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Porträt

Wie WhatsApp-Gründer Jan Koum auf seine Milliarden-Idee kam

WhatsApp-Gründer Jan Koum zeigt ein Nokia-Handy
Sein altes Nokia-Handy bracht WhatsApp-Gründer Jan Koum auf die entscheidende Idee. Foto: picture alliance / dpa | Alberto Estevez
Natalie Wetzel, TECHBOOK
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, Thomas Porwol

27. Juni 2023, 16:09 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

19 Milliarden Dollar zahlte Facebook 2014 für WhatsApp – und machte dessen Gründer Jan Koum steinreich. Doch der Weg von der ersten Idee zum profitablen Unternehmen war nicht immer leicht.

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WhatsApp ist der am meisten genutzte Messenger-Dienst weltweit. Zwar gibt es mittlerweile auch andere vergleichbare Apps wie Telegram, Signal oder das chinesische WeChat, doch nutzerzahlenmäßig reichen sie noch lange nicht an die Pionierin unter den Chat-Anwendnungen heran. WhatsApp-Erfinder Jan Koum hat gemeinsam mit seinem Co-Gründer Brian Action im Jahr 2009 ein kleines Stückchen Kommunikationsgeschichte geschrieben. Und alles begann mit einer Weltreise und einem alten Nokia.

Jan Koums harter Weg nach oben

Die Grundidee von WhatsApp ist eigentlich so simpel, dass man sich fragen könnte, warum man nicht früher darauf gekommen ist: Eine Smartphone-App als SMS-Alternative, die Nachrichten über das mobile Internet verschickt statt über den Mobilfunk. Doch dank dieser vermeintlich simplen Idee haben die WhatsApp-Gründer Jan Koum und Brian Acton seit 2014 ausgesorgt: Für schwindelerregende 19 Milliarden US-Dollar verkauften sie den Messenger an Meta, das damals noch Facebook hieß. Wie Jan Koum auf diese Milliarden-Dollar-Idee gekommen ist, verriet er 2017 bei einer Lesung an der Standford University. Im Rahmen der Vortragsreihe „Startup School: How to Build a Great Product“ sprachen verschiedene Gründerinnen und Gründer mit den Studierenden über ihre Ideen, ihr Scheitern und ihre Erfolge – so auch Jan Koum, denn WhatsApp hatte mit erheblichen Startschwierigkeiten zu kämpfen. Die Beiträge sind übrigens noch immer auf YouTube verfügbar.

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Jan Koum spricht in Stanford über seine 19-Milliarden-Dollar-Idee.

Heute schätzt das Wirtschaftsmagazin Forbes Jan Koums Vermögen auf bequeme 14,2 Milliarden US-Dollar (Stand Juni 2023). Doch anders als viele andere erfolgreiche Gründer startete Koum aus einer deutlich weniger privilegierten Situation heraus. 1976 nahe Kiew geboren, wuchs er in der damaligen Sowjetunion auf. Als diese 1992 zusammenbrach, immigrierte seine Mutter mit dem damals 16-Jährigen in die USA. Zeitweise war die Familie auf Sozialhilfe und Lebensmittelmarken angewiesen. Der junge Koum nahm einen Nebenjob als Reinigungskraft in einem Supermarkt an. Mit der Gründung und dem späteren Verkauf von WhatsApp hat er sich seinen ganz persönlichen amerikanischen Traum verwirklicht.

Doch zunächst begann er ein Studium an der San José University in Kalifornien, schmiss es aber schließlich hin, um in Vollzeit bei Yahoo als Verantwortlicher für die technische Infrastruktur zu arbeiten. Neun Jahre später war er auch dieses Jobs überdrüssig und kündigte 2007 gemeinsam mit Brian Action, der ihn damals bei Yahoo angeworben hatte. Die Welt rief und wollte erkundet werden.

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Mit dem Nokia 6610 auf Weltreise

„Ende 2008 verreiste ich. Es ging nach Argentinien, Russland, Ukraine, Ungarn, Israel“, berichtet Koum, der zu dieser Zeit noch gar kein Smartphone in der Tasche hatte. Stattdessen setzte er auf das alte und ikonisch unzerstörbare Nokia 6610. Doch einen großen Nachteil hatte das Handy: „Was ich besonders kompliziert fand, war, mit meinen Freunden in Kontakt zu bleiben – besonders in Argentinien.“ Die länderspezifischen Vorwahlen hätten ihm auf der Reise das Leben schwer gemacht, ebenso das Problem, nie zu wissen, ob die angerufene Person überhaupt Zeit hatte für ein Gespräch.

Als Koum von seiner Weltreise zurückkehrte, machte er sich ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk, kaufte sich ein iPhone und machte sich mit Brian Action an die Arbeit. Das offizielle Gründungsdatum ihres Unternehmens ist übrigens der 14. Februar 2009 – Koums 33. Geburtstag. Die erste Idee für WhatsApp hatte aber noch wenig mit dem heutigen Konzept zu tun: „Das erste, was wir damals bauten, basierte auf dem Konzept von Statusnachrichten“, erklärt Koum. Ähnlich wie in Instant Messengern wie ICQ sollte man damit Status-Texte schreiben können und so Anrufern die Möglichkeit geben, noch vor dem Anruf zu checken, ob man überhaupt gerade Zeit hat. Über die App zu chatten, wie wir es heute kennen, war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vorgesehen.

