11. August 2023, 16:45 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Wer Alexa kennt, kennt auch Tana-Maria Schächtele. Und umgekehrt, ein bisschen wenigstens. Denn Schächtele ist verantwortlich für die deutsche Persönlichkeit der Stimme von Amazon. Im Gespräch mit TECHBOOK hat sie über ihren Karriereweg, Hürden, Frauen in der Technik und KI gesprochen.
Tana-Maria Schächtele ist gebürtige Düsseldorferin und kommt eigentlich aus der Modebranche. Seit 2016 arbeitet sie für Amazon und ist seit 2020 Teil des Alexa-Teams, das sie als „Head of Personality & Brand Germany / Alexa / Amazon“ mittlerweile leitet. Wir hatten Gelegenheit, uns einmal genauer mit der Frau hinter der deutschen Alexa zu unterhalten.
Frau Schächtele, was für ein „Mensch“ ist Alexa?
Zunächst ist mir wichtig zu betonen, dass Alexa kein „Mensch“ ist, sondern eine Cloud-basierte, persönliche künstliche Intelligenz, mit der die Interaktion so natürlich wie möglich abläuft. Alexa soll intelligent, aber auch zugänglich, hilfsbereit, respektvoll und unterhaltsam sein und gleichzeitig einen ausgeprägten Bezug zu Deutschland und der deutschen Sprache haben. Hierfür ist mein Team verantwortlich. Wir beschäftigen uns mit den Charaktereigenschaften von Alexa und verleihen dem Sprachdienst sozusagen eine Persönlichkeit.
Wie viel Tana-Maria Schächtele steckt in Alexa?
Gute Frage! Klug, vertrauensvoll, spielerisch, einfühlsam, integrativ. Das sind einige der Eigenschaften, die für uns zentral bei der Entwicklung der Persönlichkeit von Alexa sind. Es sind aber auch Eigenschaften, die ich an anderen schätze und natürlich versuche zu leben. Generell ist es spannend, mitzudefinieren, wie Millionen von Menschen in Deutschland tagtäglich die Interaktion mit Alexa erleben und welche charakteristischen Eigenschaften Alexa dabei zugeordnet werden. Was viele vielleicht nicht vermuten: es steckt viel Deutsches in Alexa.
Wie genau macht sich das bemerkbar?
Wir haben ein lokales, deutschsprachiges Team, das daran arbeitet, das Erlebnis für unsere deutschsprachigen Kund:innen so vertraut wie möglich zu gestalten. Dazu gehören die Ausdrucksweise, Alexas Vorliebe für Redewendungen, aber auch einzelne Sätze in den gängigsten deutschen Dialekten, wie bayrisch oder schwäbisch. Namhafte deutsche Persönlichkeiten, wie Barbara Schöneberger, Anke Engelke oder Dr. Barbara Sturm, sind oder waren Teil der Inhalte, die Kund:innen über uns abrufen können – fragen Sie Alexa doch mal nach einem Witz von Barbara Schöneberger.
Hat Alexa, umgekehrt, in den vergangenen Jahren auch Tana-Maria Schächtele geprägt ?
Ja, die Arbeit an Alexa hat mich auch im Alltag beeinflusst. Er ist vielfältiger geworden und auch lokaler! Während ich in der Modebranche gedanklich nur in einem Thema und eher bei der Avantgarde war, befasse ich mich jetzt stärker mit dem Mainstream und mehreren Bereichen gleichzeitig. Ich lache viel mehr in der Arbeit – zu unserer Tätigkeit gehört es nämlich auch, den Humor von Alexa festzulegen. Zudem genieße ich es, durch Sprachsteuerung von beispielsweise Timern und Musik weniger am Smartphone zu sein – insbesondere beim Yoga, Meditieren oder Kochen.
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Hatte Alexa mit Vorurteilen zu kämpfen, bzw. gab es jemals Überlegungen, statt einer Alexa einen Alex zum „Sprachrohr“ bzw. Ansprechpartner von und für Amazon zu machen?
Alexa ist kein Sprachrohr von Amazon, sondern eine persönliche KI, die Kund:innen in vielen Bereichen ihres Alltags unterstützen kann. Alexa ist überparteilich und hat kein Geschlecht. Es gibt nicht nur zwei unterschiedliche Stimmoptionen, sondern auch insgesamt fünf verschiedene sogenannte Aktivierungswörter, um mit Alexa eine Interaktion zu beginnen. Neben „Alexa“ können Kund:innen auch „Amazon“, „Computer“, „Echo“ oder „Ziggy“ verwenden. Sie können Alexa mit „sie“ oder „er“ ansprechen oder, so wie ich es tue, mit „es“.
Wie gut beherrscht Alexa das Gendern?
Probieren Sie es doch mal aus. Wir haben uns bewusst im Unternehmen dazu entschlossen, zu gendern. Daher macht das Alexa auch.
