2. Januar 2022, 21:48 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Instagram ist unterhaltsam und neben TikTok gerade bei jungen Nutzerinnen und Nutzern eine der beliebtesten Social-Media-Apps. Doch neben Tanzclips, lustigen Memes und Katzenvideos gibt es auch eine große Menge an nicht jugendfreiem Content. Im Gespräch mit einem Cyberkriminologen untersucht TECHBOOK die Risiken und gibt Tipps, wie Minderjährige die App trotzdem sicher nutzen können.
Mit zwei Milliarden Nutzerinnen und Nutzern ist Instagram eine der größten Social-Media-Plattformen. Laut einer aktuellen Statista-Umfrage ist Instagram das drittbeliebteste soziale Netzwerk, hinter YouTube und Facebook. Hier werden Bilder und Kurzvideos konsumiert, geteilt und gelikt, was das Zeug hält. Doch dieses Feuerwerk an Content hat auch seine Schattenseiten.
Über 15 Prozent der User hierzulande sind zwischen 13 und 17 Jahre alt, minderjährig und damit besonders schutzberechtigt. Doch der Jugendschutz kommt – schon allein aufgrund der Vielzahl an Usern – oft zu kurz. „Gleich mehrere Formen von pornografisch geprägten Medien können auf der Plattform gefunden werden“, bestätigt auch Cyberkriminologe Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger.
Übersicht
Instagrams Jugenschutz-Problem
Wer denkt, auf Instagram würden nur harmlose Bilder und Videoclips geteilt werden, täuscht sich. Die Recherchen von TECHBOOK in den Tiefen der Social-Media-Plattform fördern schnell nicht-jugendfreie Inhalte zu Tage. Unter bestimmten Hashtags verbergen sich jede Menge Nacktbilder und Hardcore-Porno-Clips. Wer so einem Hashtag einmal auf die Spur kommt, stößt die Tür zu weiteren Inhalten auf. Das ganze gleicht einem Schneeballsystem. Bei den entsprechenden Bildern und Videos tummeln sich im Schnitt bis zu 29 weitere Hashtags mit explizitem Bezug.
Instagram selbst ist sich dieses Problems bewusst und versucht die Pornoflut so gut wie möglich einzudämmen. Offensichtliche Hashtags wie #sex hat das Unternehmen schon lange blockiert. Wer es in der Hashtagsuche eingibt, bekommt keine Ergebnisse geliefert. Darüber hinaus kann die Software pornografische Inhalte teilweise auch erkennen und herausfiltern.
Content Manager reichen nicht aus
Wie TECHBOOK herausgefunden hat, schafft es Instagram trotz täglichen Löschens nicht, die Massen an Pornografie verschwinden zu lassen. Konstant laden User in allen Zeitzonen der Erde Material hoch, das immer für eine gewisse Zeit online steht. Es dauerte lediglich fünf Minuten, bis wir den ersten Hashtag mit sexuellen Inhalten fanden. Und dabei geht es nicht einfach nur um Freizügigkeit, sondern um Hardcore-Pornografie.
Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger sieht darüber hinaus noch eine weitere Schwierigkeit durch die weltweite Nutzung von Instagram: „Was als Sexualdelikt oder pornografisches Medium gilt, unterscheidet sich von Land zu Land. Beispielhaft werden in Deutschland sogenannte Posingbilder von Kindern als ‚kinderpornografische Medien‘ eingestuft, in anderen Ländern ist das eventuell nicht strafbar.“
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3 Arten von pornografischen Medien auf Instagram
Laut Dr. Rüdiger handelt es sich zusammengefasst vor allem um drei Arten von pornografischen Inhalten:
1. Explizite pornografische Zeichnungen und Comics
Hierbei handelt es sich um Zeichnungen, die Pornografie in verschiedenen Abstufungen zeigen. Diese sind laut Dr. Rüdiger wenig versteckt und am leichtesten zu finden. Das könnte daran liegen, dass der Instagram-Algorithmus die Inhalte nicht als Pornografie erkennt und somit auch nicht herausfiltern kann. Auf diese Art von Content können Jugendliche relativ leicht aus Versehen stoßen, etwa wenn explizite Comics als Fanfictions per Hashtag auf das (an sich jugendfreie) Original verweisen.
