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Cyber-Grooming

Ist TikTok eine Gefahr für Kinder?

Symbolbild: Frau nimmt Make-up-Video für TikTok auf
Ob Schmink-Tipps, Booktok, Kochen, Sport oder Politik – jedes Thema hat auf TikTok seine Nische, doch es gibt auch Schattenseiten. Foto: Getty Images
Natalie Wetzel, TECHBOOK
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, Jules Finn Birner

25. Juli 2024, 11:00 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

TikTok macht Spaß, das beweist der globale Erfolg der App. Doch auf der Social-Media-Plattform finden nicht nur harmlose Inhalte wie die beinahe sprichwörtlichen Tanzvideos statt. Besonders junge Nutzer sollten daher über die möglichen Gefahren aufgeklärt werden.

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Kurze Videoclips, schnelles Swipen und ein Algorithmus, der einen mit immer mehr unterhaltsamen Videos versorgt. Das Konzept von TikTok ist so überzeugend, dass die App unter den fünf beliebtesten Social-Media-Apps rangiert. Damit liegt die App des chinesischen Unternehmens Bytedance direkt hinter Instagram, das sich mit seinen „Reels“ (Kurzvideos) von TikTok hat inspirieren lassen. Laut „Statista“ nutzten im Januar 2024 weltweit 1,562 Milliarden Menschen die App. Hinzu kommen noch einmal 752 Millionen Nutzer von Douyin. Douyin ist die in China zugelassene Schwester-App, da TikTok selbst auf dem chinesischen Markt nicht erlaubt ist. Zählt man die Nutzerzahlen beider Apps zusammen, laufen sie sogar Instagram und WhatsApp den Rang ab.

Neben dem schnelllebigen Videoformat und der simplen Bedienung sorgen die unterhaltsamen Inhalte und die Hoffnung auf Internet-Fame für den Erfolg der App. Fast schon sinnbildlich sind die Tanzvideos junger Menschen, aber auch Comedy-Accounts, Booktok und andere Unterhaltungsformate finden auf TikTok statt. Allerdings gibt es auch ernstzunehmende Schattenseiten. Neben Spionagevorwürfen und Verfahren gegen die App und Bytedance finden auch problematische Inhalte auf TikTok statt. Von manipulativer Werbung über Propaganda und Falschinformationen bis hin zu Cyber-Grooming gibt es einige Gefahren, die eine besondere Sensibilisierung insbesondere der jungen Nutzerinnen und Nutzer erfordern.

Sexuelle Belästigung und Cyber-Grooming

TikTok ist vor allem bei jungen Nutzern sehr beliebt. Obwohl die Nutzung des Dienstes erst ab 13 Jahren erlaubt und laut AGB für unter 18-Jährige die Erlaubnis der Eltern erforderlich ist, zeigen viele Videos Kinder, die augenscheinlich sehr viel jünger sind, berichtet etwa das Elternportal „schau-hin.info“. In der App finden sich unter einschlägigen Hashtags wie etwa #bellydance oder #bikini immer wieder neue Videos von Minderjährigen, die zu angesagten Hits singen und tanzen. Doch auch wenn das Design der App es nahelegt, ist TikTok kein sicherer Ort. Fälle von Cyber-Grooming gibt es häufig.

Beim Cyber-Grooming bauen Nutzer – meist den Opfern unbekannte Erwachsene – über die App Kontakt zu den Minderjährigen auf. Dann, mitunter innerhalb weniger Minuten, lenken sie das Gespräch auf die Themen Liebe und Sex. Sie versenden pornografisches Material an die Minderjährigen – was strafbar ist – oder bitten die jungen Mädchen und Jungen um Bilder oder Videos von ihnen. Oft mit Erfolg. Vor allem Kinder, aber auch ältere Jugendliche, probieren sich aus und experimentieren mit ihrer Außendarstellung. Manchmal auch mit ihrer sexuellen Anziehungskraft.

Kommen sie den Bitten des Unbekannten nach, folgt meist regelrechter Terror. Die Täter drohen damit, die Bilder weiter zu verbreiten, wenn ihre Opfer keine weitere Aufnahmen schicken. Nicht selten zwingen die Erpresser die Mädchen und Jungen auch zu persönlichen Treffen, um sie zu vergewaltigen.

