26. Mai 2021, 13:30 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Lange Zeit war Googles ominösem Betriebssystem Fuchsia in Entwicklung. Jetzt wurde es offiziell vorgestellt – bringt aber vorerst kaum Änderungen.
Google ist zwar hauptsächlich für die Entwicklung des Android-Betriebssystems bekannt, unterhält aber auch noch andere OS-Projekte wie etwa Chrome OS für Chromebooks und Wear OS für Smartwatches. Seit mehreren Jahren arbeitet das Unternehmen an einem weiteren Betriebssystem: Fuchsia. Das plattformübergreifende OS soll sowohl auf Smartphones als auch Tablets und smarten Geräten laufen können. Erst kürzlich ist Fuchsia in einem Eintrag bei der Bluetooth SIG (Interessengemeinschaft) aufgetaucht. Nun steht das Betriebssystem tatsächlich für ein Google-Gerät zur Verfügung.
Übersicht
Fuchsia erscheint erstmals als Betriebssystem auf einem Google-Gerät
Anders als viele gehofft haben, bekommt nicht etwa ein Smartphone oder ein Chromebook das neue Betriebssystem. Stattdessen kommt Fuchsia als Update für das Google Nest Hub der ersten Generation von 2018. Die Ankündigung kommt in Form eines Tweets vom technischen Leiter für das Fuchsia-OS-Projekt, Petr Hosek:
Wie die Google-fokussierte Seite „9to5Google“ schreibt, ersetzt Fuchsia das sogenannte „Cast OS“, das bislang auf dem Nest Hub läuft. Die Änderungen scheinen jedoch nur unter der Haube stattzufinden, denn nach außen ändert sich für die Nutzenden erstmals nichts. Bedienung und Nutzungserlebnis sollen praktisch identisch sein.
Am 4. Mai 2021 ist Fuchsia auf der Zertifizierungsseite der Bluetooth-Interessengemeinschaft aufgetaucht. Dort tragen Hersteller ihre Geräte ein, um das Bluetooth-Siegel erhalten zu können. Bei dem Gerät handelt es sich um ein Google Home Hub von 2018. Eigentlich hat das Gerät 2019 den Namen Nest Hub bekommen. Daher ist es etwas verwunderlich, dass Google für diesen Eintrag den alten Namen gewählt hat.
In den kommenden Wochen soll die neue Software-Plattform als Update für das Nest Hub erscheinen. Die meisten werden wohl kaum etwas davon mitbekommen, da sich nach außen nichts ändert. Der Launch stellt aber einen größeren Schritt für Fuchsia dar, denn jetzt könnten weitere Geräte folgen.
Ein Nachfolger für Android?
Android ist trotz der Bemühungen Googles in den vergangenen Jahren weiterhin stark fragmentiert. Fast jeder Hersteller von Android-Smartphones und -Tablets legt seine eigene Oberfläche über Android und erschwert dadurch Updates. Wenn eine neue Android-Version von Google veröffentlicht wird, müssen die Hersteller ihre Oberflächen erst daran anpassen – und das dauert. Oft ist ihnen der Aufwand auch zu groß. Für den Nutzer bedeutet das schlichtweg: Keine Updates mehr.
Fuchsia könnte hier den Umbruch bedeuten. Es soll laut „9to5Google“ kompatibel mit Android-Apps sein. Zwar sind die Dateien anders verpackt, jedoch kommt eine speziell entwickelte Version der Android-Laufzeitumgebung (ART), die die Ausführung der Apps ermöglicht. Android-Nutzer müssten sich somit nicht mal auf große Veränderungen einstellen. Das ist nicht verwunderlich, schließlich ist Android das weltweit beliebteste Betriebssystem und ein wie auch immer gestalteter Nachfolger sollte von dem riesigen Fundus an vorhandenen Apps Gebrauch machen können.
Einen kleinen Dämpfer für diejenigen, die schon auf Fuchsia hoffen, gibt es dennoch. Android- und Chrome-Chef Hiroshi Lockheimer bestätigte laut „The Verge“ auf der Google I/O 2019, dass Fuchsia nicht als das neue Android oder neue Chrome OS gehandelt wird. Es sei vielmehr eine Testumgebung, in der moderne und neuartige Technologien ausprobiert werden. Die daraus gewonnen Erkenntnisse wolle Google zur Verbesserung von anderen Produkten verwenden. Erst Ende 2020 hat das Unternehmen das Open-Source-Modell von Fuchsia ausgeweitet, um öffentliche Beiträge zu ermöglichen. In welcher Form Fuchsia also seinen Weg auf Smartphones, Tablets und andere Geräte findet, ist noch völlig unklar.
