2. Januar 2024, 8:20 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Ein Schlüssel, der das Auto ganz automatisch aufschließt? Was extrem praktisch klingt, birgt ein ernsthaftes Sicherheitsrisisko. Und das, obwohl Keyless Go zunehmend zum Standard neuerer Autos wird. TECHBOOK hat die Sache genauer untersucht.
Viele moderne Autos und Motorräder besitzen mittlerweile einen Keyless-Go-Schlüssel, auch einfach Keyless oder Keyless Entry genannt. Zum Öffnen des Fahrzeugs muss man die Fernbedienung lediglich am Körper tragen. Nerviges in-der-Tasche-Kramen oder auch nur ein Knopfdruck sind damit Geschichte. Doch der Komfort-Schlüssel hat eine große Sicherheitslücke: Autodiebe können die Funksignale ganz einfach ausnutzen, um den Wagen zu entsperren. TECHBOOK verrät, wie Sie sich und Ihr Fahrzeug wirksam schützen können.
Übersicht
ADAC: nur 44 von 616 Autos sicher
Autohersteller werden nicht müde, Keyless Go als Komfortfunktion anzupreisen. Und grundsätzlich haben sie damit Recht, immerhin fällt das Öffnen und Starten des Wagens per Schlüssel weg. Stattdessen reicht es, den Sender mit dem eingebauten Funkchip bei sich zu tragen, damit sich das Auto wie von „Zauberhand“ öffnet. Doch in eben jener Funktechnik sehen Experten auch ein hohes Sicherheitsrisiko.
Diebe können die Funkverbindungen relativ einfach abfangen und Fahrzeuge problemlos öffnen, selbst wenn der Schlüssel 50 oder gar 100 Meter entfernt ist. Da Autos mit Keyless-Funktion sich einfach per Knopfdruck starten lassen, müssen sie nicht einmal im klassischen Sinne kurzgeschlossen werden. Selbst wenn die Diebe mit dem gestohlenen Fahrzeug die Reichweite des Schlüssels verlassen, fahren die Autos stetig weiter, solange der Motor nicht abgestellt wird.
Diebstähle dieser Art gibt es schon seit Jahren, ebenso wie die Warnungen des ADAC. Neben dem eigentlichen Diebstahl ergibt sich durch das Keyless-System nämlich noch eine weitere Tücke: Sollte die Polizei das gestohlene Auto wiederfinden, weist es in der Regel keine Einbruchsspuren auf. Das könnte Probleme mit der Versicherung nach sich ziehen, im schlimmsten Fall sogar den Vorwurf von Versicherungsbetrug. Der ADAC hat im Selbsttest untersucht, welche Fahrzeugmodelle mit Keyless-Systemen illegal geöffnet und weggefahren werden konnten. Gerade mal 44 der bisher 616 Autos waren „besser geschützt“. Seit 2016 aktualisiert der ADAC beständig seine Liste der getesteten Fahrzeuge.
So simple lassen sich fremde Autos knacken
Damit Keyless Go funktioniert, wird dem Fahrzeug ein individueller Funkschlüssel zugewiesen, der auf dem Keyless-Go-Schlüssel gespeichert ist. Sobald sich der Fahrer mit dem Schlüssel nähert, erkennt das Auto den Funkcode und entriegelt sich automatisch. Zum Öffnen des Wagens muss dann nur noch der Türgriff gedrückt werden. Die Kollegen von AUTO BILD haben für etwa 90 Euro die Technik nachgebaut, mit der Betrüger dieses System nun einfach austricksen. Ein sogenannter Funkreichweiten-Verlängerer sorgt dafür, dass die Signale des Schlüssels verlängert werden. So erreichen die Funksignale das Auto, obwohl der Schlüssel – und mit ihm der Autobesitzer – relativ weit weg ist. Der Chip in der Fernbedienung gibt so die Freigabe zum Öffnen und schon sitzen die Dieb bzw. die AUTO-BILD-Kollegen im fremden Wagen.
