26. Mai 2023, 17:18 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Eine Finanz-App namens Revolut will Filialbanken ersetzen und Währungshandel vereinfachen. TECHBOOK hat sie ausprobiert.
Der Schrecken der Bankwelt ist so groß wie ein Fingernagel und passt auf jedes iPhone oder Android-Smartphone. Revolut, eine Geld-App zum Bezahlen, Sparen und vielem mehr. Das dahinter stehende britische Fintech-Unternehmen erreichte bei der jüngsten Finanzierungsrunde einen Marktwert von 33 Milliarden Dollar. Es ist damit höher bewertet als Deutsche Bank und Commerzbank zusammen. Das erst 2015 gegründete Startup scheint sich also zu so etwas wie dem Tesla der Finanzbranche zu entwickeln. Auch die gehypte Neobank N26 aus Deutschland kann da nicht mithalten. Wobei Revolut bislang tatsächlich eher eine Geld-Verwaltungs-App als eine echte Bank ist. Eine europäische Banklizenz aus Litauen erlaubt ihr zwar die Vergabe von Krediten, nicht aber den Wertpapierhandel.
Übersicht
Einfache Anmeldung bei Revolut
Dem User kann‘s egal sein, er bekommt zuerst mal völlig problemlos ein neues Konto. Anmelden, per Selfie und Scan des Personalausweises, Führerscheins oder Reisepasses identifizieren, fertig. Eine nervige Schufa-Anfrage entfällt, dafür hätte Revolut aber gerne die Steuer-ID. Fällt die in die falschen Hände, kann damit viel Missbrauch betrieben werden. Wir verweigern sie, und bekommen trotzdem den vollen Leistungsumfang. Dazu gehören eine vollwertige IBAN aus Litauen, was aber kein Problem sein sollte, und die Möglichkeit, zum günstigen Interbankenkurs Geld jeder beliebigen Währung anlegen zu können. Inklusive Bitcoin, Ether und Co – für eine faire Gebühr von 1,5 Prozent. Wer mit Blockchain-Währungen dealt, spart sich also eine separate Krypto-Wallet.
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Mastercard-Flut und gute Nutzer-Erfahrung
Auch eine Mastercard zum kontaktlosen Bezahlen in mittlerweile fast allen Geschäften flattert sofort auf Smartphone und Watch. Bei Bedarf, etwa für das Cash-Abheben an Geld-Automaten, liegt ein paar Tage später auch eine physische Mastercard oder Maestro-Karte („EC-Karte“) im Briefkasten. Beide sind Debit-Karten ohne Kreditrahmen, so wie es auch keinen Dispo gibt. Jeder Cent, den man per Revolut ausgibt, muss also vorher eingezahlt worden sein.
Das funktioniert in Sekundenschnelle von einem anderen Girokonto aus, auch das Einzahlen per Apple Play ist problemlos möglich. Man kann selbstverständlich Revolut auch ganz klassisch für den Empfang von Zahlungen angeben – etwa als Gehaltskonto. Die User-Erfahrung mit der App ist sehr gut. Egal,ob kontaktloses Zahlen, Überweisen, Währungstausch oder Kosten-Aufteilung, etwa für einen gemeinsamen Urlaub. Das flutscht und klappt und ist auch noch schön anzusehen.
Vor- und Nachteile der Wegwerf-Kreditkarten von Revolut
Wer Revolut das erste Mal benutzt, wird überrascht sein, wie unkompliziert die Anmeldung und Eröffnung eines Kontos abläuft. Es gibt keinen Briefverkehr mit der Bank, das Zusenden einer Bank- oder Debitkarte zuzüglich der jeweiligen PIN ist nicht notwendig. Die Freischaltung der Mastercard nach Einscannen des Identitätsnachweises dauert nur wenige Minuten – danach ist die Mastercard voll einsatzbereit.
