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Vom Surfer zum Unternehmer

Was man über den Hersteller GoPro wissen sollte

GoPro-Gründer Nick Woodman ist selbst ein passionierter Wassersportler.
GoPro-Gründer Nick Woodman ist selbst ein passionierter Wassersportler. Foto: picture alliance / newscom
Natalie Wetzel, TECHBOOK
Werkstudentin

20. Juli 2024, 9:27 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Wer spektakuläre Sport-Aufnahmen machen möchte, greift zur GoPro. Doch obwohl der Kamera-Hersteller einst eine ganze Branche formte, schwächelt er seit einigen Jahren wirtschaftlich sehr. Was steckt dahinter?

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GoPro ist längst nicht nur ein Markenname, sondern ein Synonym für Action-Cams jeder Art. Doch obwohl das 2002 gegründete Start-up aus San Mateo, Kalifornien, einen ganzen Branchenzweig erschaffen hat, ist seine Geschichte von Höhenflügen und rasanten Talfahrten geprägt. Die Gründungslegende beginnt – durchaus markenwirksam – mit einem fünfmonatigen Surf-Trip in Australien und Indonesien.

Ein Surfer entdeckt eine Marktlücke

Gründer und heutiger CEO von GoPro ist der 1975 geborene US-Amerikaner Nick Woodman. Zeitweise galt er als bestbezahlter CEO der USA, dann fiel er nach einem Börsen-Absacker aus der Milliardärs-Liste. Heute schätzt Forbes sein Vermögen wieder auf 1,1 Milliarden US-Dollar. Nick Woodman erzählt die Gründung seines Unternehmens gern als Erfolgsgeschichte, die vor allem auf Leidenschaft und Kreativität basiert. Als passionierter Surfer wählte Woodman die University of California San Diego als seine Alma Mater. Die Nähe zum Strand und die Ausbildung zum Visual Artist waren laut Woodman die beiden Grundsteine für seinen späteren Erfolg.

„Nimmt man diese akademische Erfahrung und kombiniert sie mit der parallelen Erfahrung des Surfens und wie enorm kreativ und inspirierend diese Erfahrung ist, dann war die UC San Diego wie ein Katalysator für GoPro“, sagte er bei einer Alumni-Veranstaltung. Dass sein Vater und Co-Gründer der Investmentbank Robertson Stephens war und ihm 200.000 US-Dollar Startkapital spendieren konnte, hat sicherlich auch geholfen.

Die zündende Idee kam Woodman allerdings erst nach dem Abschluss bei eben jenem Surf-Urlaub mit Freunden. Mit selbstgedrehten Videos wollten sie sich als fähige Surfer beweisen und den Sprung in die Professionalität schaffen – „go pro“, wie es im Englischen heißt. Doch dafür benötigt man eine hochauflösende Kamera, die gleichermaßen robust und kompakt ist. Damit hatte Woodman eine Nische entdeckt.

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Acht Jahre lang ein Nischenprodukt

2002 gründete er sein Start-up mit dem folgerichtigen Namen GoPro. Zwei Jahre später erschien mit der Hero 35mm das erste Produkt: eine kleine, wasserfeste Kamera aus Plastik mit einem 35-mm-Film und Armband. Doch der Sprung zur Digitalkamera ließ nicht lang auf sich warten. Begünstigt durch die sinkenden Preise und fortschreitende Miniaturisierung erschien 2006 die erste GoPro-Digitalkamera. 2007 folgte die nächste Neuerung: Die Digital Hero 3 verfügte nun auch über eine Tonaufnahme.

Bis 2010 blieb die GoPro trotz ihres Innovationswerts ein Nischenprodukt. Das lag einerseits an der noch immer nur mäßigen Aufnahmequalität. Andererseits war die Zielgruppe deutlich kleiner als heute. Videos waren auf den Social-Media-Plattformen kaum verbreitet. Instagram und Snapchat führten die Story- bzw. Videofunktionen erst 2013 ein. Auch der klassische YouTube-Videoblog erlebte erst nach 2010 seine Hochzeit. Obwohl das Unternehmen seit 2002 stetig wuchs und seine Produkte weiterentwickelte, blieb es der Marktlage entsprechend überschaubar und familiär. Das änderte sich jedoch ab 2010.

