17. Mai 2024, 8:17 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Nordkorea ist das am stärksten abgeschottete Land der Welt. Umso überraschender sind oft die Informationen, die nach Außen dringen. Das gilt auch für die Art und Weise, wie Smartphone-Nutzer ihre Apps kaufen und installieren.
Schnell ein neues Smartphone-Game herunterladen? Mal eben eine Sprachlern-App oder eine Koch-Hilfe installieren? Normalerweise kein Problem, vor allem wenn man sich in einem sicheren WLAN bewegt und idealerweise auch einen Blick in die App-AGB wirft. Wenige Klicks im App-Store und schon hat man eine neue Anwendung auf dem Smartphone. Normalerweise. Denn in Nordkorea funktioniert das ein wenig anders. Hier ist ein App-Store ein wortwörtlicher Store – ein physischer Laden, in dem man Apps kaufen kann.
Wenn der App Store ein echter Laden ist
Aus dem abgeschotteten Land gelangen nur wenige Informationen über das alltägliche Leben in den Rest der Welt. Der von den USA finanzierte Sender Radio Free Asia hat aber jüngst zum Thema App-Stores recherchiert und nach eigenen Angaben mit anonymen Quellen aus Nordkorea gesprochen. Zwischen 6,5 und 7 Millionen Mobiltelefonen sollen aktuell in Nordkorea genutzt werden, ein Großteil davon sind Smartphones. Die geschätzte Einwohnerzahl beläuft sich auf etwa 26 Millionen.
Ein fabrikneues Smartphone ist mit einem vorinstallierten Browser und einigen Anwendungen wie einer Foto-App und Spiele ausgestattet. Wer sich aber weitere Apps installieren möchte, stößt schnell an gewisse Grenzen. Denn nicht nur dürfen ausländische Apps nicht heruntergeladen werden, auch das Installieren von inländischen Apps können die Nutzer nicht selbstständig vornehmen. Stattdessen gibt es sogenannte Zentren für den Austausch von Informationstechnologie. In diesen Läden kaufen Kunden die Apps und lassen sie gegen eine Gebühr vor Ort installieren.
Mit der wachsenden Anzahl an Smartphone-Nutzern steigt auch das Interesse an den unterschiedlichen Apps. Allerdings muss man sich den Installations-Service leisten wollen. Zwischen 10.000 und 15.000 Nordkoreanische Won (NKW) verlangen die IT-Zentren. Das entspricht etwa 10 bis 15 Euro. Laut dem südkoreanischen Auslands-Radiosender KBS World liegt der durchschnittliche Monatslohn eines Arbeiters bei um die 3000 NKW, während sich die Mittelschicht etwa zwischen 90.000 und 135.000 NKW bewegt (Stand 2023).
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Immer mehr offline App-Stores in Nordkorea
Während es noch vor einigen Jahren in jeder der neun Provinzen ein IT-Zentrum gab, gibt es heute in jeder Stadt mindestens einen App-Store. Neben der steigenden Nachfrage vonseiten der Nutzer könnte auch eine Neuerung in der Gewinnverteilung der Grund für die Zunahme sein. Ursprünglich gingen 70 Prozent des Gewinns aus einem App-Verkauf (nebst Installation) an die App-Entwickler im Pjöngjang Zentren für den Austausch von Informationstechnologie. Die übrigen 30 Prozent gehörten der Lokalregierung. Doch seit 2024 dürfen die Lokalregierungen 70 Prozent des Gewinns einbehalten und profitieren somit stärker von dem System der offline App-Stores.
Beispielsweise wurden dieses Jahr in Sinŭiju, einer Stadt direkt an der chinesischen Grenze, IT-Zentren in jedem der 49 Distrikte eingerichtet. Tokchon, eine Stadt mit etwa 230.000 Einwohnern und damit vergleichbar mit Magdeburg oder Freiburg im Breisgau, verfügt nun über fünf IT-Zentren, wie Radio Free Asia unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet.
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Spiele, Zeitung und Video-Streaming
Doch was sind das nun für Apps, die sich die Menschen in Nordkorea installieren lassen? Ähnlich wie überall sonst auf der Welt stehen auch hier Spiele und E-Book-Reader (10.000 NLW) sowie Sprachlern-Apps (15.000 NKW) und Koch-Apps hoch im Kurs. Aber auch Anwendungen, mit denen man die staatliche Zeitung Rodong Sinmun lesen kann, sowie Media-Player bzw. Streaming-Apps für nordkoreanische Filme und Musik gehören zum Repertoire. In der Regel werden diese Apps in Nordkorea entwickelt, allerdings orientieren sie sich bisweilen an ausländischen Anwendungen.
Ein einschneidender Nebeneffekt der App-Läden ist, dass die Regierung kontrollieren kann, welche Anwendungen den Smartphone-Nutzern zur Verfügung stehen. Da das nordkoreanische Intranet aus einer überschaubaren Anzahl von Websites besteht, liegt die Vermutung nahe, dass auch die App-Auswahl starken Einschränkungen unterliegt.