Die App geht zudem ungewöhnlich transparent mit allen Gebühren, kostenfreien Kontingenten und eventuellen Zusatzkosten um. Über Statistiken lässt sich verfolgen, wie viel Bargeld man noch kostenfrei abheben und wie viel Geld man noch ohne Gebühr in anderen Währungen ausgeben kann. Außerdem verfolgt die App genau, wann, wo und wofür Geld ausgegeben wurde. Zugänglich ist sie obendrein auch noch, denn eine Schufa-Prüfung gibt es nicht.
Ein weiterer Vorteil gegenüber vielen anderen Direktbanken und auch klassischen Banken sind die kostenlosen Mastercards, die man als Nutzer von Revolut bekommt. In einigen Fällen akzeptieren Händler – sowohl online als auch offline – nur Mastercard, und nicht Visa. Selbst mit dem kostenfreien Standard-Account stehen sowohl eine dauerhafte Mastercard als auch eine Einmal-Mastercard zur Verfügung. Letztere sind besonders beim Online-Shopping sehr praktisch. Etwa, wenn man bei einem Shop bestellt, den man nicht kennt. Denn egal, wer die Kartendetails nach der Zahlung bekommt, kann diese nicht für Käufe nutzen. Außerdem schützt eine Einmal-Karte vor versteckten Abos oder wiederkehrenden Zahlungen, da sie nur exakt ein Mal genutzt werden kann. Trotzdem können Nutzer Rückerstattungen für bereits getätigte Käufe erhalten.
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Der wohl größte Nachteil der Revolut-Debitkarten ist, dass das Überziehen des Kontos schlichtweg nicht möglich ist. Denn es gibt keinen Kreditrahmen, zur Nutzung ist zwingend Guthaben auf dem Konto erforderlich. Wer also höhere Zahlung damit tätigen möchte, muss den entsprechenden Betrag bereits vorab auf das Konto einzahlen.
Der „Online First“-Ansatz hat zudem zur Folge, dass Bargeldabhebungen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Sie sind zwar möglich, aber nur bis zu einem Betrag von 200 Euro pro Monat kostenfrei. Darüber hinaus fallen mit dem Standard- und Plus-Plan zwei Prozent Gebühr pro Abhebung an – mehr dazu weiter unten.
Kein richtiger Nachteil, aber durchaus zu beachten ist, dass man mit Revolut nicht nur eine Mastercard bekommt, sondern ein echtes Girokonto eröffnet. Es gibt andere Banken, bei denen das nicht notwendig ist. Das Girokonto ist immerhin komplett kostenlos, allerdings kommt es mit einer britischen IBAN – da Revolut in UK sitzt.
TECHBOOK meint
„Ich bin sehr überrascht davon, wie transparent Revolut mit Gebühren und den Funktionen umgeht – das kannte ich so noch von keiner anderen Bank. Vor allem für bargeldlose Zahlungen im In- und Ausland und beim Online-Shopping ist die App wirklich praktisch. Man hat volle Kostenkontrolle, muss sich nicht vor Phishing-Attacken und unseriösen Online-Shops fürchten und hat trotzdem Vorteile wie gebührenfreie Transaktionen in Fremdwährungen und Unterstützung von Apple Pay und Google Pay. Einzig die Beschränkung auf 200 Euro kostenfreie Abhebung im Monat könnte im Bargeld-verliebten Deutschland ein Problem sein. Für mich ist das aber eher nebensächlich und sowieso nur für den Notfall ein Thema – wenn ein Geschäft mal wieder keine kontaktlose Zahlung anbietet.“– Adrian Mühlroth, Redakteur
Die App ist übersichtlich, einfach und informativ
Jeder Zahlvorgang wird sofort auf der Apple Watch angezeigt und im Smartphone ausführlich aufbereitet. Der Empfänger, etwa ein Supermarkt, präzise und mit Firmen-Logo identifiziert – bis hin zur Lage-Anzeige per Maps. Man kann ein Monatslimit eingeben und das Dahinschmelzen seiner Geldreserven anhand appetitlich aufbereiteter Statistiken nachvollziehen. Ausgaben, auch von verknüpften Konten anderer Banken, kann man nach Arten einteilen und wird gewarnt, wenn das Geld knapp wird. Ob einem das dann irgendwie weiterhilft, sei dahingestellt. Wer aber einmal daran verzweifelt ist, wie eine klassische Bank versucht, ihren Service aus der Filiale auf das Smartphone zu bringen, bekommt bei Revolut das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.
