12. Juni 2023, 14:58 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Das neue Mixed-Reality-Headset, an dem Apple seit Jahren arbeitet, ist nun „echte“ Realität. Mit dem Gerät setzt das Unternehmen neue Maßstäbe – das hat allerdings seinen Preis.
Apples Headset für Mixed Reality ist offiziell und heißt Vision Pro. Es ist eine komplett neue Produktkategorie für das Unternehmen, könnte den Markt für Virtual und Augmented Reality aber erheblich aufmischen.
Übersicht
Start in den USA Anfang Februar 2024
Lange war unklar, ob Apple sein selbst gestecktes Ziel, Vision Pro bereits Anfang 2024 auf den Markt zu bringen, einhalten könne. Doch nun hat das Unternehmen in einer Pressemitteilung das Startdatum angekündigt. Am 2. Februar geht das Headset in den Verkauf, ab 19. Januar ist es bereits vorbestellbar.
Vision Pro ist jedoch vorerst nur in den USA verfügbar. Über ein mögliches Release auf den globalen Markt – Deutschland eingeschlossen – ist bislang nichts bekannt.
Ein eigenes Betriebssystem für den virtuellen Homescreen
Auf den ersten Blickt erinnert die Nutzeroberfläche des Apple Vision Pro an das iPhone oder iPad. Viele Funktionen, die man von diesen Geräten kennt, sind auch hier verfügbar. Das eigene Betriebssystem visionOS ermöglicht zudem Videokonferenzen mit FaceTime in virtuellen Sitzungsräumen. Doch wie können andere Anrufteilnehmer den Träger des Headsets selbst sehen? Beim Einrichten des Vision Pro müssen sich die Nutzer einmal selbst mit dem Gerät abfilmen, das dann eine digitale Persona erstellt. Dieser Avatar macht in den Anrufen alle Gesichts- und Handbewegungen des Trägers nach und hat zudem Volumen und Tiefe, um so echt wie möglich zu wirken.
Im Vision Pro steckt Apples erste 3D-Kamera. Das Headset bietet neue Möglichkeiten, mit Fotos und Videos zu interagieren. Öffnet man die Dateien, dimmt sich der Raum automatisch. Selbst aufgenommene Panoramafotos erscheinen in Lebensgröße. Den 3D-Fotos und -Videos gibt das Headset einen Tiefeneffekt, sodass sich die Momente fast noch einmal begehen lassen. Auch 3D-Filme wie „Avatar“ unterstützt das Gerät. Dabei können Nutzer mit dem Headset Videos wie auf der großen Leinwand anschauen und sogar die Fenstergröße beliebig anpassen.
Apple macht es Entwicklern recht einfach, ihre bestehenden Apps für visionOS zu optimieren. Das neue Betriebssystem hat zwar einen eigenen App Store mit eigenen Anwendungen. Kompatible iPhone- und iPad-Apps sind hier jedoch auch verfügbar. Analog zu Face ID und Touch ID hat das Vision Pro nun Optic ID, das die Iris scannt, um das Gerät zu entsperren. Das ermöglicht Funktionen wie Apple Pay, Einkäufe im App Store und Passwort-Zugriff. Diejenigen, die das Augentracking im Inneren des Headsets kritisch sehen, beruhigt Apple mit dem Versprechen, dass Apps und Websites das nicht nachverfolgen können. Eine zusätzliche Ebene darüber registriere die Eingabe und gebe sie danach erst weiter.
Apple hat eine Kooperation mit der Walt Disney Company gestartet, die dieses Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum feiert. Nicht nur nutzt Disney Vision-Pro-Headsets, um neue 3D-Erfahrungen zu kreieren – Disney+ wird ab dem ersten Tag auf dem Gerät verfügbar sein.
Bedienung komplett ohne Zubehör möglich
Apple hat für das Vision Pro eine komplett neue Steuerung entwickelt, die ohne Controller oder Ähnliches auskommt. Die Bedienung erfolgt ausschließlich über Augen, Hände und Stimme. Kameras in der Innenseite des Headsets tracken Augenbewegungen und können so erkennen, worauf die Nutzer schauen. In der Oberfläche werden diese Objekte dann hervorgehoben. Zusammendrücken von Zeigefinger und Daumen bestätigt die Eingabe dann. Wischgesten mit den Fingern dienen zum Scrollen. Für die Suche reicht es, ein Textfeld anzuschauen und die Eingabe zu diktieren. Auch eine virtuelle Tastatur steht zur Verfügung. Siri-Befehle können zudem wie auf dem iPhone Apps öffnen.
visionOS ist komplett 3D-kompatibel. Aus einer E-Mail lässt sich etwa ein 3D-Objekt im Anhang einfach per Handgeste ziehen und dann in augmentierter Realität von allen Richtungen betrachten. Doch nicht nur das: auch mit anderen Apple-Geräten kann das System eine Verbindung eingehen. Schaut man etwa auf ein MacBook, projiziert das Headset automatisch den Bildschirm des Laptops. Es lassen sich Apps direkt von dort aus starten – ohne Installation.
