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Einst ein Unternehmen mit Weltruf

Was wurde eigentlich aus dem TV- und Radio-Hersteller SABA?

SABA war auf der Messe „Hifivideo 84“ einer der großen Aussteller. Heute gibt es das Unternehmen in seiner damaligen Form nicht mehr
SABA war auf der Messe „Hifivideo 84“ einer der großen Aussteller. Heute gibt es das Unternehmen in seiner damaligen Form nicht mehr Foto: picture alliance / SZ Photo | Manfred Vollmer
Andreas Kötter
Freier Redakteur

27. Juni 2024, 8:11 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Die erste und bis heute einzige deutsche Sommer-Olympiade nach dem 2. Weltkrieg stand bevor. München 1972, mit Stars oder solchen, die es während der Spiele werden sollten, wie Hochspringerin Ulrike Meyfarth, Weitspringerin Heide Rosendahl oder Speerwerfer Klaus Wolfermann. Grund genug, endlich einen Fernseher anzuschaffen, fand der Vater des Autors. Und dieses erste Fernsehgerät war selbstverständlich ein SABA. Ein weiß lackierter, mordschwerer Kasten mit Tragebügel und einer damals üblichen Bild-Diagonale von vielleicht 27 Zoll, und natürlich noch mit Schwarz-weiß-Bild.

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Warum die Wahl auf ein SABA-Gerät gefallen war? Ganz einfach, weil SABA zu jener Zeit Weltruf genoss. Im idyllischen Schwarzwald, in Villingen, wurden damals TV-Geräte, aber zum Beispiel auch Radios und Kassettenrekorder gebaut. Und die konnten mit den Produkten anderer Hersteller allemal mithalten, waren meist der Konkurrenz sogar überlegen.

Seinen Ursprung hatte das Unternehmen nicht in Villingen, sondern in Triberg (heute Triberg im Schwarzwald) einer kleinen Ortschaft, etwa 30 Kilometer südöstlich von Villingen. 1835 hatte Joseph Benedikt Schwer dort eine Uhrenfabrik gegründet, die mit dem Eintritt seines Sohnes ab 1865 ihre Ausrichtung änderte und nun den Namen August Schwer Söhne Metallwaren-Fabrik trug. Der Name SABA selbst aber sollte erstmals 1923 auftauchen, als man sich darauf spezialisierte, Bauteile für Radiogeräte herzustellen. SABA – das ging deutlich leichter von der Zunge und war einprägsamer als „Schwarzwälder Apparate-Bau-Anstalt“.

Fehlgriff Kühlschrank

Längst leitete jetzt Hermann Schwer, der Enkel des Firmengründers, die Geschicke der Firma. So wurden ab 1926 Radio-Bausätze angeboten, und bereits ein Jahr später startete die Produktion von fertigen Radio-Apparaten. Dass man schon damals hohe Ziele verfolgte, belegt eine Werbebroschüre aus jener Zeit. „In unserer Firma gilt, vom Ersten bis zum Letzten, nur die eine Losung: SABA in der Welt voran“, heißt es da. Ein Slogan, der sich bestätigen sollte: 1935 war SABA hinter Telefunken Deutschlands zweitgrößter Produzent von Radiogeräten. Aber auch ein Slogan, der aus heutiger Sicht manch einen vielleicht an die Diktion der Nationalsozialisten erinnern könnte. Tatsache ist jedenfalls, dass auch SABA, wie so viele deutsche Unternehmen während des 2. Weltkriegs, die Rüstungsindustrie unterstützte. So produzierte man nun u. a. Funkgeräte für Panzer, und auch SABA ließ Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen für das Unternehmen schuften.

Das Modell „Schauinsland“ von SABA
Das Modell „Schauinsland“ von SABA Foto: picture alliance / VisualEyze | Nikky

Nach dem Krieg produzierte SABA zunächst Fernsprecher für die Deutsche Bundespost, erst ab 1947 wurde die Produktion von Radiogeräten wieder aufgenommen. Zudem versuchte sich das Unternehmen, seit 1949 eine GmbH, nun auch an der Produktion von Kühlschränken. Schon bald aber sollte sich zeigen, dass man in diesem Bereich mehr schlecht als recht reüssieren konnte. So gab man die Kühlschrank-Produktion 1957 auf. Zwar hatte man mit dem Modell „Schauinsland W II“ bereits 1953 den ersten serienmäßigen SABA-Fernseher vorgestellt. Den nun beginnenden Goldrausch in Sachen Fernseh-Produktion aber hätte man dennoch beinahe verpasst. Wahrscheinlich hatte erst die Einstellung der Kühlschrank-Produktion die notwenigen Kapazitäten freigesetzt.

