12. Februar 2017, 8:03 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Echte Bilder statt digitaler Datenwust: Der Reiz der Sofortbildfotografie liegt im Greifbaren. Vor einigen Jahren wurde die Herstellung von Sofortbildfilmen eingestellt. Doch nun erlebt die Polaroid-Ära eine Renaissance.
Abdrücken, warten, fertig – im Polaroid-Zeitalter der Fotografie war ein Bild schnell auf Papier gebannt. Man hatte sein Foto nach einigen Minuten entwickelt und in der Hand.
Ganz anders bei Digitalkameras: Zwar ist das Bilder sofort im Display, in Alben finden die meisten Digitalbilder dagegen nie. Die Beständigkeit von Papierfotos ist wohl einer der Gründe, warum die analoge Fotografie momentan wieder sehr gefragt ist. „Es ist ein anderes Erlebnis, Fotos in der Hand zu halten“, sagt Constanze Clauß vom Photoindustrie-Verband. Die Tendenz zum Haptischen, die Retrowelle und eine gewisse Nostalgie – das alles lasse die Sofortbildfotografie wieder aufleben: „Heute werden mehr Sofortbildkameras verkauft als zu Zeiten der Analogfotografie.“
„Sofortbildfotografie ist eigentlich das Gegenstück von Digitalfotografie“, findet Thomas Preyer. Er bietet in Wien Workshops mit alten Polaroid-Kameras an. „Die Sofortbilder sind Unikate und nicht replizierbar“, sagt er. „Das alleine gibt ihnen schon einen großen Wert.“ Digitalfotos könne man immer wieder prüfen und neu schießen. „Bei der Sofortbildfotografie ist man gezwungen, vorher zu überlegen und selektiver an die Sache heranzugehen“, erklärt Preyer.
„Die Fotos zeichnen sich durch sanfte und weiche Übergänge aus“, erläutert Dennis Improda von der Universität Hannover. Er steht selbst hinter der Kamera und forscht außerdem zur Sofortbildfotografie. „Die besondere Ästhetik liegt für mich in der Fehleranfälligkeit, im Nicht-Perfekten, den überraschenden Zufällen und Abweichungen“, sagt er. Denn bei der Entwicklung spielen viele Parameter eine Rolle: Die Qualität des Films, Temperatur, Lichtsituation. Die müssen Fotografen beachten. Wer sie geschickt nutzt, kann mit den Abweichungen spielen und Effekte kreieren.
Darüber hinaus bestimmen die Technik der Kamera und die Art des Films die kreativen Spielräume. „Die Möglichkeiten sind im Vergleich zur klassischen Fotografie mit Blendenwahl und direkter Regulierung der Belichtungszeit eher eingeschränkt“, urteilt Improda. Automatikprogramme und Farbfilter sowie verschiedene Objektive gibt es trotzdem. Viele Kameras bieten außerdem Sonderfunktionen wie die Doppel- oder Langzeitbelichtung. Dadurch entstehen verwischende Effekte oder Überblendungen.
Filme gibt es in verschiedenen Formaten in Schwarz-Weiß oder Farbe. Je nach Hersteller unterscheidet sich die Anmutung: Manche Farben haben eine typische Retro-Anmutung, andere Filme ermöglichen realitätsnähere Ergebnisse. Auch das Format spielt eine Rolle. Das klassische, nahezu quadratische Polaroid-Format (8,9 mal 10,8 Zentimeter) eignet sich zum Beispiel gut für Portraits, aber schlecht für Landschaftsbilder, sagt Preyer.
„Mit der Entscheidung für eine Kamera ist meist auch die Entscheidung für das Filmformat gefällt“, erklärt Improda. Polaroid hat die Filmproduktion eingestellt, nun beliefern Unternehmen wie Fujifilm oder Impossible Project den wachsenden Markt mit neuem Sofortbildpapier. Außerdem kamen in jüngster Zeit mehrere neue Kameramodelle auf den Markt, zum Beispiel von Leica, Lomography oder Fujifilm. Und auch Polaroid stellt als neu gegründetes Unternehmen wieder Kameras her. Gebrauchte Modelle gibt es schon für weniger als 50 Euro, neue Sofortbildkameras kosten teilweise mehrere hundert Euro. Teuer ist vor allem der Film: Ein einzelnes Bild kostet schnell mehrere Euro.
Die wichtigsten fotografischen Grundregeln gelten auch bei der Sofortbildfotografie. Gegenlicht sollte man vermeiden, komplizierte Belichtungssituationen mit unterschiedlichen Lichtquellen machen es der Kamera schwer. Ganz wichtig: Stillhalten. Verwackelte oder unscharfe Ergebnisse ärgern den Fotografen beim teuren Sofortbild unendlich viel mehr. Am besten klemmt man die Arme also fest an den Körper, hält eine Hand stützend unter die Kamera oder legt diese auf eine feste Unterlage.
All das sorgt dafür, dass Fotografen sich für Sofortbilder mehr Zeit nehmen und bewusster entscheiden müssen, was vor die Linse soll. „Sofortbildfotografie wirkt geradezu entschleunigend“, findet Improda. Bis ein Bild komplett entwickelt ist, kann schon einmal eine halbe Stunde vergehen. Dafür bleiben die Fotos dann auch erst einmal. Bei Digitalbildern reicht zum unwiederbringlichen Löschen oft schon ein falscher Klick.