29. August 2023, 12:48 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
WhatsApp benachrichtigt seine Nutzer zurzeit über eine neue Datenschutzrichtlinie. Dabei werden personenbezogene Daten unter anderem auch für Direktmarketing erhoben. Wer deshalb von seinem Recht auf Widerspruch Gebrauch machen will, begibt sich auf eine Odyssee aus vielen Einzelschritten und abschreckenden Formulierungen.
Meta und das Thema Datenschutz teilen eine lange, konfliktreiche Geschichte. Über Facebook, WhatsApp und Instagram erhält der Mutterkonzern Zugriff auf eine große Menge Nutzerdaten, deren Umgang eigentlich DSGVO-konform ablaufen muss. Eigentlich. Weil es hier aber immer wieder Mängel gab, musste WhatsApp zuletzt seine Datenschutzrichtlinien überarbeiten. Dies geschah bereits am 17. Juli und seitdem werden die Nutzer schrittweise darüber informiert. Wer WhatsApps neuen Richtlinien nicht zustimmen möchte, kann nun Widerspruch einlegen. Doch das gestaltet sich komplizierter als gedacht. TECHBOOK verrät, was bei dem Antrag auf Widerspruch zu beachten ist – und warum er sich trotzdem lohnt.
Übersicht
WhatsApp versus DSGVO
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGV) ist Teil des EU-Rechts und regelt unter anderem den Umgang von Unternehmen mit den personenbezogenen Daten ihrer Nutzer. TECHBOOK hat bereits im Gespräch mit dem Medienrechtsexperten Christian Solmecke die neueste Anpassung von WhatsApps Datenschutzrichtlinie eingeordnet. Dabei hat Solmecke Bedenken an der aktuellen Richtlinie geäußert, da sie von den Nutzern einen aktiven Widerspruch (Opt-Out statt einer aktiven Erlaubnis (Opt-In) der Datenverarbeitung erfordert.
Konkret möchte WhatsApp mit den neuen Richtlinien die Erlaubnis der Nutzer einholen, um ihre Daten im Rahmen eines „berechtigten Interesses“ verwenden zu dürfen. Daraus ergeben sich zwei Tücken: Nutzer erteilen ihre Erlaubnis passiv, indem sie nichts tun. Das scheint erst mal bequem zu sein, hat aber zur Folge, dass viele Nutzer sich nicht bewusst sind, welche Rechte sie WhatsApp damit erteilen. Das andere Problem liegt in der schwammigen Formulierung „berechtigte Interessen“. In seinem Hilfebereich konkretisiert WhatsApp die Verwendungszwecke der personenbezogenen Daten folgendermaßen:
- Business Intelligence und Analytics.
- Das Speichern und Teilen von Informationen mit anderen, einschließlich Strafverfolgungsbehörden, und um auf rechtliche Anfragen zu reagieren.
- Das Speichern und Teilen von Informationen, wenn wir juristischen Rat suchen oder uns selbst im Kontext von Gerichtsverfahren oder anderen Streitigkeiten schützen müssen.
- Zur Förderung von Sicherheit und Integrität außerhalb der Erfüllung unseres Vertrags mir dir.
- Zur Verbesserung des WhatsApp Customer Supports.
- Zur Verbesserung des WhatsApp Services durch die Entwicklung neuer Funktionen oder die Aktualisierung vorhandener Funktionen.
Das klingt zunächst nicht weiter ungewöhnlich. Doch etwas versteckt in einem Absatz unter diesem Listicle steht nun der eigentlich interessante Teil: „Du hast außerdem jederzeit die Möglichkeit, der Verarbeitung deiner personenbezogenen Daten zu widersprechen, die mit dem Zweck des Direktmarketings erfolgt – und zwar unabhängig von der der Verarbeitung zugrunde liegenden Rechtsgrundlage.“ WhatsApp selbst betont gegenüber TECHBOOK, dass die Aktualisierung der Datenschutzrichtlinie am 17. Juli nichts am Direktmarketing geändert habe. Der Punkt ist demnach bereits seit Längerem Teil der Richtlinie.
Opt-Out-Methode bei Datenverarbeitung nicht rechtens
Solmecke verweist gegenüber TECHBOOK auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 04. Juli 2023, das „die Personalisierung der Werbung nicht als berechtigtes Interesse [für] die Datenverarbeitung“ anerkennt. (Az. C‑252/21). „Stattdessen wird Meta eine freiwillige und aktive Einwilligung seiner Nutzer einholen müssen“, meint der Medienrechtsexperte. Es ist daher wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis WhatsApp seine aktuelle Datenschutzrichtlinie erneut an die DSGVO anpassen muss. Bis dahin aber können Nutzer Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten einlegen.