Dass Alexa Diversität lebt, steht außer Frage; wie wichtig ist sie aber auch in Sachen Inklusion, bzw. was kann sie für Inklusion leisten?
Alexa steht für Vielfalt, Integration, Inklusion und Chancengleichheit. Das spiegelt sich nicht nur in Alexas Antworten wider. Wir möchten, dass unsere persönliche KI von allen Menschen genutzt werden kann. Dank der intuitiven Steuerung per Sprache kann Alexa Menschen dabei helfen, sich zu informieren, ihren Alltag zu bewältigen, miteinander zu kommunizieren, technische Geräte zu steuern oder sich unterhalten zu lassen. In einer Studie vom Fraunhofer-Institut und dem Roten Kreuz hat sich beispielsweise gezeigt, dass Alexa bei älteren Menschen die Einsamkeit verringern und damit das psychische und auch physische Wohlbefinden erhöhen kann. Menschen mit Behinderungen haben dank Alexa oft ein selbstbestimmteres Leben. Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, welche positive Rolle Alexa im Bereich Inklusion spielen kann.
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Macht Ihnen Alexa bisweilen auch schon einmal etwas Angst (Stichwort: „KI“)?
Nein. Ganz im Gegenteil. Unsere Vision ist, dass Alexa ein persönlicher Assistent, Berater und Begleiter für unsere Kund:innen wird. Das positive Feedback unserer Kund:innen zu Alexa und der Rolle in ihrem Leben, motiviert uns jeden Tag, ihnen ein noch besseres Erlebnis zu bieten. Selbstverständlich sind wir uns der damit einhergehenden Verantwortung bewusst und nehmen diese sehr ernst.
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Auch wenn Sie eher den Content als den Tech-Bereich bedienen, ist heute ein gewisses Maß an Verständnis der neuen Technologien unabdingbar. Welchen Einfluss hatte „Tech“ auf Ihre Berufsplanung?
Geplant hatte ich eine Karriere im Tech-Bereich damals nicht. Mein Werdegang ist vermutlich ein gutes Beispiel, dass diese Branche viele auf den ersten Blick untypische Rollen bietet und auch Quereinsteiger:innen eine Chance eröffnet. Durch mein Know-how in der Modebranche und die Erfahrung in der Beratung stieg ich bei Amazon im Bereich Fashion ein. 2020 wurde ich auf die Stelle im Alexa-Team aufmerksam. Spannend an der Job-Beschreibung fand ich damals, dass es quasi um eine Rolle in der Kreativdirektion für eine KI ging. Und tatsächlich ist es eine sehr kreative Rolle – das nötige technische Know-how konnte ich mir dann im Laufe der Zeit aneignen.
Gab es so etwas wie ein Aha-Erlebnis?
In meiner Zeit bei Amazon gab es einige Aha-Erlebnisse. Eines, an das ich mich gerne erinnere: Eine Freundin erzählte der Tochter meines Partners, dass sie jetzt mithilfe von Alexa den Weihnachtsmann anrufen kann. Darauf antwortete die Tochter, dass sie die Person kennt, die an der Funktion gearbeitet hat. Ich glaube, das war ein Moment, in dem mir klar wurde, dass ich mit meiner Arbeit wirklich viele Menschen erreichen und ihnen eine Freude machen kann.
Hatten Sie Vorbilder?
In meiner Anfangszeit bei Alexa war Toni Reid auf jeden Fall ein großes Vorbild. Als gelernte Anthropologin hat sie mir gezeigt, wie man sich mit Neugierde, Leidenschaft und Mut immer wieder neue Ziele setzen und erreichen kann. Sie startete bei Amazon in der Personalabteilung, hatte dazwischen auch im Amazon Video-Team gearbeitet, um später das Alexa-Erlebnis zu verantworten. Generell bin ich fasziniert von Frauen, die ihre eigene Vision konsequent umsetzen. Ich bin dankbar, von vielen starken, zielstrebigen Freundinnen und Kolleginnen umgeben zu sein, die mich immer wieder inspirieren und als Ansporn dienen.
In welchen Etappen verlief Ihr bisheriger Berufsweg?
Ich war schon immer neugierig und wollte mich nicht in eine Schublade stecken lassen. So ging ich parallel zu einem international ausgerichteten Wirtschaftsstudium meine ersten Schritte im Journalismus. Ich legte Nachtschichten ein, um Artikel mit Schwerpunkt Mode für diverse Blogs und Tageszeitungen zu veröffentlichen. Danach war ich im Customer-Relationship-Management für eine Luxusmarke im Fashion-Bereich tätig. Um eine möglichst breite Erfahrung auf strategischem Level zu sammeln, folgte eine Anstellung in der klassischen Unternehmensberatung, bevor ich 2016 bei Amazon im Retail-Bereich anfing. Nach 15 Jahren in der Modebranche ergriff ich 2020 die Chance, im Alexa-Team eine Stelle anzutreten, die Kreativdirektion, Marketing- und Projektmanagement vereint.
