7. März 2024, 16:02 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
WhatsApp ist weltweit der meistgenutzte Messenger. Wer wechseln möchte, steht häufig vor Problemen. Denn wenn alle Freunde und Bekannte bei WhatsApp sind, muss man dort auch sein, um Nachrichten verschicken zu können. Doch genau hier setzt der Digital Markets Act an, der am 7. März in Kraft getreten ist.
Das EU-Parlament hat bereits im Juli 2022 den sogenannten „Digital Markets Act“ (DMA) beschlossen. Das Gesetz zwingt den Messenger, sich anderen Programmen zu öffnen, sodass sich WhatsApp-Nachrichten auch mit anderen Messengern wie Telegram, Signal oder Facebook Messenger versenden lassen. Wer sich mit anderen WhatsApp-Nutzern austauschen möchte, muss somit nicht mehr zwingend selbst einen Account beim Dienst besitzen. WhatsApp arbeitet bereits seit Langem an der Umsetzung der sogenannten „Interoperabilität“. Mittlerweile ist der DMA in Europa in Kraft getreten, wie also ist der Stand der Dinge bei WhatsApp?
Übersicht
Was bedeutet die Öffnung von WhatsApp und anderen Messengern für die Sicherheit?
Bereits 2021 hat die Bundesnetzagentur die Messenger-Nutzung über Anbietergrenzen hinweg in Erwägung gezogen. Lange war allerdings nicht klar, wie das Ganze umgesetzt werden soll. Ein Problem ist beispielsweise die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, mit der WhatsApp und auch andere Messenger ihre Chats absichern. Experten warnen vor Sicherheitsproblemen durch die von der EU erzwungene Interoperabilität. Manche sahen die Öffnung der Messenger bei gleichzeitig beibehaltener Verschlüsselung gar als unmöglich an. Wie genau die Umsetzung der neuen EU-Regelung erfolgen soll, muss im Detail noch geklärt werden. Die EU betont allerdings, dass alle bislang geltenden Privatsphäre-Standards und-Verschlüsselungen erhalten bleiben müssen.
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EU-Gesetz zwingt WhatsApp zum Handeln
WhatsApp setzt die Vorgaben zur Öffnung nicht freiwillig um, ist aufgrund der EU-Regelung aber dazu verpflichtet. Der Messenger gilt wegen seiner großen Reichweite als Gatekeeper, der sich für Wettbewerber öffnen muss. Allerdings braucht eine solch große Anpassung auch Zeit. Seit die neue Regelung im Sommer 2022 beschlossen wurde, bis zu deren Inkrafttreten am 7. März 2024, lagen fast zwei Jahre. In dieser Zeit hat sich WhatsApp laut eigener Aussage um die Umsetzung gekümmert. „Wir haben große Änderungen an WhatsApp und Messenger (von Facebook, Anm. d. Red.) vorgenommen, um die Interoperabilität mit Messaging-Diensten von Drittanbietern zu ermöglichen“ schreibt Meta in seinem Engineering-Blog.
WABetaInfo hatte bereits im September 2023 herausgefunden, dass der Messenger bei der Umsetzung bereits einen großen Schritt vorangekommen ist. „Die Chat-Unterstützung von Drittanbietern befindet sich in der Entwicklung und wird in einem zukünftigen Update der App verfügbar sein“, hieß es auf der Webseite. WhatsApp-fremde Chats könnten dann in einem neuen Bereich namens Drittanbieter-Chats zu finden sein. Wann genau der Messenger seine Tore für die Konkurrenz öffnet, stand allerdings noch nicht genau fest.
Heute hat Meta allerdings einen kleinen Einblick in den Stand der Dinge gegeben. Das Unternehmen hat demnach das WhatsApp-Referenzangebot für Drittanbieter veröffentlicht, in dem dargelegt wird, was für die Zusammenarbeit mit dem Dienst erforderlich ist. Das Referenzangebot für Messenger soll zu gegebener Zeit folgen.
Meta müsse innerhalb von drei Monaten nach Eingang einer Anfrage bereit sein, die Interoperabilität mit anderen Diensten zu ermöglichen, so der Konzern. Es könne allerdings länger dauern, bis die Funktionalität für die öffentliche Nutzung bereit ist. Eine der wohl größten Herausforderungen sieht Meta in dem Beibehalten bestehender Sicherheitsanforderungen. Sowohl WhatsApp als auch Messenger nutzen das bewährte Signal Protocol als Grundlage für ihre Verschlüsselung und bevorzugt auch dessen Verwendung durch Drittanbieter. „Da dies jedoch für alle funktionieren muss, gestatten wir Drittanbietern die Verwendung eines kompatiblen Protokolls, wenn sie nachweisen können, dass es die gleichen Sicherheitsgarantien wie Signal bietet“, so Meta.
Schrittweise Umsetzung geplant?
Möglicherweise könnte die Öffnung von WhatsApp für andere Chat-Dienste auch schrittweise erfolgen. Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt. Vermutlich, so schreibt das Portal Netzpolitik, werde zunächst der Chat zwischen zwei Nutzern über die Messenger-Grenzen hinweg möglich sein. Die Umstellung für Gruppenchats oder gar Sprachnachrichten und Video-Calls werde hingegen deutlich später erfolgen. Laut ZDF gelte für WhatsApp und Facebook eine Übergangsfrist von zwei Jahren, für WhatsApp-Gruppenchats sogar vier Jahre.
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Kleine Anbieter ausgenommen
Auch wenn im Zusammenhang mit der von der EU geforderten Interoperabilität oft von WhatsApp gesprochen wird, gilt die Umstellung für alle großen Messenger. Der Parteivorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, nennt die EU-Regelung eine Möglichkeit „das Internet aufzuräumen und digitale Monopole zu bekämpfen“. Auch der EU-Abgeordnete Patrick Breyer beschreibt das Vorhaben ähnlich. Zum ersten Mal hätten Nutzer eine echte Wahl, welchen Messenger sie nutzen möchten. Andere Messenger bekämen die Chance, mit Platzhirsch WhatsApp in den Wettbewerb zu treten.
Doch nicht alle Messenger sind verpflichtet, sich WhatsApp oder anderen Anbietern gegenüber zu öffnen. Kleinere Dienste wie etwa das Schweizer Unternehmen Threema erklärten bereits im Sommer 2022, dass der Nachrichtenaustausch für sie „aus verschiedenen Gründen nicht interessant“ sei. Threema-Chef Martin Blatter hat vor allem die Anonymität und Sicherheit seiner Nutzer im Blick. Er wolle die Daten nicht bei der Meta-Gruppe sehen, zu der auch WhatsApp und Facebook gehören. Gleichzeitig sieht er durch die geforderte Interoperabilität das Konzept von Threema gefährdet. Der Dienst ist kostenpflichtig, sei aber in vielen sozialen Gruppen stark aufgestellt. Wenn Nutzer nun aber auch über WhatsApp in diesen Gruppen aktiv sein können, ohne für Threema zahlen zu müssen, dann „bleiben die Leute bei WhatsApp“, so Blatter gegenüber Netzpolitik.