2. Klassische pornografische Bilder und Videos
Auch pornografische Bilder und Videos von realen Personen sind auf Instagram. Da der Algorithmus diese aber mittlerweile besser filtern kann, verfremden oder zensieren die Uploader die Pornos. Filter machen Videos so schwer erkennbar, aber noch immer klar sichtbar. Hinzu kommen zunehmend auch KI-generierte Bilder, die scheinbar reale Personen zeigen. Montagen oder KI-generierte Bilder von (insbesondere) Nutzerinnen werden auch als Mobbing-Strategie eingesetzt. Theoretisch könnte das jede Person betreffen, die ein Foto von sich online hochlädt.
3. Verbale Pornografie in Textform
Auch von Bildern mit Texten darauf, sogenannten Quotecards, geht eine Gefahr aus. Auf bestimmten Profilen finden sich darauf sexualisierte Texte, ob als Aufforderung zum Anschreiben oder auch als vermeintliche Beichte getarnt.
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Cybergrooming als reale Gefahr
Pornografische Inhalte auf Instagram sind ein Ärgernis und nicht für die Augen von Heranwachsenden, insbesondere Kindern, bestimmt. Gerade die Darstellung von Missbrauch und sexualisierter Gewalt in Bild- oder Textform kann verstörend wirken. Eine sehr reale Gefahr geht jedoch von privaten Nachrichten aus. Täter aller Altersklassen nehmen über Instagram Kontakt zu Mädchen und auch Jungen auf – mit eindeutigen Absichten. Die Masche nennt sich Cybergrooming und ist laut Dr. Rüdiger „eines der relevantesten Risiken für Kinder“. Die Täter schreiben zum Beispiel junge Mädchen an, lenken das Gespräch auf eine sexuelle Ebene und forcieren teilweise sogar ein Treffen. Dabei geht es um Sexchats und den Austausch von Nacktbildern.
Instagram macht diese Herangehensweise indirekt noch einfacher. Während Jugendliche in Chatrooms lediglich mit einem Alias vertreten waren, geben sie auf der Social-Media-Plattform in Form von Bildern und der eigenen Beschreibung noch viel mehr Informationen von sich preis. Cyberkriminologe Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger sieht Instagram dabei vor allem als Anbahnungsplattform. Nach dem ersten Kontakt versuchen die Täter dann, mit den Kindern über klassische Messenger in Kontakt zu treten.
Vor allem öffentliche Fotos und Profile ziehen Täter bei Instagram an. Neben Nachrichten senden sie aber auch unaufgefordert Nacktbilder. Instagram zeigt diese zunächst verschwommen an, doch ein Klick genügt für die normale Anzeige. Hier setzt sich meist die Neugier der Opfer durch – das Foto wird angesehen. Auch viele erwachsene YouTuberinnen berichteten bereits von Übergriffen dieser Art, gegen die man sich schlecht vorbeugend schützen kann. Betroffene können aber eine Strafanzeige stellen. Gemäß § 184 Abs. 1 StGB ist es strafbar, Minderjährigen und Erwachsenen gegen ihren Willen pornografische Inhalte zuzusenden. Dazu gehören auch Dickpics.
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Sexbots als relativ neues Phänomen
Als TECHBOOK im Dezember 2018 das erste mal zum Thema Sex auf Instagram recherchierte, spielten sogenannte Sexbots noch keine große Rolle. Das sind Instagram-Accounts, die vorzugsweise unter Postings von anderen Accounts mit großer Reichweite kommentieren. Die Kommentare sind dabei in der Regel leicht anzüglich und stammen vermeintlich von Frauen, die Nutzer auf das eigene Profil locken möchten. In den vergangenen Monaten dürften die meisten Instagram-Nutzer bereits über solche Kommentare gestolpert sein.
Hinter den Profilen stecken natürlich keine einsamen weiblichen Singles auf Partnersuche. Vielmehr handelt es sich um Computer-Bots, die automatisch Kommentare generieren. Die Profile sind meist leer und enthalten lediglich einen Link in der Beschreibung, der über mehrere Schritte dann zum Beispiel zu einer angeblichen Singlebörse für Erwachsene führt. Da die Links auf Instagram direkt auf pornografische Inhalte leiten, sind auch Bots ein Teil des Sex-Problems von Instagram.
