5. März 2024, 13:27 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Nach erheblichem Widerstand und einer drohenden Prüfung durch EU-Wettbewerbshüter hat Apple eine Änderung in einem kommenden iOS-Update rückgängig gemacht. Diese hätte eine der grundlegendsten Funktionen des iPhones unbrauchbar gemacht.
Mit iOS 17.4 spaltet Apple sein iPhone-Betriebssystem in zwei unterschiedliche Versionen für die EU und den Rest der Welt auf. Damit setzt das Unternehmen Änderungen um, die ihm durch den Digital Markets Act (DMA) in der EU auferlegt wurden. iPhone-Besitzer sollen so mehr Kontrolle über ihr Gerät bekommen und können nicht nur Apps aus anderen Quellen als dem App Store laden, sondern auch ihren Standard-Browser endlich frei wählen. Letzteres nahm das Unternehmen jedoch als Anlass, sogenannte Web-Apps in iOS 17.4 für den europäischen Markt zu streichen.
Übersicht
Apple bringt Web-Apps zu iOS 17.4 zurück
In der Beta-Version von iOS 17.4 hatte Apple Web-Apps zunächst unbrauchbar gemacht, wie der Sicherheitsforscher Tommy Mysk auf der Social-Media-Plattform X (früher Twitter) teilte. TECHBOOK testet ebenfalls die Entwickler-Beta und konnte den Vorgang replizieren.
Auf der eigens für zukünftige iOS-Versionen in der EU eingerichtete Support-Seite begründete Apple die Streichung damit, dass die Sicherheit der Nutzer andernfalls nicht mehr gewährleistet werden könne. Nun hat das Unternehmen die Seite angepasst und die Änderung revidiert.
Das Unternehmen erklärt darin, dass es Web-Apps in iOS 17.4 aus Sicherheitsgründen entfernt habe. Die nötige Architektur, um eine sichere Nutzung von Web-Apps mit alternativen Browsern zu gewährleisten, existiere schlichtweg nicht in iOS.
Wie „Financial Times“ berichtet, drohte dem Unternehmen aufgrund der Änderung eine formelle Investigation durch EU-Wettbewerbsbehörden. Das dürfte in Verbindung mit zahlreichen Aufforderungen, die Web-Apps-Funktion weiterhin zu unterstützen, zur Kursänderung bei Apple geführt haben. Auf der Support-Seite für Entwickler gibt das Unternehmen nun an, dass es „die existierende Möglichkeit für Home-Screen-Web-Apps in der EU“ weiter anbieten werde. Entwickler können damit rechnen, dass ihre Web-Apps zum Launch von iOS 17.4 Anfang März weiterhin funktionieren.
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Auf dem Home Screen abgelegte Web-Apps sollten nur noch im Browser starten
Um die Vorgaben des DMAs umzusetzen, hatte sich Apple entschieden, die Funktion in der EU zu entfernen. Das Unternehmen wies darauf hin, dass Nutzer weiterhin Lesezeichen für Websites auf dem Home Screen ablegen können. Es erwartete, dass nur eine „geringe Zahl von Nutzern“ überhaupt betroffen sei, bedauerte die Änderung aber trotzdem.
Web-Apps sollten sich in iOS 17.4 für die EU nicht wie bisher in ihrem eigenen Fenster öffnen, sondern stattdessen im festgelegten Standard-Browser startet. Es hätte sich damit nicht mehr um eigenständige Apps gehandelt, sondern einfache Schnellzugriffe auf die jeweilige Website. Sie hätten keinen Zugriff auf Langzeitspeicher mehr gehabt und daher jedes Mal neu laden müssen. Auch Benachrichtigungen und Vollbildmodus wären nicht verfügbar gewesen. Zudem wäre beim Wechseln zwischen Apps nicht mehr der eigene Name (z. B. „Spotify“) erschienen, sondern der Name des Browsers.
Änderung widerspricht den Anforderungen des DMAs
Diese Kehrtwende birgt jedoch Potenzial für einen erneuten Konflikt mit dem DMA. Apple hatte die Funktion entfernt, da in iOS 17.4 Browser erstmals nicht mehr auf Apples WebKit-Engine basieren müssen, wie es momentan der Fall ist. Das Unternehmen könnte also nicht garantieren, dass PWAs dort wie gewohnt funktionieren. Deshalb hat es jetzt entschieden, Web-Apps weiterhin einfach über WebKit laufen zu lassen. Damit wird jedoch die freie Browser-Wahl der Nutzer ignoriert, die durch den DMA vorgeschrieben ist. Ob die EU diesen Kompromiss als notwendig akzeptiert, bleibt abzuwarten.
Apple betont vor allem den Sicherheitsaspekt, den WebKit für Web-Apps garantiert. Diese würde dem Datenschutzmodell von nativen iOS-Apps entsprechen, etwa durch isolierten Speicher. Ohne diese Vorkehrungen könnten „bösartige Webanwendungen […] Daten von anderen Web-Apps lesen und deren Berechtigungen wieder erlangen, um ohne Zustimmung des Nutzers Zugriff auf dessen Kamera, Mikrofon oder Standort zu erhalten“. Alternative Browser könnten zudem Web-Apps ohne Zustimmung der Nutzer im Hintergrund installieren.
Eigenen Angaben zufolge hat das Unternehmen „mehr als 600 neue APIs [Programmier-Schnittstellen, Anm. d. Red.] und eine Vielzahl von Entwickler-Tools“ eingeführt, um dem Digital Markets zu entsprechen.
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Web-Apps sind eine Alternative zu vollwertigen Apps
Web-Apps, oder genauer „Progressive Web Apps“ (PWA), gehören seit dem Original von 2007 zur Kernfunktionalität des iPhones. Ursprünglich hatte Apple gar keinen App Store für seine Smartphones vorgesehen. Stattdessen sollten Entwickler ihre Dienste ausschließlich über PWAs anbieten. Der Vorteil: Die „Apps“ benötigen keine Installation und laufen einfach über den Safari-Browser – allerdings in einem eigenen Fenster und im Vollbild. Die schnell wachsende Komplexität von Internet-basierten Diensten überstieg jedoch schon bald die Möglichkeiten von PWAs. Das machte „echte“ Apps zu einer Notwendigkeit, weshalb Apple bereits 2008 mit iOS 2 und dem iPhone 3G den App Store einführte.
Web-Apps stellen bislang eine Alternative zu „echten“ Apps dar und benötigen weniger Speicher und Rechenleistung. Unterstützte Dienste lassen sich über den Browser auf dem Home Screen ablegen und dort als eigenständige Apps im Vollbildmodus öffnen. Web-Apps können seit iOS 16.4 sogar Benachrichtigungen erhalten und so ihre Pedants aus dem App Store oft vollständig ersetzen. Durch Zugriff auf den iPhone-Speicher ist sichergestellt, dass die PWAs auch dann funktionieren, wenn sie nicht in aktiver Nutzung sind.