich schwieriger, neue Produkte und Technologien in Europa zu veröffentlichen.“

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Ungewisse Zukunft für Apple-Innovationen in der EU

Ist es eine Warnung oder kann man den letzten Satz schon als Drohung verstehen? Ich würde mich nicht wundern, wenn Apple künftig neue Features und Innovationen erst verspätet auf den EU-Markt bringt oder gänzlich streicht. Dass es nicht über solchen harten Methoden steht, hat das Unternehmen mit dem verspäteten Launch von Apple Intelligence bewiesen. Erst im April soll die KI-Suite als Teil von iOS 18.4 in der EU starten – Monate nach der generellen Verfügbarkeit für den Rest der Welt. Die Spiegelung des iPhone-Bildschirms auf Macs ist weiterhin nicht für Europa freigeschaltet und wird wahrscheinlich auch nicht mehr kommen. Werden wir in der EU zu Apple-Kunden zweiter Klasse?

Apple muss sich nun bei jeder neuen Funktion die Frage stellen, ob es wirtschaftlich ist, diese in der EU verfügbar zu machen und damit anderen Unternehmen ungehinderten Zugriff darauf zu geben. In vielen Fällen dürfte die Antwort auf diese Frage zuungunsten der EU-Kundschaft ausfallen. Damit würde die Europäische Kommission genau das Gegenteil erreichen, was ihr eigentliches Ziel ist. Anstatt Innovation und Wettbewerb zu fördern, behindert sie die Einführung neuer iPhone-Funktion.

Dass Kunden das iPhone genau für das geschlossene und von Apple gepflegte System – samt AirDrop, AirPlay etc. – kaufen, lasse ich hier einmal außen vor. Ich persönlich aber bin auf das iPhone umgestiegen, weil ich den ganzen Ärger um verspätete Updates und fragmentierte Software einzelner Hersteller nicht mehr ertragen konnte. Geht es nach der EU, ist das jedoch genau die Zukunft, auf die Apple nun zusteuern soll.

Themen Apple iOS Meinung News
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