21. Januar 2025, 7:56 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Social-Media-Landschaft in den USA erlebt eine Verschiebung: Nach einem drohenden Verbot von TikTok durch den Obersten Gerichtshof wechseln Nutzer in Scharen zur chinesischen App RedNote. Innerhalb weniger Tage verzeichnete sie zahlreiche neue Downloads und stieg an die Spitze der App-Store-Charts. Doch dieser Wechsel ist mehr als nur eine Flucht.
Die potenzielle Schließung von TikTok in den USA hat zu einem regelrechten Nutzerexodus geführt. Mit der drohenden Sperre suchten Millionen Amerikaner nach Alternativen und fanden diese mitunter in RedNote, einer chinesischen Plattform, die ursprünglich für Reise- und Lifestyle-Inhalte entwickelt wurde. Innerhalb einer Woche vervielfachten sich die Downloads in den USA. Doch RedNote ist mehr als ein TikTok-Ersatz – sie repräsentiert eine neue Art des kulturellen Austauschs und hat sich in kürzester Zeit zu einem globalen Phänomen entwickelt.
Übersicht
Ursprung und Entwicklung von RedNote
Xiaohongshu, wie RedNote innerhalb Chinas heißt, wurde 2013 von Charlwin Mao und Miranda Qu in Shanghai gegründet. Ihr Ziel war es, eine Plattform zu schaffen, die chinesischen Reisenden als „Guide“ für internationale Shopping- und Reiseziele dient. Der ursprüngliche Name „Hong Kong Shopping Guide“ verdeutlichte den Fokus auf das Finden von Produkten und Erlebnissen im Ausland. Doch mit der Zeit hat sich RedNote von einer reinen Reise-App zu einer vielseitigen Lifestyle-Plattform entwickelt, die laut des chinesischen Forschungsunternehmens Qian Gua heute 300 Millionen monatlich aktive Nutzer weltweit anzieht.
Die App bietet Inhalte, die an Instagram und Pinterest erinnern, jedoch mit einer einzigartigen Funktion: Der Algorithmus basiert weniger auf den Followern eines Nutzers, sondern auf individuellen Interessen. Dies fördert originelle Inhalte und unterbindet die Dominanz von Influencern, wie sie auf anderen Plattformen häufig zu sehen ist. Nutzer können Fotos, Videos und Texte teilen, Produkte kaufen und sogar Live-Chats führen. Besonders beliebt ist RedNote bei jungen Frauen. 79 Prozent der Nutzer sind „TechCrunch“ zufolge weiblich, was die Ausrichtung auf Mode, Beauty und Shopping erklärt.
Unterschiede zu TikTok und globale Zugänglichkeit
Im Gegensatz zu TikTok, das vor allem auf kurze Videos setzt, legt RedNote mehr Wert auf eine breite Palette von Inhalten. Von Reiseempfehlungen über Beauty-Tipps bis hin zu Shopping-Trends deckt die Plattform ein breites Spektrum ab. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass TikTok regional angepasst wird. So gibt es beispielsweise Douyin, die chinesische Version von TikTok, die nur in China zugänglich ist. RedNote hingegen bietet eine globale Plattform, auf der Nutzer aus verschiedenen Ländern interagieren können. Dies wird durch die unkomplizierte Registrierung unterstützt: Im Gegensatz zu vielen anderen chinesischen Apps erfordert RedNote keine chinesische Telefonnummer.
Die globale Reichweite war von Anfang an Teil der Vision von RedNote. Der Name „Little Red Book“ spielt ironisch auf Maos berühmtes Zitatbuch an, repräsentiert jedoch keine politische Ausrichtung. Stattdessen steht „Red“ im Chinesischen oft für Popularität und Begeisterung – eine treffende Beschreibung der Plattform.
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RedNotes neue Beliebtheit in den USA
Mit dem drohenden TikTok-Verbot erlebte RedNote in den USA einen plötzlichen Anstieg der Beliebtheit. Innerhalb weniger Tage stieg die App an die Spitze der Download-Charts in Apples App Store. Wie das Nachrichtenportal „CNN“ unter Berufung auf das Marktforschungsunternehmen Sensor Tower berichtet, habe sich die Zahl der mobilen Downloads von Xiaohongshu bzw. RedNote in den USA in der zweiten Januarwoche 2025 im Vergleich zur Vorwoche fast verdreifacht. Viele dieser neuen Nutzer identifizieren sich selbst als „TikTok Refugees“ – ein Begriff, der die erzwungene Migration beschreibt.
Amerikanische Nutzer finden auf RedNote nicht nur eine Plattform, die ihre TikTok-Gewohnheiten ersetzen kann, sondern auch einen Ort für Austausch mit chinesischen Nutzern. Viele Beiträge sind hier allerdings auf Mandarin verfasst, was für viele eine Hürde darstellen und die Interaktion auf RedNote erschweren dürfte. Dennoch: Während TikTok durch politische Spannungen zwischen den USA und China ins Zentrum der Diskussion rückte, ist RedNote zu einer unerwarteten Brücke zwischen den Kulturen geworden. Dies zeigt sich in humorvollen Interaktionen, etwa durch das Posten von Katzenbildern, die als „Eintrittsgebühr“ für die Community gewertet werden.
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Herausforderungen und Zweifel am Datenschutz
Trotz seiner Beliebtheit steht RedNote jedoch auch vor Herausforderungen. Wie alle chinesischen Plattformen unterliegt die App strenger Zensur. Inhalte zu sensiblen Themen wie LGBTQ-Rechten oder Kritik an der Regierung werden nicht selten entfernt. Auch im Hinblick des Datenschutzes und der Verwertung von Bild- und Videomaterial erfüllt RedNote nicht die gewünschten Standards.
Um die App nutzen zu können, muss man den AGB zustimmen. Diese sind jedoch nur in chinesischer Sprache verfasst und somit ohne Übersetzung für die meisten Nutzer nicht verständlich. Sie wissen somit oft nicht, dass sie RedNote sämtliche Rechte an der Nutzung ihrer geposteten Inhalte geben. Und nicht nur das: Sowohl die Betreiber der App als auch chinesische Behörden können zudem auf sämtliche Nutzer- und Standortdaten zugreifen, wie der Gamer @aka_Scratch in einem X-Post zeigt:
Dennoch sehen viele Nutzer in der Plattform eine Chance, kulturelle Barrieren zu überwinden. Besonders die steigende Nachfrage nach Mandarin-Kursen und der Austausch über Alltagsthemen zeigen, dass RedNote mehr als nur eine Ersatz-App sein könnte. Ob diese Dynamik langfristig bestehen bleibt, hängt jedoch sowohl von den Nutzern als auch von politischen Entscheidungen ab.