28. September 2022, 19:17 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Meta hat zahlreiche Konten gelöscht, die Fake News auf Facebook und Instagram verbreitet haben. Dahinter steht ein Netzwerk, das über 60 deutsche News-Seiten täuschend echt imitierte.
Bereits im August 2022 konnte das Digital Forensic Research Lab (DFRLab) ein Netzwerk auf Facebook identifizieren, welches die zunehmende Energiekrise in Deutschland und eine Lockerung von russischen Sanktionen thematisierte und in diesen Themenbereichen Fake News verbreitete. Das DFRLab ist Teil der US-Denkfabrik Atlantic Council, die auch Public Policy betreibt. Dass hinter den identifizierten Accounts ein viel größeres Netzwerk steckt, ergab eine Überprüfung des Facebook-Konzerns Meta und weitere Recherchen von ZDFheute. Vorrangig ging es darum, die Sanktionspolitik gegen Russland im Rahmen des Ukraine-Krieges mit Fake News anzugreifen. Dabei kamen perfide Methoden zum Einsatz.
Übersicht
Fake News auf Facebook und Instagram
Das entsprechende Netzwerk auf Facebook umfasste den ZDF-Recherchen nach 1633 Accounts, 703 Seiten und eine Gruppe. Auf Instagram mischten 29 Instagram-Profile mit. Das Ziel war, kremlnahe Interessen in europäischen Ländern zu fördern. Meta kam zu dem Schluss, dass der Ursprung des Netzwerkes in Russland liegen muss und sich von dort über mehrere Plattformen jenseits von Facebook und Instagram ausbreitet. So wurden Fake News auf YouTube, Facebook, Instagram, Telegram, Twitter sowie auf die russische Plattform Livejournal gestellt. Weiterhin gab es Petitionen auf Change.org und Avaaz, die in Zusammenhang mit der gesteuerten Kampagne stehen. Ein Meta-Sprecher gab dazu bekannt:
Wir haben ein großes Netzwerk lahmgelegt (…). Die Operation begann im Mai dieses Jahres und konzentrierte sich auf ein ausgedehntes Netzwerk von über sechzig Webseiten, die sich sorgfältig als legitime Nachrichtenorganisationen in Europa ausgaben, darunter Spiegel, The Guardian, Bild und ANSA. Dort veröffentlichten sie originelle Artikel, die ukrainische Flüchtlinge und die Ukraine kritisierten, Russland lobten und argumentierten, dass westliche Sanktionen gegen Russland nach hinten losgehen würden.
Sprecher von Meta in Publikation von DFRLab
Links zu gefälschten News-Seiten
Meta stellte fest, dass die Facebook-Accounts massenhaft Links zu russischen Webseiten teilten. Oft wurde außerdem auf gefälschte Webseiten verlinkt, die bekannten Medienorganisationen ähnelten. Die Recherchen von ZDFheute ergaben, dass Unbekannte unter anderem BILD, Spiegel, Welt und T-Online Webseiten nachbauten. Somit wird auf den gefälschten Seiten Fake News und falschen Videos ein legitimes Aussehen gegeben.
Vorrangig soll diese Fake-News-Strategie die Menschen wohl verunsichern und mit ausgedachten Erzählungen vor allem eines erreichen: Wut gegen die eigene Politik und Zustimmung für das Vorgehen Russlands. Dazu wurden Überschriften wie „Berbock [sic] bereitet einen Atomkrieg vor“ oder „Bundeskanzler Scholz hat mit den wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland das Todesurteil für Deutschland unterschrieben“ auf den Webseiten veröffentlicht.
Damit die Leser keinen Verdacht schöpfen, führen die Links auf russische Internetadressen, die bekannten Domains ähneln. Somit kann im Internetbrowser eine Adresse wie news.bild.xxx (Endung zensiert) auftauchen, um authentischer zu wirken.
