22. Januar 2025, 10:30 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Kinderschutzfunktion von Apple steht massiv in der Kritik. Eine Untersuchung von Stiftung Warentest in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk (SWR) zeigt gravierende Schwächen, die Kindern den Zugriff auf ungeeignete Inhalte ermöglichen. Trotz aktiver Schutzmaßnahmen können sie Zeitlimits umgehen oder verstörende Inhalte aufrufen. Experten und Politiker fordern Konsequenzen.
Nachdem im Dezember 2024 Berichte über einen unzureichenden Jugendschutz im App Store von Apple bekannt wurden, steht nun der Kinderschutz in der Kritik. Apples Kinderschutzfunktionen, die Eltern bei der Kontrolle von Bildschirmzeit und Inhalten unterstützen sollen, sind laut neuen Untersuchungen von Stiftung Warentest und dem SWR alles andere als zuverlässig. Durch einfache Tricks könnten Kinder Schutzmechanismen aushebeln, was den Zugang zu verstörenden Videos und ausgedehnten Nutzungszeiten ermöglicht, so die Experten. Trotz langjähriger Kritik hat Apple bisher keine nachhaltigen Lösungen präsentiert.
Übersicht
Untersuchung enthüllt gravierende Schwächen
Die Stiftung Warentest und der Südwestrundfunk prüften die Kinderschutzfunktionen auf Apple-Geräten mit den aktuellen iOS-Versionen 18.2 und 18.2.1. Dabei zeigten sich erhebliche Schwachstellen: Kinder konnten Inhalte wie Horrorvideos, explizite Musik und verstörende Unfallaufnahmen aufrufen, obwohl Eltern entsprechende Filter eingerichtet hatten. Besonders problematisch ist die Funktion „Unterstützender Zugriff“, die es Kindern ermöglicht, festgelegte Zeitlimits zu umgehen und Apps länger als erlaubt zu nutzen.
Diese Schwächen seien keineswegs neu, sondern seit Jahren bekannt, berichten die Experten. Auf YouTube finden sich zahlreiche Videos mit Anleitungen, wie Kinder die Schutzmaßnahmen von Apple austricksen können. Dass diese Schwachstellen trotz vielfacher Kritik bestehen bleiben, wirft Fragen zu Apples Prioritäten auf.
Experten und Politiker kritisieren Kinderschutz von Apple
Der IT-Sicherheitsexperte Sascha Zinke äußert gegenüber dem SWR die Vermutung, dass wirtschaftliche Überlegungen die Behebung der Schwachstellen verhindern. „Es geht nicht darum, dass Software-Entwickler nicht in der Lage wären, eine Kinderschutzfunktion besser zu programmieren oder Lücken zu schließen, sondern die Frage ist: Wie sieht das Geschäftsmodell dahinter aus? Und wenn der Kinderschutz auf der Prioritätenliste nicht oben steht, werden solche Lücken nicht nachhaltig geschlossen“, so Zinke.
Auch Neurobiologe Martin Korte, der sich an der TU Braunschweig seit mehreren Jahren damit beschäftigt, welche psychischen Folgen der Konsum digitaler Medien haben kann, warnt vor den Folgen mangelnden Schutzes. „Das junge Gehirn bedarf eines besonderen Schutzes, da sich gerade im jugendlichen Alter ein Suchtverhalten leicht einbrennt“, so Korte. Politiker wie Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, betonen, dass Apple durch den Digital Services Act verpflichtet ist, effektive Schutzmaßnahmen zu bieten. Bei Verstößen drohen hohe Strafen.
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Apple muss beim Kinderschutz nachbessern
Die Experten haben Apple mit den Ergebnissen konfrontiert, aber nur vage Antworten bekommen. Auch TECHBOOK liegt ein Statement vor, in dem sich der Konzern zum Sachverhalt äußert. In diesem betont Apple, dass man Berichte über Probleme im Zusammenhang mit „Bildschirmzeit“ sehr ernst nehme und kontinuierlich Verbesserungen vorgenommen habe, um Nutzern die bestmögliche Erfahrung zu bieten. „Unserer Arbeit ist nicht abgeschlossen und wir werden auch weiterhin Updates vornehmen.“
Laut Apple werde die Funktion „Bildschirmzeit“ derzeit nicht von der Funktion „Unterstützender Zugriff“ unterstützt. Zudem müsse man, um letztere auf dem Gerät eines Kindes zu starten, das Bildschirmzeit-Passwort eingegeben. Die Experten können diese Aussagen in Gänze jedoch nicht bestätigen und im Test zum Teil sogar widerlegen. „Bei unseren Versuchen fanden wir durchaus Beschränkungen aus ‚Bildschirmzeit‘, die auch im unterstützenden Zugriff wirksam sind“, schreibt die Stiftung Warentest dazu. Wie Apple TECHBOOK mitteilt, wolle man diesen Berichten nachgehen.
Die Experten fordern ein höheres Engagement, um den Kinderschutz zu stärken und Eltern eine verlässliche Unterstützung zu bieten. Auch die politischen und gesellschaftlichen Forderungen setzen Apple zunehmend unter Druck. Ob und wann der Konzern die Schwachstellen seiner Kinderschutzfunktion beheben wird, bleibt jedoch ungewiss.
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Was Eltern tun können
Obwohl die Schwächen der Apple-Funktionen erheblich sind, raten die Experten, die vorhandenen Schutzoptionen dennoch zu nutzen. Folgende Maßnahmen können Eltern helfen:
„Unterstützender Zugriff“ anpassen:
Richten Sie den Modus „unterstützender Zugriff“ auf dem Gerät Ihres Kindes selbst ein. Erlauben Sie dort nur die Apps, die Sie für geeignet halten, und sichern Sie den Modus mit einem Code. Wichtig ist, dass Ihr Kind ausschließlich in diesem Modus Zugang zum Gerät hat, da es im normalen Modus Einstellungen ändern kann.
App-Installation kontrollieren:
Stellen Sie ein, dass Ihr Kind keine Apps selbst installieren kann oder nur solche, die eine passende Altersfreigabe besitzen. Diese Einstellung wird auf Ihrem Gerät festgelegt und auf das Kindergerät übertragen. Allerdings sollten Sie vorsichtshalber die Apps separat noch mal auf ihre Tauglichkeit überprüfen, da auch der Jugendschutz im App Store zu wünschen übrig lässt.
Grenzen setzen:
Nutzen Sie die „Bildschirmzeit“-Funktion, um bestimmte Apps zu sperren oder tägliche Nutzungslimits festzulegen. Auch Altersbeschränkungen für Filme, Musik und andere Inhalte lassen sich einstellen.
In-App-Käufe deaktivieren:
Unter „Bildschirmzeit > Beschränkungen > Käufe im iTunes & App Store“ können Sie In-App-Käufe vollständig deaktivieren oder mit einem Passwort schützen, das nur Sie kennen.
Einstellungen anpassen und Funktionalität testen:
Machen Sie sich mit allen Unterpunkten der „Bildschirmzeit“-Funktion vertraut, wie z. B. Kommunikationslimits, und passen Sie diese entsprechend an. Überprüfen Sie im Anschluss, ob die vorgenommenen Einstellungen wie gewünscht funktionieren, bevor Sie das Gerät an Ihr Kind weitergeben.