25. Januar 2021, 17:43 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Nachdem bereits die British Heart Rhythm Society und andere Experten vor der Gefahr des iPhone 12 auf Herzpatienten gewarnt haben, hat Apple nun eigene Empfehlungen veröffentlicht.
Auf der Apple-Support-Seite hieß es bislang lediglich, dass das iPhone 12 kein „größeres Risiko für magnetische Interferenzen mit medizinischen Geräten […] als frühere iPhone-Modelle“ darstelle.
Nun hat das Unternehmen jedoch die Seite um einen wichtigen Absatz erweitert. Darin warnt es, dass „[m]edizinische Geräte wie implantierte Herzschrittmacher und Defibrillatoren […] Sensoren enthalten [können], die bei engem Kontakt auf Magnete und Funkeinheiten reagieren“. Damit geht Apple sogar einen Schritt weiter und schließt nicht nur Defibrillatoren in seine Warnung ein, sondern auch Herzschrittmacher. Des weiteren empfiehlt Apple, einen Mindestabstand von 15 Zentimetern im normalen Gebrauch von den medizinischen Geräten und dem iPhone zu halten. Wird das iPhone 12 drahtlos geladen, verdoppelt sich die Empfehlung auf 30 Zentimeter. Für mehr Informationen verweist Apple auf die behandelnden ÄrztInnen.
Experten war die Gefahr bereits bekannt
Die British Heart Rhythm Society (BHRS) hat sich jüngst mit den Auswirkungen der aktuellsten iPhone-Reihe auf sogenannte Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) befasst. Die BHRS ist ein Verein, der sich auf die Fahne schreibt, die Behandlung von Herzrhythmusstörungen zu verbessern. Die Society warnt vor möglichen Auswirkungen des iPhone 12 auf die Geräte. ICDs werden Patienten mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Anders als ein Herzschrittmacher geben sie nicht dauerhafte Stromstöße ab, sondern nur, wenn es zu einer Herzrhythmusstörung kommt.
Neues Magsafe-Feature sorgt für Probleme
Bei Magsafe in den iPhone 12 Modellen handelt es sich um starke Magnete unter der Rückseite des Smartphones. Diese dienen zum Anbringen von magnetischen Magsafe-Zubehör – wie kabellosen Ladegeräten und Geldbörsen. Somit geht von der Rückseite des Geräts folglich ein magnetisches Feld aus. Dies kann direkt auf ICDs wirken.
Denn ICDs geben, genau wie herkömmliche Defibrillatoren, einen Stromstoß ab, der den Herzschlag in den richtigen Rhythmus bringt – eine Art Reset also.
In jedem ICD befindet sich ein spezieller Schalter, der auf externe Magnetfelder reagiert. Bereits Magnetfelder mit einer Feldstärke ab zehn Gauss können laut des Berichts den Schalter und damit die Funktion des ganzen Geräts beeinträchtigen, so lange sie sich zu nahe an der Brust befinden. Die neuen iPhones mit Magsafe umgibt laut Apple ein Magnetfeld mit einer Feldstärke von rund 60 Gauss. Zum Vergleich: iPhones ohne Magsafe haben gerade einmal eine Feldstärke von 0,1 bis 0,2 Milligauss und sind damit 600.000 mal schwächer!
Um die Funktionsweise eines ICDs und vor allem die Wirkung eines Magnetfeldes auf diese besser zu verstehen, hat TECHBOOK mit Prof. Dr. Thomas Deneke gesprochen. Der Chefarzt für Rhythmologie und interventionelle Elektrophysiologie am „Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt“ erklärt, dass ein ausreichend starkes Magnetfeld die Funktion des Defibrillators unterbricht, wenn es sich nahe genug am Gerät befindet.
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Besteht wirklich eine realistische Gefahr?
Das BHRS führte mehrere Versuche durch, in denen es neue iPhone-Modelle nahe an die Brust eines Patienten mit eingesetztem ICD hielt . Dabei wurden „sofortige Unterbrechungen der ICD-Therapien festgestellt“. Daraus leitet die BHRS ab, dass eine reale Gefahr für ICD-Patienten besteht.
Prof. Dr. Thomas Deneke rät seinen Patienten bereits seit Jahren ab, Smartphones und Handys in der Brusttasche zu tragen. Da diese wie erwähnt ein sehr viel schwächeres Magnetfeld umgibt, ist ihm in seiner jahrelangen Arbeit auch noch kein einziger Fall einer Störung untergekommen. Beim iPhone 12 mit Magsafe sieht aber auch er eine andere Qualität der Gefährdung für ICD-Patienten. Hier wird demnach ein kritischer Feldstärke-Wert überschritten. Ob in der Brusttasche oder im Liegen auf der Brust abgelegt, kann die Funktion unterbrochen sein, ohne dass der Patient es bemerkt. Kommt es genau dann zu einer schweren Herzrythmusstörung, kann das ICD den Herzschlag nicht resetten.
Die Untersuchungen der BHRS und Bedenken unseres Experten sollten Grund genug sein, schnell zu handeln. Betroffene Patienten sollten sich umgehend an ihren behandelnden Arzt wenden.