Trotzdem ist das Headset mit Bluetooth-Hardware kompatibel. So lassen sich etwa Tastaturen, Trackpads und Mäuse damit nutzen. Auch die Verbindung mit Gaming-Controllern wie Sonys Dualsense ist möglich, denn das Gerät unterstützt auch Apple Arcade. Zwar hat es integrierte Lautsprecher, für eine privatere Nutzung ist aber auch die Verwendung von AirPods möglich.
TECHBOOK meint
„Ich bin als Besitzer der originalen Oculus Rift beeindruckt von der Technik, Software und Optik, die Apple in das Vision Pro gesteckt hat. Allein der Präsentation nach zu urteilen ist es das mit Abstand ausgereifteste Produkt auf dem VR/AR-Markt. Klar, Dinge wie SteamVR werden darauf nicht laufen, weshalb es vor allem für Gamer kaum geeignet ist. Aber das Gerät ist mit seinem Preis auch eher an professionelle Anwender gerichtet, die ganz andere Kosten in diesem Segment gewohnt sind. Ich bin zwar durchaus skeptisch, dass Apple sich in Mixed Reality wirklich durchsetzen wird. Allerdings hat das Unternehmen mit iPhone, iPad, Apple Watch und AirPods immer wieder bewiesen, dass es neue Produktkategorien erobern kann.“– Adrian Mühlroth, TECHBOOK-Redakteur
Träger bekommen digitale Augen
Eine Besonderheit des Vision Pro ist eine Funktion, die Apple Eyesight nennt. Denn um das Headset so natürlich wie möglich in der echten Welt nutzen zu können, ist es wichtig, mit dem Träger zu kommunizieren. Damit dieser das Headset nicht abnehmen muss, ist darin ein gebogener OLED-Bildschirm verbaut, der die Augen nach außen hin zeigt. Durch eine ventrikuläre Linse über dem Bildschirm sind die Augen aus jedem Blickwinkel für das Gegenüber erkennbar.
Bei der Nutzung im Augemented-Reality-Modus mit Apps oder Ähnlichem legt das Headset einen leichten Schimmer über die Augen. Ist jedoch gerade volle Virtual Reality aktiviert, sind die Augen mit einem Schleier verdeckt. Damit können andere Personen sehen, wenn man sich gerade komplett in der virtuellen Oberfläche befindet. Nähert sich eine Person, erkennt sie das Headset jedoch und macht nur deren Form für den Träger sichtbar.
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Starke Technik im Inneren
Apple selbst bezeichnet das Vision Pro als „Spatial Computer“. Das Headset muss 23 Millionen Pixel berechnen, das ist mehr als 4K-Auflösung pro Auge. Das ermöglicht gestochen scharfen Text zum Lesen und Schreiben, was bisher immer eine Schwäche von VR/AR-Headsets war.
Für die nötige Leistung setzt das Unternehmen auf den eigenen M2-Chip, der von einem komplett neuen Chip begleitet wird: dem R1. Dieser ist auf die Verarbeitung von Sensordaten spezialisiert. Er kann die Daten von 12 Kameras, 5 Sensoren und 6 Mikrofonen verzögerungsfrei verarbeiten. Jede noch so kleine Verzögerung kann in einem Mixed-Reality-Headset zu Unwohlsein beitragen.
Auf der Vorderseite sitzt ein einzelnes, gebogenes Stück Glas, das in einen Aluminiumrahmen übergeht, in den der Knopf für die Kamera und die Digital Crown sitzen. Unter dem Glas sitzen Kameras für das Hand-Tracking und die 3D-Kamera. Auf der Innenseite sitzen die beiden Linsen, hinter denen die zwei Displays für die Augen sind. Auf den Linsen lassen sich Gläser magnetisch installieren, die individuelle Sehfehler korrigieren. Zur Abdichtung dient ein „Licht-Schild“, das in verschiedenen Größen verfügbar ist. In den Bügeln sitzen zwei Audio-Pods, die 3D-Audio unterstützen. Durch „Audio-Raytracing“ sollen die Pods den Klang auf den Raum anpassen können. Der hintere Teil besteht aus geflochtenem, dehnbaren und atmungsaktivem Textil.