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SABA zählt jetzt zur Königsklasse

Jetzt aber lief die SABA-Maschinerie auf Hochtouren. So wurde unter anderem in Friedrichshafen ein neues Werk für die Produktion von Tonbandgeräten eingeweiht. 1964 folgte mit dem SABAmobil ein tragbarer Kassettenrecorder. SABA-Produkte zählten nun zur Königsklasse. Die sogenannte „Musiktruhe“ mit Radio, Plattenspieler und Lautsprechern, etwa das Modell „Breisgau“, wurde in Anlehnung an die gleichnamige biblische Figur als „Königin von SABA“ bekannt. Und ab 1967 produzierte man auch Farbfernsehgeräte. Nichts schien SABA in diesen Jahren noch aufhalten zu können. Arbeitsplätze bei SABA waren heiß begehrt, nicht nur wegen der guten Löhne, sondern weil sich das Familien-Unternehmen als eines mit sozialem Anspruch erwies. So wurde zum Beispiel in Meersburg am Bodensee ein SABA-Erholungsheim eröffnet, und auch die SABA-eigene Kantine war damals keine Selbstverständlichkeit. Kurzum: den selbsternannten „Sabanesen“ ging es gut.

Bedingt durch die erste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit rutschte SABA dann aber wie viele deutsche Unternehmen in die Verlustzone ab und benötigte frisches Kapital. Dies führte zu einer folgenschweren, strukturverändernden Entscheidung. Am 26. Januar 1968 verkaufte man 85 Prozent der SABA-Anteile an den amerikanischen Nachrichtentechnik-Konzern GTE International (General Telephone & Electronics Corporation), wie die Autorin Annemarie Conradt-Mach in ihrem Artikel „SABA – Vom Familienbetrieb zum Spielball der Konzerne“ zu berichten weiß. Es folgten (zunächst weniger, später mehr) fremdbestimmte Jahrzehnte, während denen man bei SABA die Auswirkungen der Globalisierung in aller Härte zu spüren bekommen sollte, noch bevor dieser Begriff überhaupt erfunden worden war.

„GTE will uns vergesse, Thomson will uns fresse!“

Trotz der ungleichen Partnerschaft geriet SABA Anfang der 1970er-Jahre erneut in finanzielle Schwierigkeiten. Geschuldet waren diese vor allem einer veritablen Fehlentscheidung des Managements, dem mittlerweile Hans Georg Brunner-Schwer vorstand. Von diesen Schwierigkeiten würde sich SABA nie mehr ganz erholen, wie man heute nur allzu gut weiß. Denn geradezu desaströs war eine Entscheidung im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 1974, von der sich die Fernsehindustrie per se einen regelrechten Farbfernseh-Boom versprach. SABA geriet damals wegen schlechter Planung unter immensen Zeitdruck, sodass man Farbfernseher in die Fertigung gab und damit auch in den Verkauf brachte, die zuvor bestenfalls unzureichend getestet worden waren.

Natürlich kam es, wie es kommen musste: Schon nach kurzem Betrieb fielen bei den Kunden die von der Konzerntochter Sylvania gelieferten Bildröhren aus. Das in fünf Jahrzehnten sorgsam aufgebaute, „hervorragende Markenimage“, so Herrmann Brunner-Schwer, erlitt einen immensen Schaden. Hohe finanzielle Verluste waren die Folge. Hatte man 1973 noch einen Jahresüberschuss von 6,7 Millionen Mark erzielt, gab es bereits 1974 einen Fehlbetrag von 25 Millionen Mark. Brunner-Schwer sprach damals von einer „tiefen Krise“.