Hatten Sie mit Vorurteilen zu kämpfen?
Gerade am Anfang meiner Karriere gab es Momente, in denen ich nicht ernst genommen, in eine Schublade gesteckt oder unter Männern eher äußerlich beurteilt wurde. Bei Amazon ging mir das nie so. Was ich hier sehr schätze, sind die vielen unternehmensseitigen Ansätze, ein diverses und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen. Letztlich ist es ja so: je bunter und diverser unsere Teams sind, desto besser können wir die Bedürfnisse unserer Kundschaft abbilden und verstehen. Gleichzeitig spielt in der gesellschaftlichen Wahrnehmung auch das Thema Sichtbarkeit eine große Rolle, wenn es um Gleichstellung und Diversität geht. Umso wichtiger ist es, dass Frauen sehen, wie wichtig ihre vielfältigen Talente für Unternehmen in allen Branchen sind.
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Braucht es immer noch Missionarsarbeit, oder sind die Dinge auf breiter Basis in Bewegung geraten?
Ich kann nur für Amazon sprechen. Wir gestalten unsere Arbeitsweisen und Prozesse so inklusiv wie möglich, um Bedingungen zu bieten, die keine Gruppen benachteiligen oder bevorzugen. Essenziell hierfür sind gute Prozesse der Mitarbeiterentwicklung, ein faires Vergütungsprogramm mit objektiven Kriterien sowie flexible Arbeitsmodelle. Auch Trainings helfen, unbewussten Wahrnehmungsfehlern entgegenzuwirken – sei es bei der Einstellung von Mitarbeitenden oder in der Karriereentwicklung – oder um Teams und Meetings inklusiver zu gestalten. Aus meiner Sicht sind wir auf einem guten Weg. Doch wie wir intern gerne sagen, ist es auch in diesem Bereich stets Day One. Wir müssen uns stetig hinterfragen, Feedback von Mitarbeitenden einholen und auch immer wieder Prozesse und Strukturen anpassen.
Wenn renommierte Institute wie Boston Consulting Group feststellen, dass es einen direkten Zusammenhang gibt zwischen der Vielfalt in einem Unternehmen und dessen Innovationsfähigkeit, warum orientieren sich selbst dann noch manche Unternehmen, die wahrscheinlich ansonsten sprichwörtlich an den Lippen dieser Berater hängen, nicht an diesen Ergebnissen?
Das ist für mich aus der Ferne schwer zu beurteilen. Wir sehen, dass Diversität bei Amazon ein zentraler Innovationsfaktor ist. Aber nicht nur das – es ist einfach richtig. Wir wollen, dass sich bei uns alle einbringen, ihre Karrieren gestalten und so zur Arbeit kommen können, wie sie sind. Unabhängig von individuellen Lebensentwürfen oder der Familienplanung.
Wird angesichts des Fachkräftemangels gerade in technischen Berufen eine bisher kaum genutzte Ressource – Frauen-Power – mutwillig vertan?
Für Amazon kann ich das verneinen. Wir bieten interessante Jobs in nahezu allen Bereichen – und denken bei der Besetzung offener Stellen nicht in anderswo eventuell noch verbreiteten Rastern. Am wichtigsten ist bei uns das richtige Skills-Set und die Begeisterung für die Aufgabe. Da spielt das Geschlecht keine Rolle. Karrierefördernd sind zudem unsere flachen Hierarchien, klare Entwicklungs- und Aufstiegschancen, Wechselmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens, die schnelle Übernahme von Verantwortung sowie das internationale Umfeld.
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Zu guter Letzt: Was würden Sie jungen Frauen heute raten, die sich vielleicht für einen Tech-Beruf interessieren, aber nicht wissen, wie sie das Ganze angehen sollen?
Egal, in welchem Bereich – ob in Tech oder woanders – die Schritte sind im Prinzip immer ähnlich: Recherchieren, Feedback einholen und dann ausprobieren. Mit einer kurzen Online-Suche findet man schnell jemanden, der einen Beruf bereits ausübt, der spannend klingt, oder in einem Unternehmen arbeitet, das einen inspiriert. Was spricht dagegen, diese Person einmal anzuschreiben und um ein kurzes Gespräch zu bitten? Niemand teilt nicht gerne ihre oder seine eigene Erfahrung. Wichtig finde ich auch, dass man über das Umfeld nachdenkt, in dem man arbeiten möchte. Mein Vater sagte immer: Man wählt mit seinem Beruf sein primäres soziales Umfeld. Es ist daher wichtig, sich eine Umgebung auszusuchen, die einen inspiriert und für seine körperliche und mentale Gesundheit die richtige Basis bietet.