Missbrauch ohne Körperkontakt

Die Täter versuchen dazu, ihre Opfer auf andere Plattformen (wie etwa Chatroulette) zu locken. Dort haben sie wegen mangelnder Kontrollmöglichkeiten noch leichteres Spiel. Als Vorbereitung zu sexuellem Kindesmissbrauch sind solche Handlungen strafbar. Cyber-Grooming gilt als Straftat. Für diese Form des Missbrauchs ist kein Körperkontakt nötig. Eltern sollten daher Beweise, etwa anhand von Screenshots, sichern und bei Verdacht an die Polizei weitergeben.

Auf das Thema Cyber-Groominh angesprochen, verweisen die TikTok-Macher darauf, ein Sicherheitsnetzwerk eingerichtet zu haben, welches die Inhalte genau überprüfe. „Die App verfügt über eine Vielzahl an Schutzmaßnahmen und gewährleistet eine Moderation rund um die Uhr, um die Möglichkeiten einer missbräuchlichen Nutzung der App zu reduzieren.“ Dennoch merkt der Anbieter an, dass generell kein System unfehlbar sei. Allein schon aufgrund der Masse an zu kontrollierenden Beiträgen könne Cyber-Grooming nicht vollständig verhindert werden.

Mehr Medienkompetenz gegen Propaganda und Deepfakes

Ebenso wie Instagram, nutzen gerade jüngere Generationen TikTok immer stärker als Suchmaschine und Informationsquelle. Die schnelle Verbreitung von populistischen Positionen, Propaganda, Falschinformationen und KI-generierten Deepfakes lässt sich nur schwer verhindern. Nach eigenen Angaben arbeitet TikTok an 15 verschiedenen Faktencheck-Kooperationen, unter anderem mit Correktiv, um „unsere strengen Regeln gegen Falschinformationen auf faire und verantwortungsvolle Weise anzuwenden, indem sie die Richtigkeit potenziell irreführender Behauptungen prüfen.“ Auch die Nutzer sind aufgerufen, Inhalte, die gegen die Richtlinien verstoßen, zu melden.

Dass auf TikTok dennoch eine Menge Falschinformationen zu finden sind – und zwar unter den ersten 20 Treffern – hat NewsGuard im Jahr 2022 festgestellt. In dem „Misinformation Monitor“ kam heraus, dass von 540 TikTok-Suchergebnissen insgesamt 105 Videos falsche oder irreführende Behauptungen enthielten. Das sind 19,4 Prozent. NewsGuard bemerkte außerdem, dass TikTok bei neutralen Suchbegriffen wie „climate change“ oder „covid vaccine“ voreingenommene Ergänzungen (bias) vorschlug: „climate change doesn‘t exist“, „covid vaccine truths“ oder „covid vaccine exposed“. Somit finden nicht nur irreführende Informationen in der App statt, vielmehr verstärkt TikTok ihre Reichweite bei der Suche.

Auch die Kombination auf Falschinformationen und KI wird immer relevanter. Seitdem man mithilfe von KI-Tools täuschend echte Deepfakes, darunter auch Videos, erstellen kann, ist eine noch höhere Medienkompetenz der Nutzer von größter Bedeutung. Während man einige Deepfakes noch anhand kleiner visueller Fehler oder einer „AI“-Markierung erkennen kann, gilt bei anderen nur noch: Fakten checken. Da der KI-generierte Content mutmaßlich zunehmend wird, müssen sich erwachsene und minderjährige Nutzer gleichermaßen weiterbilden.

In-App-Käufe und Werbung

Ein weiteres Risiko stellt die Möglichkeit der In-App-Käufe dar. Diese Funktion verwenden in erster Linie minderjährige Nutzerinnen und Nutzer, um andere User mit virtuellen Geschenken zu unterstützen. Statt der kleinen Aufmerksamkeiten erhält der oder die Beschenkte am Ende des Tages Geld in Form einer Gutschrift. Davon abgesehen kann direkt in der App auch für andere Dinge Geld ausgegeben werden, wie für Spezialeffekte, welche die Videos weiter aufpeppen sollen.

Aufgrund der Möglichkeit, auch finanziell in die Falle tappen zu können, ist es ausgesprochen wichtig, Kinder und Jugendliche aufzuklären. Eltern sollten ihnen die unterschiedlichen Formen von Werbung näherbringen und über die verschiedenen Bezahlvorgänge Aufklärungsarbeit leisten. Im Idealfall sollten gerade Kinder, aber mitunter auch die jugendlichen Nutzer, Downloads und Käufe nur in Absprache mit den Eltern tätigen.