Koordinierte Vorgehensweise von Fake-Accounts
Um die Links zu verbreiten, teilen Fake-Profile auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken diese tausendfach. Das DFRLab konnte eine koordinierte Vorgehensweise der Accounts feststellen. So wurde etwa bezahlte Werbung für Inhalte geschaltet. Zudem war die Verwendung von automatisierten und koordinierten Erzählungen auffällig, genauso wie grammatikalische Fehler in Texten. Letztere sind wohl vor allem darauf zurückzuführen, dass keine Muttersprachler am Werk waren. Zur Verstärkung der benutzten Narrative und der Interaktion mit dem Publikum wurde auf Aufrufe zum Handeln gesetzt. Auch Petitionen und andere Formen des Engagements sollten über mehrere Sprachen hinweg Menschen zum Mitmachen motivieren.
Die Accounts haben dabei auffällig oft als Berufsbezeichnung „Netflix“ und verwenden mit KI-Software generierte Profilbilder. Die KI benutzt dazu mehrere Profilbilder fremder Menschen, um ein neues virtuelles Porträt einer nicht existierenden Person zu schaffen. Zum Teil versuchten die Accounts auch, einen ukrainischen Hintergrund zu imitieren, indem etwa ukrainische Namen und Flaggen verwendet wurden. Zudem gaben viele Account-Manager der Fake-News-Seiten auf Facebook an, aus Weißrussland oder der Ukraine zu stammen.
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Kampagnen hatten wohl hohes Budget
Auch wenn die Aktivitäten der meisten Fake-News-Seiten und -Accounts begrenzt waren, konnten die Inhalte Tausende Menschen erreichen. Der Erfolg kam aber nicht von ungefähr. Die DRFLab hat 13 Facebook-Seiten identifizieren, die mit bezahlter Werbung die Verbreitung ihrer Inhalte nutzten.
Die Tatsache, dass das Netzwerk Werbeanzeigen einsetzte, deutet auf ein erhebliches Budget hin. Meta selbst berichtete, dass Geld im Wert von 105.000 US-Dollar für die Werbung der Fake News an Facebook-Ad, Instagram-Ad und Meta Ad Library geflossen sind. Die Bezahlung erfolgte vorrangig in US-Dollar, Euro und ungarischen Forint.
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Der Informationskrieg geht weiter
Auch wenn Meta jetzt gegen das Fake-News-Netzwerk vorgegangen ist, wird das Problem weiter bestehen. Problematisch ist vor allem, dass staatliche Akteure in den öffentlichen Meinungsdiskurs eingreifen. Eine freie Meinung sollte sich immer aus mehreren und frei zugänglichen Quellen bilden. Wenn jedoch nicht gekennzeichnet ist, ob ein staatlicher Akteur dahintersteckt, ist die Grenze zur Manipulation und Propaganda fließend. Die Gefahr auf bewusst irreführende Inhalte in den sozialen Medien zu stoßen, ist trotz automatisierter Überprüfung durch Meta immer noch groß. Diese spürt Fake-Profile automatisch auf und kann sie gegebenenfalls löschen. Ob Zensur eine langfristige Lösung darstellt, ist allerdings fraglich. Denn oft weichen solche Desinformation-Kampagnen auf soziale Medien und Plattformen aus, auf denen sie weniger Regulierungen ausgesetzt sind.
Dass im vorliegenden Fall noch bekannte News-Seiten gefälscht wurden, ist besonders besorgniserregend. Gerade wenn ein höheres Budget dahinter steht, ist die Meinungsfreiheit bedroht und die Meinungsvielfalt wird untergraben. Auch andere Akteure neben Russland haben ein Interesse daran, Meinungen in den USA und Europa zu beeinflussen, wie u.a. ein Bericht von Meta zeigt. Dieser führt detailliert an, wie auch China immer wieder breit angelegte Kampagnen initiiert. Aufklärung über verschiedene Methoden und Hintergründe von Falschnachrichten kann dabei ein Mittel sein, um einen offenen Meinungsdiskurs zu gewährleisten.
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