29. Oktober 2023, 7:15 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Das Netz kennt verschiedene Indikatoren und Codes, die als Synonym für bestimmte Bereiche fungieren. Aktuell sorgt der Namenswechsel von Twitter zu X für Aufsehen. Denn beim Buchstaben X denken viele Internet-User eher an die Rotlichtbezirke im World Wide Web. Ähnliche Gedanken sind im Jahr 1996 aufgekommen – mit Hotmail.
Dabei haben die Entwickler Sabeer Bhatia und Jack Smith in eine ganz andere Richtung gedacht. Der Name des neuen Dienstes spielt auf die damals noch recht unbekannte Abkürzung HTML an – HoTMaiL. Zwei Jahre später kauft Microsoft für 400 Millionen US-Dollar Hotmail. Daraus entsteht eine 15-jährige Erfolgsgeschichte.
Zusammen mit RocketMail (später Yahoo Mail) ist Hotmail einer der ersten Webmail-Dienste. Zur Zeit des Starts im Jahr 1996 ist es Normalität, den E-Mail-Dienst des eigenen Internetanbieters zu nutzen. Webmail hingegen verspricht Freiheit von Anbietern und die Möglichkeit, von überall auf der Welt auf E-Mails zuzugreifen. Innerhalb von nur einem Jahr kann der Dienst 8,5 Millionen Nutzer anziehen.
Übersicht
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Hotmail zunächst ohne Konkurrenz
Hotmail gehört damals zu den ersten großen E-Mail-Dienstleistern. Durch den Einstieg von Microsoft steigt das Interesse rasant. Von einst 12 Millionen Usern steigt die Zahl in den besten Zeiten auf über 400 Millionen an.
Für den Erfolg muss Microsoft zunächst gar nicht viel tun. Selbstverständlich hilft der bekannte Name als Zugpferd. Rein technisch betrachtet ist bei Hotmail nur wenig ‚hot‘. Technische Mängel sind später nur einer der Gründe, warum Hotmail in unruhiges Fahrwasser gelangt.
Schon in den frühen 2000er-Jahren tauchen Meldungen auf, ein Hacker habe die ohnehin mageren Hotmail-Zugangssperren mithilfe weniger Codezeilen überwunden. Der Online-Dieb erbeutet die Kreditkartennummern nichts ahnender Hotmail-Nutzer.
In der Folge bestärken ähnliche Geschichten die Kritiker, Hotmail tue nur wenig, um die Daten der Benutzer zu schützen.
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Gmail läuft Hotmail den Rang ab
Ernsthafte Konkurrenz taucht erst im Jahr 2004 auf. Damals schickt Google seinen E-Mail-Dienst Gmail an den Start. Damals stieg die Suchmaschine gerade auf Platz eins der meisten Internetsuchen – vor Yahoo – auf. Wie es sich für einen angehenden Internet-Giganten gebührt, hat Google seinen Mail-Dienst mit einigen Zusatzfunktionen versehen, die Hotmail plötzlich ziemlich alt aussehen lassen.
Microsoft reagiert auf die mächtige Konkurrenz und hübscht den eigenen Hotmail-Dienst auf. 2005 präsentiert Microsoft seinen neuen Online-Dienst Windows Live Hotmail. Eigentlich sollte der Dienst Windows Live Mail heißen – wie der entsprechende E-Mail-Client für Windows 7. Dieser Name sollte seriöser sein, sorgte bei Beta-Testern aber für Verwirrung, und so behielt Microsoft den alten Namen bei.
Das neue Hotmail kommt zudem mit Speicher, der mit dem Nutzer wächst. Zwar gebe es Limits, diese seien jedoch „so groß, dass Sie wahrscheinlich nicht einmal in die Nähe kommen“. Damit reagiert Microsoft auf Gmail, das von Anfang an mit einem Gigabyte kostenlosem Speicherplatz User zu sich lockt.
Zwar hat die Umbenennung von Hotmail vorerst nicht geklappt – bei Microsoft breiten sich jedoch Zweifel aus, ob der Name Hotmail noch zu einem weltweit agierenden IT-Unternehmen passt. In der Folge experimentiert Microsoft weiter herum. 2012 startet das Unternehmen einen Beta-Test mit Outlook – ein neuer E-Mail-Dienst analog zum bekannten Client, zu dem Hotmail-Nutzer kostenlos wechseln können.
Hotmail rückt Microsoft-Logo ins Rotlicht
Auf der dunklen Seite des World Wide Web hat sich Ende der 2000er-Jahre herumgesprochen, wie sich Hotmail-Adressen als Spamschleuder einsetzen lassen. Diese Entwicklung stellt Microsoft mehr und mehr vor Probleme.
Tatsächlich gefährdet inzwischen der etwas anrüchige Name die Zukunft des E-Mail-Dienstes von Microsoft. Immer häufiger im Netz auftauchende Mailadressen in der Form jaqueline@hotmail.com oder longjohnsilver@hotmail.com rücken das Microsoft-Logo ins Rotlicht.
Viele Nutzer wenden sich zudem von Hotmail ab. Denn der Name des Dienstes ist inzwischen zu stark sexualisiert und damit für seriöse Zwecke verbrannt.
Es dauert bis zum Jahr 2012, ehe sich Microsoft endlich dazu durchringt, den Namen Hotmail auszuwechseln. Zuvor hat sich bereits angedeutet, in welche Richtung das Unternehmen steuert. Daher überrascht der neue Name Outlook für den E-Mail-Dienst von Microsoft niemanden.
Outlook steht für ein sachliches Mail-Programm und Nachrichten-Management. Seit dem Jahr 2013 sind sämtliche ehemalige Hotmail-Konten umgestellt. Microsoft hat mit dem Wechsel seinem Dienst im Laufe der Jahre noch ein paar zusätzliche Features verpasst. Beispielsweise ist Skype nun ein fester Bestandteil der Outlook-Welt, genauso wie das Microsoft-Office-Paket.
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Top-Mail-Dienstleister in Deutschland
In Deutschland regieren laut Statista-Zahlen aus dem Jahr 2022 ganz andere E-Mail-Anbieter. Hierzulande dominieren mit weitem Abstand die Dienste von Web.de und GMX mit jeweils 25 Prozent. Beide Anbieter gehören inzwischen zum 1&1-Kosmos. Outlook taucht in dieser Liste erst auf Platz 4 auf. Microsoft wird diese Platzierung sicherlich verkraften – denn Outlook ist vor allem für den professionellen Gebrauch weit verbreitet. Insgesamt ist die Hotmail-Übernahme für den IT-Konzern ein gutes Geschäft gewesen, trotz des (eigentlich gar nicht) anzüglichen Namens.