6. Januar 2023, 16:24 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wer einen Fernseher sein eigen nennt, benutzt aller Wahrscheinlichkeit auch die dazu passende Fernbedienung. Doch in der TECHBOOK-Redaktion gehen die Meinungen auseinander, ob das Eingabegerät noch zeitgemäß ist.
Die erste Fernbedienung für TV-Geräte kam 1950 auf den Markt und war noch direkt per Kabel mit dem Fernseher verbunden. Moderne Modelle benutzen hingegen Bluetooth, Wi-Fi und Bewegungssensoren, um Eingaben auf dem Bildschirm umzusetzen. Nach Meinung von TECHBOOK-Redakteur Adrian Mühlroth ist der nächste Schritt der komplette Verzicht auf eine Fernbedienung. Redakteurin Laura Pomer sieht das allerdings etwas anders …
„Die TV-Fernbedienung hat ausgedient“ – Adrian Mühlroth, TECHBOOK-Redakteur
Vorab muss ich gestehen, dass ich weder einen Smart-TV besitze, noch lineares Fernsehen schaue. Der 55-Zoll-Fernseher im meinem Wohnzimmer dient ausschließlich zum Streamen und fürs Gaming. Warum das meines Erachtens ein wichtiger Punkt dafür ist, weshalb die Fernbedienung mittlerweile überflüssig ist, erkläre ich gleich.
Früher hatte man Fernbedienungen für praktisch alles: TV-Gerät, Empfänger, DVD/Blu-ray-Player, Stereoanlage und vieles mehr. Es war nicht ungewöhnlich, zwei, drei oder sogar noch mehr Kontrollgeräte auf dem Wohnzimmertisch zu haben. Heute sind die Empfänger in den Fernseher integriert, der DVD-Player verschwunden und die Stereoanlage gegen Bluetooth-Lautsprecher oder Smart Speaker ersetzt. Es bleibt in den meisten Fällen also nur noch die Fernbedienung für das TV-Gerät selbst. Doch warum nicht auch dieses Überbleibsel aus einer anderen Zeit aus dem Alltag verbannen?
Wie soll ich dann meinen Fernseher anschalten und bedienen?
Nun, das hängt gänzlich davon ab, wofür man das Gerät verwendet. Ich etwa nutze Google Chromecast, Amazon Fire TV und einen Roku-Stick für Streaming sowie PlayStation 4 und Nintendo Switch für Gaming. Lineares Fernsehen ist für mich schon seit zehn Jahren nicht mehr interessant, weil ich Serien und Filme lieber im Originalton schaue. Doch man muss kein OV-Liebhaber sein, um zu sehen, dass Streaming lineares Fernsehen immer weiter verdrängt. In den USA hat Statista zufolge Streaming 2022 erstmals lineares Fernsehen überstiegen.
Wozu brauche ich also noch eine Fernbedienung mit Kanalwahl, Teletext-Steuerung und zig anderen Knöpfen, von denen ich bei der Hälfte nicht weiß, was sie überhaupt tun. Moderne Fernbedienungen, etwa von Samsung, sind schon gar nicht mehr mit den überladenen Tastenleisten vergleichbar, die früher mit jedem Fernseher kamen. Wenn ich also gänzlich auf die Fernbedienung verzichte, gehe ich nur einen logischen Schritt weiter.
Stattdessen benutze ich mein iPhone, um entweder den Streaming-Stick zu steuern oder einfach direkt Inhalte auf den Fernseher zu werfen. Das klappt einwandfrei und ich muss nicht ständig eine Fernbedienung herumliegen haben. Was auch gut ist, denn so kann mein eineinhalbjähriger Sohn sie nicht irgendwo verstecken. Einzig das Anschalten des Fernsehers erweist sich bislang noch als Problempunkt, denn dafür ist bei meinem älteren Fernseher noch ein Infrarotsignal nötig. Momentan benutze ich entweder ein Android-Smartphone mit Infrarotsender zum Einschalten oder hole kurz die Fernbedienung für den Roku oder Fire TV aus dem Schrank – nur um sie so schnell wie möglich wieder zu verstauen.