Fuchsia soll plattformübergreifend sein
Fuchsia ist ein Open-Source-Projekt, ähnlich wie das Android Open-Source-Projekt (AOSP), das bereits 2016 auf der Entwicklerseite GitHub erschienen ist. Mit Fuchsia versucht sich Google an einer übergreifenden Plattform, die unter anderem auf Smartphones, Tablets, Laptops, Smart Speaker und eingebetteten Geräten laufen kann. Damit verfolgt es einen Ansatz, den Microsoft und Apple bereits in ihren Betriebssystemen verwenden. Windows 10 läuft beispielsweise auf Desktop-PCs und Laptops sowie Tablets und passt die Darstellung automatisch an die klassische Steuerung per Mouse oder die Eingabe per Bildschirmberührung an. Ursprünglich sollten auch Windows-Smartphones mit Windows 10 laufen, bevor Microsoft diese Sparte komplett eingestampft hat. Auch Apple ermöglicht mit seinen neuen Betriebssystemem macOS Big Sur und iOS die plattformübergreifende Verwendung von Apps. Im Klartext: Apps, die auf dem iPhone laufen, funktionieren auch auf MacBook und iMac.
Fuchsia geht eher in Richtung Windows, mit einem einheitlichen Betriebssystem, das auf unterschiedlichen Gerätetypen unterschiedlich dargestellt wird. Würde Fuchsia also Android, Chrome OS und Co. ersetzen, gäbe es nur noch ein Betriebssystem, um das sich Google kümmern muss.
Von Grund auf aus eigener Entwicklung
Während Android auf dem Linux-Kernel basiert, kommt in Fuchsia ein vollkommen neuer Kernel namens „Zircon“ zum Einsatz. Zircon wird von Google selbst entwickelt und gibt dem Unternehmen mehr Kontrolle über das neue Betriebssystem. Der moderne Kernel ist fähig, das Betriebssystem auf fast jeden Anwendungsbereich anzupassen und ist daher mit einer Vielzahl von Geräteklassen kompatibel. Auch läuft der Kernel auf allen Prozessorachitekturen, sei es 32-Bit, 64-Bit, ARM oder 64-Bit X86.
Ein zentrales Features von Fuchsia ist die zusätzliche Schicht zwischen Kernel und Apps, die verhindert, dass Apps permanent auf den Kernel zugreifen können. Dadurch wird nicht nur die Sicherheit verbessert, sondern auch verhindert, dass OS-Updates zu inkompatiblen Apps führen. Zwar hat Google mit „Project Treble“ bereits eine Lösung gefunden, zumindest grundlegende Kernel-Neuerungen der Verantwortung der Smarpthone-Hersteller zu entreißen, jedoch sind diese oft unwillig, Treble zu implementieren. Mit Zircon kann Google hingegen neue Updates an alle Geräte gleichzeitig ausliefern und den Smartphone-Besitzern ein nahtloses und vereinfachtes Nutzererlebnis garantieren.
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Wie sieht Fuchsia aus?
Fuchsia kann jetzt schon in einer Web-Demo über die GitHub-Seite begutachtet werden. Man kann sich in der Demo mit einem Gast-Account anmelden und bekommt den Hauptbildschirm mit Suchleiste und Google-Karten zu sehen. Momentan stehen nur drei Karten zu Verfügung: E-Mail, Rezepte und Maps. Die Karten sind wohl anpassbar und können auch andere Inhalte darstellen, darunter Nachrichten und Erinnerungen.
Der Google Assistant ist bei Fuchsia das Herzstück. Bereits im Hauptbildschirm ist die Suchfunktion prominent an erster Stelle platziert. Es lässt sich jedoch darüber streiten, wie repräsentativ die Demo für die finale Version ist. Schließlich kommt als E-Mail-Klient Inbox by Google zum Einsatz, das bereits vor einigen Monaten von Google selbst eingestampft wurde.
Fuchsias Oberfläche nutzt das bereits von Android bekannte Material Design, hat jedoch seine eigene Render-Engine namens Escher, die auf Schattierungen setzt. Dadurch entsteht der Eindruck von Tiefe in der Oberfläche.
Fuchsia beinhaltet zwei verschiedene Oberflächen für Smartphones, smarte Bildschirme und Laptops. „Armadillo“, das Fuchsia für Smartphones anpasst, streicht den Home Screen von Android und zeigt stattdessen den Google Feed und zuletzt geöffnete Apps. Die Apps können per Drag&Drop positioniert und sogar neben- und untereinander platziert werden. „Capybara“, die Desktop-ähnliche Version von Fuchsia ist ähnlich aufgebaut, hat aber noch ein Kontrollzentrum in der Mitte, das der Benachrichtigungsleiste in Android sehr ähnlich sieht.