2. August 2021, 21:43 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Werden Sie etwa in einem Ihrer Chats angelogen? Ein Experte hat TECHBOOK verraten, wie Sie genau das erkennen können!
Eigentlich haben Lügen kurze Beine, so haben wir es in unserer Kindheit gelernt. Trotzdem lügen laut einer repräsentativen Umfrage rund 60 Prozent der Bundesbürger täglich. Während es von Angesicht zu Angesicht deutlich leichter erscheint, Unwahrheiten zu erkennen, ist dies bei Nachrichten via Mail, SMS, Facebook-Messenger oder WhatsApp deutlich komplizierter.
Lügen erkennen wie die Profis
Immerhin 23 Prozent der Deutschen lügen laut der Befragung schriftlich. Doch wie können Sie entlarven, ob Sie angelogen wurden? Prof. Dr. Peter Kosta von der Universität Potsdam hat TECHBOOK verraten, welche Indizien Lügen enttarnen können. Der Experte beschäftigt sich in seiner Arbeit als forensischer Linguist mit Sprache sowie Lügen und ist Mitglied der Germanic Society of Forensic Linguistics. Seine Expertise nutzten bereits das BKA, Scotland Yard und Interpol. Er untersuchte unter anderem Bekennerschreiben, Abschiedsbriefe oder Drohbriefe.
„Im direkten Gespräch können zusätzliche Merkmale wie Körperhaltung, Mimik oder Gestik mit beurteilt werden“, sagt Peter Kosta. Dennoch können auch schriftliche Texte Lügen offenbaren, dies geschehe aber meist versteckter und ist daher schwieriger herauszufinden.
Generell gelte, so macht es auch der Experte, multimodal zu urteilen – also von Fall zu Fall zu entscheiden und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.
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Vorsicht bei diesen Wörtern
Tatsächlich gebe es sie aber. Wörter, an denen Sie erkennen können, dass der Absender nicht die Wahrheit schreibt. Kosta nennt das Signal- oder Fake-Wörter. Vor allem wenn Adverbien in Texten vorkommen, sollten Empfänger der Nachricht ganz genau hinschauen.
Speziell folgende Aussagen seien laut Kosta verräterisch:
„Ehrlich gesagt“ oder „ehrlicherweise“
„in der Tat“
„auf jeden Fall“ oder „in jedem Fall“
„bestimmt“
„Der Absender versucht hierbei seine Behauptung noch einmal zu unterstreichen“, sagt Peter Kosta. Empfänger sollten sich daher fragen, warum der Absender der Nachricht noch einmal seine vorherige Aussage extra betont, etwa bei den Beispielen: „Ich werde dich ganz bestimmt morgen anrufen“ oder „Darauf kannst du dich verlassen“. „In solchen Fällen ist bei verdächtigen Nachrichten davon auszugehen, dass das Gegenteil der Wahrheit entspricht. Der Absender versucht allerdings die Unwahrheit als Wahrheit zu tarnen“, sagt Kosta. Besonders wenn die schreibende Person Sie ständig davon überzeugen wolle, die Wahrheit zu schreiben, ohne dass Sie selbst eine Aussage ungläubig bewerten, sei dies ein Indiz für eine Lüge
Im vergangenen Jahr veröffentlichten Wissenschaftler der Cornell Universität in New York eine Studie, die sich mit WhatsApp-Nachrichten beschäftigt. Sie kamen in der Befragung zu dem Schluss, dass einige Wörter Lügen implizieren können. Vor allem unverbindliche Wörter wie „sicherlich“, „versuchen“ oder „einige“ seien nach Meinung der Wissenschaftler mit Vorsicht zu genießen. Außerdem würden Männer und Frauen in WhatsApp-Nachrichten unterschiedlich lügen. Frauen nutzten beim Lügen vornehmlich das Wort „ich“, währenddessen Männer häufiger das Wort „mein“ verwendeten.
Auf die Länge kommt es an
Ebenso kann die Länge der Nachricht Lügner enttarnen, denn auch auf sie kommt es an. Würde sich die Textlänge auf einmal abrupt verändern, könnte dies ebenfalls ein Zeichen dafür sein, dass der Absender der Nachricht nicht die Wahrheit schreibt, so Kosta.
Auch die Cornell Universität veröffentlichte eine Studie, die nahe legt, dass die Länge einer WhatsApp-Nachricht Lügner enttarnt – wobei gelogene länger als ehrliche Texte sind. Demnach bestanden Nachrichten mit Wahrheitsgehalt aus durchschnittlich 7,4 Wörtern, geschwindelte Nachrichten aus rund 8,2 Wörtern. Runtergebrochen auf Geschlechter ist der Unterschied vor allem bei Frauen sehr markant: In ehrlichen Texten schrieben sie im Durchschnitt 8 Wörter in einer WhatsApp-Nachricht, bei einer Lüge hingegen 9,1 Wörter. Bei Männer ist ein gelogener Text deutlich schwieriger an der Länge zu erkennen: 7,2 Wörter und damit nur 0,2 mehr als bei einer ehrlichen Nachricht.
Dies sei aber nicht immer der Fall. „In emotionalen Momenten sind Texte meistens länger“, weiß der Sprachwissenschaftler Kosta. Außerdem ist die Wortwahl und Ausdrucksweise auch abhängig von der eigenen Persönlichkeit. Eine lange Nachricht ist deswegen nicht immer ein Anhaltspunkt für eine Lüge.
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„Immer wenn der übliche Schreibstil sich ändert, sollten Sie misstrauisch sein“, sagt Kosta. Deshalb sei es von großer Bedeutung, Texte eines Absenders miteinander zu vergleichen, um mögliche Änderungen und Auffälligkeiten wahrzunehmen. „Das A und O ist der Vergleich selbst. Fragen Sie sich beim Betrachten eines Textes: Was erkennen Sie wieder und was weicht von der Norm des Schreibers ab“, so der Experte.
Allerdings können Änderungen im Schreibstil auch ganz andere Gründe haben, Abweichungen nicht immer ein Anzeichen für eine Lüge sein. Der Absender könnte zum Beispiel in Eile gewesen sein. „Schlussfolgern Sie also nicht leichtfertig“, rät der Linguist.
Peter Kosta selbst wisse gar nicht, ob er jemals gelogen haben. „Ehrlich, ich mag keine Lügner“, sagt Kosta. Deshalb mache es ihm so viel Spaß, Lügner zu enttarnen. Vielleicht auch, weil er als Kind Kriminalpolizist werden wollte. Und irgendwie ist er das jetzt auch geworden: Sprach-Polizist sozusagen. Mit seinen Tipps können Sie das nun auch sein.