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Wer soll das Apple Vision Pro kaufen?
Apple verfolgt mit dem Vision Pro das Ziel, die reale mit der digitalen Welt zu kombinieren. Das Unternehmen hat dazu eine Reihe neuer Technologien entwickelt, die den Übergang so nahtlos wie möglich gestalten sollen.
Das Hauptargument für die Verwendung des Vision Pro ist laut Apple, dass Nutzer dadurch nicht mehr auf einen einfachen Bildschirm eingeschränkt sind. Die virtuelle Oberfläche bietet dank 360-Grad-Umgebung schier unbegrenzt Bildschirmfläche. Apps lassen sich überall darin nutzen, in der Größe verändern und frei platzieren. Sie haben Volumen, reagieren auf Lichteinfall und werfen einen Schatten. Dabei sehen Nutzer jedoch ihre echte Umgebung – das Headset bietet also nicht rein Virtual, sondern Augmented Reality.
Es ist dennoch zu Virtual Reality in der Lage. Durch eine Digital Crown, wie sie auch in der Apple Watch zu finden ist, können Nutzer festlegen, wie viel sie von ihrer realen Umgebung sehen möchten. Mit einem Dreh legt sich eine Art Schleier über Sichtfeld und hinter die gezeigten Inhalte, der sich nach Art und Farben der offenen Fenster richtet. Der Grad der Verdeckung ist dabei frei wählbar.
Apple plant, sein Headset neben iPhone, iPad, Mac und Watch als neue Produktkategorie zu platzieren – der Mixed-Reality-Markt ist jedoch noch recht jung. Die vorhandenen Technologien sind zwar vielversprechend, aber weiterhin unausgereift und teuer und damit kaum massentauglich. Das gilt auch für das Apple Vision Pro, das mit 3499 US-Dollar für Verbraucher kein Schnäppchen ist. Das Unternehmen versucht zumindest, das Gerät als Ersatz für Highend-Fernseher, Computer-Monitor, Audioanlage, 3D-Kamera und mehr zu bewerben.
Die „New York Times“ berichtet, dass viele Apple-Mitarbeiter skeptisch gegenüber dem neuen Produkt seien. Einige seien abgesprungen, während andere aufgrund ausbleibender Fortschritte entlassen wurden. Intern sei man sich wohl nicht einig, welchen Zweck das Headset überhaupt erfüllen solle. Das steht im starken Gegensatz zu Apple sonst so zielstrebigen Produktvermarktung – etwa beim ersten iPhone: „ein iPod, ein Telefon, ein Internet-Kommunikator“.
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Apple plant offenbar auch günstigere Version seines Headsets
Nicht nur das Apple Vision Pro hat bei der Vorstellung auf der WWDC 2023 polarisiert, auch der Preis des Headsets war eine Ansage. Unabhängig davon, wie gut die Technik im Inneren und wie umfangreich die Möglichkeiten, Nutzer müssen sich das Gerät auch leisten können. Und mit rund 3500 US-Dollar ist das Apple Vision Pro alles andere als günstig. Wie gut wird es sich also verkaufen können und auf dem Markt Fuß fassen?
Aufgrund seines hohen Investments im KI/AR-Bereich und der Kosten der Produktentwicklung von zusammen schätzungsweise 15 Milliarden US-Dollar, kann Apple sein Headset momentan nicht viel günstiger anbieten. Doch in ein paar Jahren kann das laut Mark Gurman wieder anders aussehen. Dann könnte Apple einen Großteil seines Investments wieder eingespielt haben, schreibt er in seinem Newsletter. Dieser Umstand und der Name Vision Pro deuten an, dass Apple offenbar ein weiteres Headset plant.
Dieses könnte dann nur Apple Vision oder Apple Vision One heißen und deutlich günstiger sein als die Pro-Version. Sparen könnte das Unternehmen hierbei beispielsweise, indem ein einfacheres Kopfband zum Einsatz kommt und Apple für die Tonausgabe mit Spatial Audio auf seine AirPods statt auf integrierte Lautsprecher zurückgreift. Auch könnten in dem günstigeren Headset Funktionen wie die 3D-Kameras gestrichen werden. Features wie EyeSight, also die Anzeige der Augen während des Tragens, sowie das Tracking-System an sich sollen aber weiterhin Bestandteil des Headsets sein.
Bis dieses fertig ist, wird aber noch einige Zeit vergehen. Gurman erwartet das günstigere Headset nicht vor 2025.