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Statement und Standing
Ein Sprecher von Instagram äußerte sich auf Anfrage von TECHBOOK im Jahr 2018 wie folgt: „Wir haben keinerlei Toleranz gegenüber Inhalten oder Verhaltensweisen, die die Privatsphäre und Sicherheit von Minderjährigen gefährden. Wir haben eine Reihe von automatisierten und manuellen Systemen, um Konten zu melden und zu blockieren, die für Spam und unangemessene Inhalte verwendet werden. Zusätzlich zu den Technologien, die wir im Backend verwenden, haben wir Tausende von Mitarbeitern in unserem Community Operations-Team, die uns rund um die Uhr, weltweit und in über 40 Sprachen unterstützen.“
Eine erneute Anfrage blieb bislang zwar unbeantwortet, es dürfte sich aber nichts an der Einstellung von Instagram geändert haben. Doch während es einerseits noch keine weiterreichenden Jugendschutzmaßnahmen gibt, zensiert Instagram andererseits Beiträge, die eigentlich keinen Anlass geben sollten. Darunter sind unter anderem Fotos von stillenden Müttern oder Personen im Rollstuhl, gezeichnete Tampons, Beiträge über Queerness und die Rechte von behinderten Menschen.
Sollte ich meinen Kindern Instagram verbieten?
Der Cyberkriminologe gibt hier keine pauschale Antwort. Dr. Rüdiger appelliert stattdessen an die eigene Medienkompetenz, die dann an die Kinder vermittelt werden sollte: „Eltern sollten die Plattformen aktiv nutzen. Dann bekommen Sie schnell einen Einblick in die Risiken und können authentisch und transparent mit ihren Kindern auch darüber reden. Der Zugang von Kindern zum digitalen Raum sollte immer vom vermittelten Wissen um Risiken und Reaktionsmechanismen abhängig gemacht werden.“ Gerade über die Gefahren von Cybermobbing und Cybergrooming sollten Kinder und Jugendliche aufgeklärt werden. Das hilft im Zweifel mehr als ein Verbot.
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So können Sie Ihre Kinder schützen
Während Sie bei Kindern die volle Kontrolle über den Account behalten sollten, ist es bei Jugendlichen oft nicht mehr angebracht, das Smartphone zu kontrollieren. Dennoch gibt es Methoden, Instagram gemeinsam mit dem Nachwuchs sicherer zu machen:
1. Privates Profil
Stellen Sie das Profil von Kindern und Jugendlichen auf jeden Fall auf „privat“. So können nur Abonnenten die Bilder Ihrer Kinder sehen. Wer abonnieren möchte, muss eine Anfrage stellen. Wichtig ist, dass nur die Anfrage von jenen Personen bestätigt wird, die die Kinder auch persönlich kennen (und mögen). Auch in der Hashtagsuche tauchen die Bilder des Nachwuchses nicht mehr auf, wenn das Profil ein privates ist.
Um das Profil auf privat zu stellen, gehen Sie auf den Reiter „Profil“ und wählen hier „Profil bearbeiten“ aus. Nun erscheint ein Menü mit dem Punkt „Wer kann deine Inhalte sehen“. Hier kann man nun die Konto-Privatssphäre einstellen.
Hinweis: Wer sein Profil in ein Businessprofil umgewandelt hat, kann die eigene Seite nicht mehr privat stellen. Hierfür muss das Profil in den Einstellungen zunächst wieder umgestellt werden!
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2. Nicht zu viele Infos in der Biographie preisgeben
Die Bio ist eine Beschreibung, die auf der eigenen Instagram-Seite steht und individuell angepasst werden kann. Sie ist über dem Bilder-Feed zu sehen und enthält oft persönliche Daten, wie Wohnort, Schule, Vereinszugehörigkeiten, Alter oder den Namen. Solche Infos haben bei Kindern und Jugendlichen nichts verloren, da sie es Fremden relativ einfach machen, mehr über die jeweilige Person zu erfahren.
3. Nachrichtenanfragen ablehnen
Falls Nachrichten von Nicht-Followern in dem Posteingang landen, tauchen diese übrigens nicht sofort in der Liste auf, sondern oben rechts im Nachrichtenmenü als „Anfrage“. Diese sollten grundsätzlich abgelehnt werden, falls Sie von unbekannten Personen kommen. Ist ihr Kind dennoch neugierig, können Sie die Anfragen gemeinsam sichten und somit die Kontrolle behalten.