Sportlicher Aufstieg eines Lifestyle-Produkts

Mit der HD Hero brachte GoPro die erste wirklich hochauflösende Action-Cam auf den Markt. Die 1080p-Aufnahmen in Kombination mit einer Software für eine hochwertige Kompression bescherten der Kamera einen signifikanten Qualitätssprung. Gleichzeitig begann sich die Social-Media-Landschaft zu verändern, sodass GoPro in den folgenden Jahren zu einem Milliardenunternehmen heranwuchs. Denn neben dem eigenen Social-Media-Auftritt war auch jeder privat gedrehte Film exzellente Werbung für GoPro.

Die familiäre Atmosphäre seines Unternehmens wollte Woodman zwar bewahren, doch die Abteilungsstruktur musste fortan wirtschaftlicher gestaltet werden. Das Wachstum ergab sich auch aus einer neu erschlossenen Zielgruppe. Die HD-Hero-Modelle kamen nicht mehr nur im Amateur-Sport-Bereich zum Einsatz. Auch bei professionellen TV-Aufnahmen griff man auf die Action-erprobten Kameras zurück.

Doch auch in Sachen Marketing verfolgte GoPro eine erfolgreiche Strategie. Denn das Unternehmen verkaufte nicht einfach nur Action-Cams und Zubehör, sondern einen Lifestyle. Action, Leben, Abenteuer – das versprachen die Aufnahmen. Und wie man es auch von Red Bull kennt, sponsert der Kamera-Hersteller (Extrem-)Sportevents wie den Ironman-Triathlon auf Hawaii oder die Freeride World Tour.

Adrian Mühlroth
Redakteur

GoPro hat die Video-Welt verändert

Meine erste GoPro – die Hero 5 – habe ich 2016 angeschafft, um meine Fortschritte in der Trendsportart Parkour zu filmen. Damals war HTC noch ein Begriff, die Video-Aufnahmen von Smartphones aber für etwas mehr als Familienfeiern nicht zu gebrauchen. GoPros großer Vorteil: die Ultraweitwinkellinse, die nicht nur in der Ego-Perspektive (POV) alles zeigt, was der Filmer sieht, sondern dabei auch noch relativ ruckelfreie Aufnahmen ermöglicht. Für viele Sportarten, darunter Parkour, gab es einfach keine Alternative, als sich die GoPro umzuschnallen (oder zwischen die Zähne zu klemmen) und loszufilmen.

Doch auch auf Reisen waren die kleinen Kameras bald unerlässlich. Die kompakte Bauweise erlaubt es, praktisch überall und aus jeder Perspektive zu filmen. So kaufte ich Generation für Generation eine neue GoPro: Hero 6, Hero 7, Hero 8. Jede davon war ein gewaltiger Schritt nach vorn: bessere Bildqualität, mehr Bilder pro Sekunde und vor allem unfassbar gute Stabilisierung. Doch für mich war die Hero 8 der Punkt, an dem ich kein neues Modell mehr rechtfertigen konnte. Die Aufnahmen waren praktisch verwacklungsfrei und mit 4K und 60 Bildern pro Sekunde für meine Ansprüche absolut ausreichend.

Noch heute filme ich mit der Kamera meine Parkour-Sessions und habe kein Bedürfnis nach einem Upgrade. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum GoPro ins Straucheln geraten ist. Wenn ein Gerät schon so gut ist, warum sollten Käufer jedes Jahr wieder Geld für ein neues Modell auf den Tisch legen?

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Rasanter Absturz

2014 ging GoPro schließlich an die Börse und erlebte seinen wirtschaftlichen Höhepunkt. Zehn Jahre nachdem die erste Hero auf den Markt gekommen war, hatte GoPro eine Nische zu einem relevanten Branchenzweig ausgebaut. „Eines Morgens wacht man auf und das Unternehmen, das man mit seinen Studienfreunden gegründet hat, ist das am schnellsten wachsende Unternehmen für digitale Fotografie in der Welt“, sagte Woodman.

