10. Juni 2024, 15:23 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ob Sony, Nintendo oder Panasonic – die Liste an japanischen Erfolgsunternehmen im Tech-Bereich ist lang. Dass aber die Präfektur Tokyo ausgerechnet mit der Entwicklung einer Dating-App die internationale Aufmerksamkeit auf sich zieht, erscheint doch eher ungewöhnlich. TECHBOOK kennt die Hintergründe der Tokyo Futari Story.
Dass sich viele junge Menschen heute vor allem über Dating-Apps kennenlernen, ist ein länderübergreifendes Phänomen. In Japan mischt sich nun auch die Präfekturverwaltung Tokyo in die Partnersuche von Singles ein und entwickelt eine eigene Dating-App. Das Projekt läuft unter dem Namen Tokyo Futari Story und richtet sich an alleinstehende Bewohner der japanischen Hauptstadt und Umgebung. Doch wer die App nutzen will, muss beweisen, dass er oder sie es ernst meint.
Tokyos Dating-App für höhere Geburtenrate
Futari (ふたり) bedeutet so viel wie „zu zweit“ oder „zwei Menschen“. Mithilfe einer KI soll die App das perfekte Match finden. Das versprechen zwar viele Dating-Apps, doch das Ziel von Tokyo Futari Story ist es, heiratswillige Menschen zusammenzubringen und eben keine kurzlebigen Dates. Zu diesem Zweck werden nicht nur persönliche Daten, Vorlieben und Werte in einem Fragebogen erfasst. Auch die Identität muss in einem Online-Interview verifiziert und das Einkommen sowie der Familienstand durch einen Steuerbescheid nachgewiesen werden. Grundsätzlich ist es in Japan nicht unüblich, den finanziellen Hintergrund offenzulegen, doch die staatliche App soll durch das aufwendige Verifizierungsverfahren auch vor Dating-Betrug schützen.
Was nach viel Aufwand für ein Date klingt, hat durchaus einen politischen Hintergrund. Seit der Globalen Ölkrise 1973 und der nationalen Rezession sinkt in Japan die Geburtenrate stetig, wodurch die Gesellschaft zunehmend überaltert. Im Jahr 2023 verzeichnete Japan doppelt so viele Sterbefälle wie Geburten. Die Geburtenrate befindet sich 2024 bei 1,2 Kindern, die eine Frau in ihrem Leben durchschnittlich zur Welt bringt. Im Vergleich dazu liegt sie in Deutschland bei 1,61, mit einer leichten Wachstumstendenz seit 2016. Damit die Bevölkerungszahl eines Landes stabil bleibt, muss die Geburtenrate jedoch 2,1 Kind pro Frau betragen.
Die Auswirkungen der Überalterung auf die japanische Wirtschaft, Sozialsysteme und Wohlstand sind verheerend. Aus diesem Grund unternimmt die Stadtverwaltung Tokyo mit seiner Dating-App einen Versuch, heiratswilligen Menschen zusammenzubringen und damit mittelfristig auch die Geburtenrate zu erhöhen.
Singles sind skeptisch
„Bitte nutzen Sie die Anwendung als ‚ersten Schritt‘ in ihr Eheleben“, heißt es auf der Website von Tokyo Futari Story. Ein Regierungsbeamter, der mit dem Projekt betraut ist, sagte gegenüber der „Japan Times“: „Wir haben erfahren, dass 70 Prozent der Heiratswilligen nicht aktiv an Veranstaltungen teilnehmen oder Apps nutzen, um einen Partner zu finden. Wir wollen ihnen einen sanften Anstoß geben, jemanden zu finden.“
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Die Menschen Tokyo reagieren dagegen skeptisch auf das staatliche Angebot. Einerseits gibt es bereits Dating-Apps, andererseits erscheint der Anmeldeaufwand groß und damit abschreckend. Während einige die Sicherheitsmaßnahmen durch Personenverifizierung begrüßen, kritisieren andere den womöglich mangelnden Datenschutz gegenüber dem Staat. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Präfekturverwaltung von Tokyo die sinkende Geburtenrate mit einer Dating-App bekämpfen will, statt die Steuergelder für andere Maßnahmen einzusetzen.
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Tokyo Futari Story berät zu Familienleben
Japans Kabinettssekretär und Regierungssprecher Yoshimasa Hayashi hatte unter anderem ein größeres Kinderbetreuungsangebot und höhere Löhne für junge Arbeitnehmende angekündigt. Insgesamt sollen bis 2026 jährlich 22 Milliarden Euro investiert werden, um das Kinderkriegen wieder attraktiver zu machen. Gründe für die anhaltend niedrige Geburtenrate sind unter anderem die hohen (Ausbildungs-)Kosten und der Leistungsdruck sowie die sehr konservativen Erwartungen an Mütter, die mit dem ersten Kind traditionell aus dem Berufsleben ausscheiden. Ein erhöhtes Armutsrisiko, wirtschaftliche Abhängigkeiten und nationaler Personalmangel sind die Folge. Zudem heiraten Menschen in Japan immer später und auch die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen wirken sich noch immer auf die Geburtenrate aus.
Seit Dezember 2023 gibt es von Tokyo Futari Story eine kostenlose Testversion für den Browser. Die App fürs Smartphone wird noch entwickelt und der volle Leistungsumfang soll im Laufe des Jahres 2024 zur Verfügung stehen. Neben dem Match-making-Algorithmus enthält die Dating-App außerdem eine Übersicht über staatliche Unterstützungen für Paare. Dazu gehören Informationen über Kinderbetreuungsangebote, Berufsberatungen, Aufklärung über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Beteiligung des Ehemanns an der Hausarbeit und Kindererziehung.