Die Tage der TV-Fernbedienung sind gezählt
Gerade erst hat das Unternehmen Displace einen Fernseher auf der CES 2023 vorgestellt, der komplett ohne Fernbedienung auskommt. Die Steuerung erfolgt stattdessen über eine ausfahrbare Kamera und Luftgesten wie Wischen und Scrollen. Roku hat auf der CES zudem eigene Fernseher angekündigt, die komplett über das Smartphone steuerbar sind. Viele andere Hersteller ermöglichen bereits jetzt schon die Bedienung per Sprachbefehl.
All diese Dinge machen die Interaktion mit dem TV-Gerät natürlicher, als es eine Fernbedienung mit festgelegten und unveränderlichen Knöpfen je könnte. Ein Smartphone kann die Schaltflächen je nach gezeigten Inhalten anpassen. Die Eingabe per Sprache oder Gesten ist ohnehin viel natürlicher, aber bislang nicht ausgereift genug, um wirklich verlässlich zu funktionieren. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft kommen wir aber an den Punkt, an dem diese Technologien die Fernbedienung ersetzen können. Ich mache derweil schon mal den Anfang.
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„Ich will die TV-Fernbedienung nicht missen“ – Laura Pomer, freie Redakteurin bei den BOOKs
Wer die Fernbedienung hält, hat „die Macht“. Mit diesem Wording bin ich jedenfalls groß geworden. Und diese Macht möchte ich nicht abgeben.
Den TV ein- bedeutet für mich gleichzeitig, ein wenig abzuschalten. Den Tag hinter mir lassen, die Arbeit oder auch privaten Stress vorerst vergessen. Ich setze mich auf meine gemütliche Couch, um mich aktiv berieseln zu lassen – und ja, manchmal kann mir das lineare Fernsehprogramm dabei sogar helfen. Mitunter finde ich beim Zappen durch die Kanäle etwas, das mich interessiert. Wenn nicht, schalte ich zum nächsten. Wenn ich dann doch lieber streamen will, dann geht das mit meiner Fernbedienung. Ich scheue übrigens auch nicht davor zurück, noch eine zusätzliche (für den Fire-TV-Stick) in die Hand zu nehmen.
Manchmal ist die einfachste Lösung (für mich) die beste
Es leuchtet schon ein, dass die Industrie immer weiter voranschreitet, um alles rund ums Home-Entertainment „zu vereinfachen“. Dass TV-Geräte bald ohne Fernbedienung auskommen werde, ist also wenig überraschend. Aber muss wirklich alles immer einfacher werden? Und vor allem: Ist es das überhaupt?
Derzeit geht Fernsehen ohne haptische Fernbedienung nur, wenn man stattdessen eine TV-Remote-App nutzt. Dafür müsste ich einerseits die xte Anwendungssoftware auf mein Smartphone herunterladen – und dafür regelmäßig Software-Updates. Ganz davon abgesehen hab ich mein Smartphone oft genug in Gebrauch. Spätestens wenn ich eine Serie angefangen hab, der ich meine vollste Aufmerksamkeit widmen will, lege ich es möglichst weit weg. Ich will es nicht als alternative Fernbedienung verwenden, und übrigens meinen Fernseher zwecks etwaiger Sprachsteuerung auch nicht anschreien müssen.
Meine bescheidene Meinung mag etwas rückschrittlich sein. Wahrscheinlich können sich mehrheitlich ältere Leser damit identifizieren, die technischen Fortschritt zwar spannend und oftmals nützlich finden mögen, doch manchmal eher kompliziert. Ebenso die Funktionsweise von TV-Remote-Apps und Co. ist natürlich höchst diffizil. Damit Nutzer ihren Fernseher ohne Fernbedienung steuern können, arbeiten Hersteller mit unterschiedlichen Connectivity-Standards, und je mehr Schritte in einem Prozess involviert sind, desto mehr kann schiefgehen. Fernsehen bedeutet Offline-Zeit, hier hat das Risiko auf einen System-Crash wirklich nichts verloren. Dagegen funktioniert die klassische Fernbedienung über Infrarotstrahlen, die schlichtweg durch Betätigen der Tasten an das Empfangsteil des Fernsehers gesendet werden. Dafür benötigt sie nichts weiter als ausreichend Batterie, dies dankt sie mit einer extrem langen Lebensdauer. Und das hoffentlich noch in entfernter Zukunft.