Der lange Weg zum Widerspruch
Um WhatsApps Datenschutzrichtlinie zu widersprechen, muss man entweder auf den Benachrichtigungsbanner klicken oder die FAQ-Website von WhatsApp aufrufen. Von hier aus gelangt man zu einem Formular – nachdem man die obligatorischen Cookies erlaubt oder verboten hat. Hier kann man nun aus verschiedenen Optionen auswählen, unter anderem: „Wie kann ich meine Informationen löschen?“, oder eben „Wie kann ich der Verarbeitung meiner Informationen widersprechen?“
Klickt man letzteres an, öffnet sich ein Reiter, in dem erneut die verschiedenen Bereiche der Datenverarbeitung aufgeführt sind. Und auch hier steht der problematische Aspekt – die Datenverarbeitung für personalisierte Werbung – versteckt und separiert von den anderen Aufzählungen.
Bevor man nun final auf „Ich möchte Widerspruch einlegen“ klickt, versucht WhatsApp, einen erneut auf die ursprüngliche FAQ-Seite umzuleiten. Hier kann man sich nochmal über die einzelnen Schritte zum Widerspruch informieren. Außerdem kündigt WhatsApp an dieser Stelle an, dass man genau angeben soll, gegen welche Datenverarbeitung man Widerspruch einlegt. Laut eigenen Angaben kann WhatsApp den Widerspruch nämlich immer dann ablehnen, wenn er sich nicht auf das Direktmarketing bezieht, sondern auf einen der anderen genannten Aspekte.
Darüber hinaus soll man laut Leitfaden seinen Widerspruch auch noch begründen und erklären, „wie sich die Verarbeitung auf dich auswirkt (welche Rechte und Freiheiten deiner Meinung nach durch die Verarbeitung beeinträchtigt werden und warum).“ WhatsApp hat sich also große Mühe gegeben, die Instruktionen so aufwendig und abschreckend wie möglich zu gestalten. Wer nämlich Widerspruch gegen die Datenverarbeitung zum Direktmarketing einlegen möchte, muss diesen nach Art. 21 Abs. 2 DSGVO gar nicht begründen.
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Nicht abschrecken lassen
Klickt man nun endlich auf „Ich möchte Widerspruch einlegen“, muss man in einem Formular eine E-Mail-Adresse und die Handynummer des WhatsApp-Accounts angeben. Anschließend erhält man eine E-Mail, mit der gleichen Aufforderung wie schon auf der Website: Man solle angeben, welcher Datenverarbeitung man widersprechen möchte und den Widerspruch begründen. Theoretisch sollte der Widerspruch gegen die Datenverarbeitung zum Direktmarketing ohne Begründung möglich sein. Wer bei der Formulierung auf Nummer sicher gehen will, kann sich am Musterbrief der Verbraucherschutzzentrale orientieren.
Ist die E-Mail abgesendet, heißt es warten. WhatsApp prüft im nächsten Schritt den eingelegten Widerspruch, behält sich aber vor, die Prüfung zu unterlassen, wenn der Nutzer „keine ausreichenden Informationen“ vorgelegt hat. Auch von dieser Formulierung sollte man sich nicht abschrecken lassen. Wird dem Widerspruch gegen die Datenverarbeitung zum Direktmarketing stattgegeben, beendet WhatsApp die Datenverarbeitung.
TECHBOOK meint
„Dass Meta und die DSGVO nicht besten Freunde sind, überrascht mich zwar nicht, aber WhatsApps neuester Streich ist einfach nur noch frech. Nicht nur, dass Experten die DSGVO-Konformität der neuen Richtlinie ganz grundsätzlich anzweifeln – nein, selbst der Weg zum Widerspruch wird für die Nutzer unnötig erschwert. Was eigentlich ein gesetzlich festgeschriebenes Recht ist, verkommt in dieser Richtlinie zu einem Feigenblatt von Datenschutz, das die Datensammelwut von WhatsApp und Mutterkonzern Meta nur unzureichend verbergen kann. Alle Nutzer, die weniger stur, verbissen oder einfach gewissenhaft sind, was den Schutz ihrer Daten angeht, werden spätestens nach dem zweiten Weiterleitungslink genervt das Smartphone in die Ecke schmeißen. Vielleicht ist personalisierte Direktwerbung ja doch nicht so schlimm ...? Doch selbst wer sich stoisch durch WhatsApps extra abschreckend formulierte Anleitung arbeitet, kann plötzlich vor ungeahnten Hürden stehen. So erreichte mich – eine Nutzerin mit deutscher Handynummer – die E-Mail von WhatsApp in französischer Sprache. Dank DeepL kein großes Problem, aber was bitte soll das? Muss man seinen Nutzern wirklich eine solche Odyssee zumuten, damit sie zumindest einen Hauch von Datenschutz erhalten?“ – Natalie Wetzel, Redakteurin