Bei Bargeld wird die App ein teures Vergnügen
Die Kehrseite: Die App ist konsequent auf das kontaktlose Zahlen und den Geld-Transfer over the Air ausgelegt. Bargeld-Handling ist eher eine störende Ausnahme. Nur 200 Euro monatlicher Cash-Bezug aus Automaten sind bei kostenloser App-Nutzung und der ersten Bezahl-Stufe „Plus“ für 2,99 Euro im Monat inklusive. Darüber hinaus werden zwei Prozent Gebühr fällig. Die teureren Abos bieten auch höhere Limits, neben weiteren Vorteilen wie schnellerem Support. „Premium“ für 7,99 Euro monatlich 400 Euro und „Metal“ für immerhin 13,99 Euro dann 800 Euro. Dass es bei einer so hohen Kontoführungsgebühr überhaupt noch ein Limit gibt, zeigt die Bargeld-Aversion von Revolut.
Reisen ohne Geld-Gebühren
Praktisch ist die Möglichkeit, an nahezu jedem Bankomaten weltweit Bares ziehen zu können. Das kostet seitens Revolut nämlich keine Auslands-Gebühren. Auch beim Einsatz der Mastercard außerhalb des Euro-Raums entfallen die mittlerweile leider üblichen 1,5 bis 2 Prozent für Zahlungen: Vielreisende werden wohl als Erste zu den überzeugten Usern von Revolut gehören.
Für Zahlungen in ausländischen Währungen gibt es ein kostenfreies Kontingent von 1000 Euro monatlich. Danach berechnet Revolut 0,5 Prozent der Transaktion als Gebühr. Wie alle anderen Kostenfaktoren lässt sich das Kontingent in der App transparent überprüfen. Wer mehr als 1000 Euro im Monat benötigt und die Gebühr vermeiden möchte, muss auf die „Metal“-Stufe upgraden.
Ganz pfiffig klingt eigentlich auch die Idee der Junior-App, die mit Abo eines Elternteils verknüpft wird – in dessen kostenloser Basisversion allerdings nur für ein Kind. Darauf kann dann beispielsweise das Taschengeld verschoben werden, und die Kids können damit (im Rahmen ihrer Geschäftsfähigkeit) kontaktlos oder im Netz zahlen. Im Alltag scheitert der Ansatz aber schlicht daran, dass Kinder oft mit erstaunlichen Summen von Bargeld hantieren, das ihnen Tante oder Opa zustecken, oder das sie in der Nachbarschaft mit Service-Diensten wie dem Hunde-Gassigang verdienen. Das Geld müssten die Eltern dann erst in der Filiale ihrer klassischen Hausbank einzahlen und von dort weiter auf die Junior-App überweisen.
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Fazit: Perfekt für Nomaden der digitalen Welt
Im Grunde ist damit auch der Nutzen für Erwachsene beschrieben. Wer sich im Supermarkt schon bei der Kassiererin entschuldigt, wenn er eine Packung Kaugummi aus Kleingeld-Mangel mit Karte zahlen „muss“, sucht was anderes. Und auch wer gerne den persönliche Ansprechpartner seiner Bank in Anspruch nimmt, dem bringt Revolut nicht viel. Das andere Extrem ist der digitale Nomade, oft und auch international unterwegs. Das Portemonnaie hat er schon längst durch die Apple Watch ersetzt. Solche Leute können ihr Old-School-Girokonto im Grunde komplett durch Revolut ersetzen. Alle Nutzer dazwischen machen mit der kostenlosen Basisversion, als Backup zum Hauptkonto, nicht viel falsch.