Erster WhatsApp-Versuch scheitert kläglich

Das Problem: Niemand benutzte den Service. „Es war ein Desaster“, grinst Koum, „Es war deprimierend. Die Menschen luden die App zwar herunter, benutzten sie aber nicht.“ Hilfe kam von unerwarteter Seite. 2009 ermöglichte Apple, Push-Notifkationen auf die iPhones zu schicken. „Nun konnte man auch Benachrichtigungen erhalten, wenn die App gerade nicht aktiv genutzt wurde.“ Das hatte einen Effekt, den Koum und Action so nicht erwartet hätten:

„Wir merkten, dass die Menschen die Statusnachrichten dazu benutzen, um miteinander zu kommunizieren. Sie änderten ihren Status zum Beispiel in ‚Ich gehe in eine Bar‘ und der Status wurde an alle WhatsApp-Nutzer geschickt, die in ihrem Adressbuch waren.“ Und da machte es bei den WhatsApp-Gründern Klick: Sie rüsteten WhatsApp mit einer Chat-Funktion nach und der Grundstein für die heutige Messenger-App mit etwa 2 Milliarden Nutzern wurde gelegt. Ab Dezember 2009 war sogar das Versenden von Fotos möglich, damals ein Novum und eine willkommene Alternative zur umständlichen MMS.

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Der 19-Milliarden-Dollar-Deal

2014 kam es dann zum persönlichen Höhepunkt in der WhatsApp-Geschichte von Jan Koum. Facebook-Chef Mark Zuckerberg unterbreitet Koum und Brian Action ein Kaufangebot, das die beiden mit Freuden annehmen. Koum erweist sich als ein Mann mit Gespür für Symbolik, denn er unterzeichnet den Vertrag in dem mittlerweile leerstehenden Sozialamt, in dem als Jugendlicher die Lebensmittelmarken für sich und seine Mutter abholte. Zu diesem Zeitpunkt hat WhatsApp 450 Millionen Nutzer und Jan Koum ist mit 38 Jahren Milliardär.

Auch wenn WhatsApp nun zu Facebook gehörte, blieb Koum zunächst Mitglied im Aufsichtsrat. Sein Jahresgehalt: 1 Dollar und Aktienoptionen im Wert von einer Milliarde Dollar. Reich geworden, entdeckt Koum auch seine gemeinnützige Seite und spendet Facebook-Aktien mit einem damaligen Wert von 1,15 Milliarden Dollar an verschiedene Open-Source-Stiftungen, die Silicon Valley Community Stiftung und die Koum Family Foundation.

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Datenschutz ja, Werbung nein – so das Ideal

2018 aber tritt Koum als CEO von WhatsApp zurück und verlässt auch den Vorstand von Meta. Der Grund hierfür soll ein Streit mit Mark Zuckerberg über die geplante Einführung von Werbeanzeigen bei WhatsApp und der Umgang mit dem Datenschutz gewesen sein. Das Thema Werbung wird bei WhatsApp immer wieder diskutiert, da die kostenlose App an sich kein Geld abwirft. Bisher wurden allerdings noch keine Schritte in diese Richtung unternommen. Auch WhatsApp-Co-Gründer Brian Action hat Meta mittlerweile verlassen und im Zuge des Camebridge-Analytica-Skandals zum Löschen der Meta-Apps aufgerufen. Heute sitzt er im Vorstand der Messenger-Alternative Signal.

Der Schutz der Privatsphäre war unter Koum und Action ursprünglich einer der Grundpfeiler von WhatsApp. Die App sollte möglichst anonym genutzt werden können, ohne persönliche Daten preisgeben zu müssen. Seit WhatsApp zu Meta gehört, hat sich daran jedoch einiges geändert. Immer wieder stolpert Meta über den eigenen umstrittenen Umgang mit dem Datenschutz.

Auch beim Thema Ende-zu-Ende-Verschlüsselung stellte sich 2021 heraus, dass die Chat-Inhalte offenbar doch nicht so unantastbar waren, wie von Meta versprochen, wie das Magazin ProPublica herausfand. Ebenfalls in 2021 befand die irische Datenschutzkommission, dass Meta gegen die Datenschutzregelungen der EU verstoßen habe, weil der Konzern die WhatsApp-Nutzer nicht ausreichend über die Weitergabe von Personendaten an Dritte informierte. 225 Millionen Dollar Strafe sollte Meta deshalb zahlen.

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„I want to do one thing and do it well“ 

Mit diesen Scherereien hat Jan Koum aber nichts mehr zu tun. „Es ist fast ein Jahrzehnt her, seitdem Brian und ich mit WhatsApp angefangen haben. Es war eine wunderbare Reise mit einigen der tollsten Menschen. Aber es ist Zeit für mich, etwas anderes zu machen.“ Das schrieb Koum 2018 auf Facebook zu seinem Austritt aus dem Konzern. Ende des gleichen Jahres legte er sein Facebook-Profil still. „Ich möchte eine Sache tun und diese gut machen“ – getreu seinem Motto genießt Koum seitdem sein Leben als Multimilliardär. Er sammelt Oldtimer-Prosche und spielt Ultimate Frisbee.

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