Doch mit dem Erfolg erstarkte auch die Konkurrenz, vor allem Hersteller aus China wie DJI und Insta 360. Denn während die Nachfrage und der Einsatz von Action-Cams stieg, hatte GoPro erneut ein Zielgruppenproblem. Eine Hauptkundengruppe im Amateurbereich waren junge Erwachsene und Jugendliche, die ihre Künste im Umgang mit Skateboard, BMX und Co. filmisch festhalten wollten. Sie benötigten dazu jedoch weder 4K-Auflösungen noch raffiniertes Befestigungszubehör, sondern vor allem eines: günstige Action-Cams. Die Konkurrenz aus Asien profitierte davon, dass GoPro der Branche den Weg bereitet hatte, und drückte nun die Preise. Auch die steigende Kameraqualität von Smartphones machten externe Kameras in einigen Situationen obsolet und setzen GoPro zusätzlich unter Druck.

Die Folgen lassen sich direkt an GoPros Aktienkurs ablesen. Zu Glanzzeiten 2014 lag er bei etwa 64 Euro, heute bei unter 2 Euro. Der Wert rutschte zwischen Juli 2015 und Februar 2016 ab und blieb seitdem stabil im niedrigen Bereich. GoPros Versuch, den Schaden durch ein noch leichteres, kompakteres Produkt – die Hero Session – zu dämpfen, ging nicht auf. Anders als die Konkurrenz konnte oder wollte der Hersteller den Preis nicht senken.

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Ein neuer Geschäftszweig?

Zwischenzeitlich schien jedoch ein Licht am Ende des Tunnels, als GoPro ins Drohnengeschäft einstieg. Da sich der Hersteller ohnehin an eine Outdoor-affine Zielgruppe richtete, schien der Schritt nur folgerichtig. Der Hype, der seit 2015 um das Thema Drohne herrschte, rechtfertigte wohl die Investition von fast 100 Millionen US-Dollar. Doch dem Innovationsgeschäft waren zuvor herbe Verluste an der Börse und Massenentlassungen vorausgegangen. Obwohl die Drohne „Karma“ einen hoffnungsvollen Namen trug, konnte sie die Erwartungen nicht erfüllen. Im Gegenteil.

Grundsätzlich war „Karma“ eine gute Idee. Die Drohne fügte sich nahtlos in das GoPro-Ökosystem ein, die Minikamera Hero 5 entsprach den Anforderungen einer Drohnenkamera ohnehin. Doch die etwa 800 US-Dollar teure Drohne erwies sich als technisch unausgereift. Störungen und Abstürze machten den Nutzerinnen und Nutzern zu schaffen. GoPro sah sich gezwungen, alle 2500 verkauften Drohnen wieder zurückzurufen – nur wenige Monate nach dem Verkaufsstart im ersten Quartal von 2017. Im Januar 2018 zog sich GoPro offiziell aus dem Drohnengeschäft zurück. Der Ruf als Innovationsunternehmen war stark lädiert.

Wie sich GoPro in Zukunft entwickeln wird, ist ungewiss. Die Action-Cams sind noch immer hochwertige Kameras mit sehr guter Bildstabilisierung und Software-Lösungen. Doch darüber hinaus scheint es wenig Luft für technische Innovationen zu geben. Stattdessen hatte GoPro ein Abomodell mit einer Cloud und einer noch umfangreicheren Software ins Angebot genommen. Offenbar wird vor allem in diesem Bereich der Ausbau vorangetrieben. Der Direktvertrieb konnte GoPro 2021 einen größeren Nettogewinn bescheren, der sich aber nicht als nachhaltig erwies. Die jüngsten Geschäftszahlen legen außerdem nahe, dass GoPro nicht genügen Geld für große Weiterentwicklungsprojekte hat. Das „Next Big Thing“ ist scheinbar nicht in Sicht.

Themen Geschichte Kameras
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