Der ADAC sieht aufgrund seiner Tests und Beobachtungen seit Jahren ein großes Problem in der Funktechnik Keyless Go. Diebe müssen sich nur mit einem kleinen, leicht versteckbaren Gerät in der Nähe eines mit Keyless Go ausgestatteten Autos aufhalten, um die Funksignal abgreifen und manipulieren zu können. Mit Hilfe eines zweiten Geräts lässt sich die Reichweite der Hackerwerkzeuge sogar auf hunderte Meter verlängern.
Wie im Video gezeigt, sind Parkplätze ein beliebter Ort für Autodiebe, um ihre nächste Beute zu finden. Das Tückische an der Methode ist aber: Selbst wenn man nicht unterwegs ist und der Schlüssel im Haus liegt, ist er nicht automatisch geschützt. Denn viele bewahren ihre Autoschlüssel in der Nähe der Haustür oder Fenster auf. Diese können die Funkstrahlung aber nicht abhalten, weshalb Diebe einem das Auto wortwörtlich unter dem Fenster wegstehlen können.
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Das hilft gegen Keyless-Go-Diebstahl
Einige Autohersteller verwenden bereits die Ultra-Wide-Band-Technik (UWB), bei der das Auto die Distanz zwischen sich und dem Schlüssel erkennt. Ist sie zu hoch, entsperrt sich das Auto nicht und reagiert auch nicht mehr. Obwohl immer mehr Automodelle mit UWB ausgerüstet sind, zeigen die Testzahlen des ADAC, dass man beim Neukauf trotzdem aktiv auf die Sicherheitsausstattung achten sollte.
Doch was kann man tun, wenn das eigene Fahrzeug zwar über Keyless Go aber noch nicht über UWB verfügt? Das grundsätzliche Prinzip ist immer das gleiche: Wenn man verhindern will, dass Diebe die Funksignale manipulieren, muss man sie selbst möglichst eindämmen. Das funktioniert am besten, indem der Schlüssel so gelagert oder verpackt wird, dass seine Funksignale nicht nach außen dringen. Leider ist nicht jede Möglichkeit, die theoretisch funktioniert, im Alltag praktikabel.
So schützen Sie sich unterwegs:
- Deaktivieren Sie Keyless Go, wenn Ihnen der Komfort das Risiko nicht wert ist. Ob und wie das funktioniert, sollte Ihnen die Betriebsanleitung Ihres Fahrzeugs verraten.
- Aluminiumfolie. Nein, das ist kein schlechter Aluhut-Scherz. Wer seinen Schlüssel einwickelt, schottet ihn von der Außenwelt ab. Dieser Trick ist im Alltag wohl am besten umsetzbar, allerdings muss der Schlüssel wirklich vollständig von Aluminium umhüllt sein. Ob die Strahlung wirksam unterbrochen wird, kann man einfach überprüfen, indem man sich mit dem Schlüssel dem Auto nähert. Im Idealfall reagiert das Auto nicht.
- Mittlerweile gibt es auch diverse Taschen und Schutzhüllen, die die Aufgabe der Alufolie übernehmen. Allerdings sollte man sich hier gründlich informieren, ob sie die Funksignale wirklich umfassend abschirmen.
So schützen Sie sich zuhause:
- Bewahren sie den Funkschlüssel fernab von Fenstern, Außenwänden und Haustüren auf.
- Parken sie das Auto in einer verschlossenen Garage.
- Ein Kühlschrank ist nicht nur klimatisch gut isoliert, auch Funkwellen von außen gelangen nur sehr schwer ins Innere. Das gilt allerdings nicht für alle Kühlschränke, gerade jene mit Glastüren sind für Funksignale durchlässig. Wirklich praktisch ist diese Lösung daher nicht. Außerdem lässt sich die Wirksamkeit – anders als bei der Alufolien-Methode – nicht wirklich überprüfen. Zusätzlich können Kälte und Feuchtigkeit die Batterien des Schlüssels auf Dauer beschädigen.
- Eine Blechdose oder ein geschlossener Kochtopf haben die gleiche abschirmende Wirkung wie ein Kühlschrank. Gleiches gilt für die Mikrowelle, die man aber unter keinen Umständen einschalten sollte, solange der Autoschlüssel im Inneren liegt.