Neben dem Kauf von erweiterten App-Funktionen gibt es auf TikTok aber auch Shops, die von Nutzern betrieben werden. Der TikTok-Account dient dabei als Schaufenster für die Waren, beispielsweise Klamotten, was es zunehmend erschwert, Werbung als solche zu identifizieren. Das Gleiche gilt für Werbung durch Influencer. Auch auf diesem Gebiet sollten Eltern die Kinder und Jugendlichen über versteckte Werbestrategien aufklären.

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TikTok-Profil gemeinsam einrichten

Um den eigenen Kindern bei der Nutzung mehr Sicherheit mitzugeben, wird Eltern empfohlen, die App mit dem Kind gemeinsam einzurichten. Dabei können klare Absprachen getroffen und Regeln festgelegt werden, was das Posten und Chatten auf TikTok betrifft. Nur so lässt sich Einfluss nehmen und über gewisse Fehlverhalten und Gefahren aufklären.

Geht das Einrichten des Profils unter Aufsicht vonstatten, stehen Eltern parat, falls sich Fragen und Unklarheiten auftun. So nehmen Kinder sie in Technik-Fragen vom Start weg als Ansprechpartner wahr. Mit dieser Herangehensweise kann gemeinschaftlich besprochen und beschlossen werden, welche Profileinstellungen sinnvoll sind oder welche Art von Videos in welcher Form veröffentlicht werden können.

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Verhaltensregeln festlegen

Das Festlegen von klaren Regeln bildet die Grundlage, um Kindern ein verantwortungsbewusstes Nutzen der App beizubringen. Mit Bedacht posten! Möchte man den aktuellen Standort wirklich mit allen teilen? Die Vorsicht in Bezug auf eigene Posts ist zweifelsohne das Erste, was junge Heranwachsende lernen sollten. Ähnlich wichtig ist es für sie zu wissen, wie sie sich bei erhaltenen, unangebrachten Kommentaren oder Nachrichten richtig verhalten. Hier sollte den Kindern bewusst gemacht werden, dass sie sich bei Problemen jederzeit an ihre Eltern wenden können. Eine weitere Möglichkeit, die Eltern aufzeigen können, ist das Sperren und Melden von anderen Nutzern.

Beiträge und Nutzer, die als unangemessen wahrgenommen werden, kann jeder über eine Funktion innerhalb der App melden. Sollten Kinder auf TikTok Nachrichten oder Kommentare erhalten, die sie verunsichern, ihnen Angst machen oder die nicht von Gleichaltrigen stammen, wird geraten, die Meldefunktion zu nutzen. Gesperrten Nutzern wird eine erneute Anmeldung jedoch nicht verwehrt. Sie können sich trotz Fehlverhaltens ohne Auflagen ein neues Profil anlegen – sogar mit ähnlichem Profilnamen.

Schließlich sollte auch die Nutzungsdauer klar geregelt und gegebenenfalls per Zeitlimit eingeschränkt werden. Apps wie TikTok sind so konzipiert, dass man möglichst viel Zeit auf ihnen verbringt. Der Suchtfaktor ist hoch.

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Schutz von Privatsphäre und eigenen Daten

Gerade bei Kindern und Jugendlichen, die häufig nicht „an später“ denken, ist es besonders wichtig genau zu überlegen, welche Inhalte sie veröffentlichen dürfen und auf welche sie generell verzichten sollten. Das Internet vergisst nie. In der vermeintlich sicheren Gemeinschaft sozialer Netzwerke posten gerade Teenager all zu schnell und arglos persönliche Informationen oder Beiträge.

Werden Beiträge über einen öffentlich zugänglichen Account gepostet, können sie nicht nur von jedem gesehen, sondern auch gespeichert und erneut verbreitet werden. Gerade das Speichern und die möglicherweise daraus resultierenden Probleme sind vielen jungen Nutzern nicht bewusst. Im schlimmsten Fall können Bild- und Vidematerial mit Hilfe von KI-Tools manipuliert und beispielsweise als pornografisches Material weiterverbreitet werden.

Als Faustregel gilt daher: Ein privates Konto schützt am besten vor den Blicken und Nachrichten fremder oder unerwünschter Personen. Ähnlich wie bei Instagram kann man bei einem privaten Konto entscheiden, wer einem folgen darf und wer nicht. Follow-Anfragen unbekannter Personen sollten die Kinder und Jugendlichen grundsätzlich ablehnen. In so einem Rahmen tanzt es sich viel unbeschwerter.

Themen Kinder Social Media
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