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Der selbsternannte französische Job-Killer

So folgte 1980 der nächste Verkauf, diesmal an den französischen Thomson-Brandt-Konzern. Dieser hatte sich 1978 mit Nordmende bereits einen weiteren deutschen TV-Geräte-Hersteller einverleibt und war nun der zweitgrößte Hersteller von Elektrogeräten in Frankreich. Auf einer in die Unternehmensgeschichte eingegangenen SABA-Betriebsversammlung am 27. März 1980 bilanzierten die frustrierten Angestellten damals plakativ: „GTE will uns vergesse, Thomson will uns fresse!“ Damit hatte man den Nagel auf den Kopf getroffen, ging Thomson-Brandt doch noch einmal deutlich rigoroser vor als zuvor GTE. Stellenabbau, Entlassungen und schließlich auch die Verlegung der Produktion ins Ausland waren die Folge des Verkaufes.

Aus einstmals 4000 Beschäftigten blieben zunächst nur etwa 2400. Lediglich die Entwicklungsabteilung verblieb in Villingen. Zwar würde die Marke SABA noch bis 2016 existieren, das Unternehmen selbst aber hörte in den Folgejahren auf geradezu inflationär verwendete Kürzel: SEWEK, DEWEK, EWD, TTG, DTB sowie TTE.

Dass das 150-Jahre-Jubiläum des Unternehmens im Oktober 1985 alles andere als ein Freudenfest wurde, dafür sorgte Thomson-Brandt mit der Ankündigung weiterer Umstrukturierungen. Schon am 20. Dezember 1985, gleichsam als vergiftetes Weihnachtsgeschenk der Franzosen, wusste der „Südkurier“ zu berichten: „Wenn die Einschätzungen von Insidern zutreffen ist das (die neuerlichen Umstrukturierungen; Anm. d. Red.) der Anfang einer Entwicklung, an deren Ende die Aufgabe der Standorte Villingen und St. Georgen stehen könnte.“

In den folgenden Monaten lies Thomson-Brandt die Mitarbeiter aber ganz bewusst noch im Unklaren. Erneut der Südkurier kommentierte: „Diese Salamitaktik gehört ebenso seit vielen Jahren zu den unternehmerischen Strategien von Thomson wie die dem Stil des Hauses angepassten, wachsweichen Erklärungen, die genauso verschachtelt sind wie die Firmenkonstruktionen innerhalb des Konzerns. Dass die Verantwortlichen damit ein makabres wie skandalöses Spielchen gleichzeitig treiben, scheint sie kaum zu stören. Aber wen wundert das bei einem Konzernboss (Alain Gomez; Anm. d. Red.), der auch öffentlich noch prahlt: ‚Das Image des Jobkillers gehört bei meinem Job dazu.‘“

Produktionsstandort wird verlegt

Und diesem Image wurde Gomez auch gerecht. Trotz eines hohen Automationsgrades in Villingen, das damit eigentlich noch immer ein rentabler Standort war, hat man 1988 die Produktion ins niedersächsische Celle verlegt. Und 1993 wurde den in Villingen verbliebenen Beschäftigten angeboten, ihren Arbeitsplatz von Villingen nach Hannover zu verlegen.

Die wenigsten aber nahmen dieses Angebot an. Selbst eine Fördersumme des Landes Baden-Württemberg von etwa 14 Millionen Mark konnte die Pläne der Franzosen nicht verhindern. Der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel musste feststellen: „Die wirtschaftliche Situation im Raum Villingen-Schwenningen ist dramatisch.“ Die Arbeitslosigkeit sei die höchste im Land, viele Unternehmen müssten Personal abbauen oder kämpften bereits ums Überleben. Teufel befürchtete sogar, dass Thomson den Standort Villingen ganz aufgegeben würde, so Conradt-Mach. Beinahe folgerichtig meldete im Februar 1993 das Arbeitsamt, dass das einst vor Beschäftigten geradezu strotzende Villingen „landesweit die höchste Zahl an Arbeitslosen“ habe. Und der Oberbürgermeister der Stadt, Dr. Gebauer, nannte den „schwierigsten Zustand seit 1945“.

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Die Chinesen treiben SABA generalsstabmäßig in die Insolvenz

Aber es sollte noch viel schlimmer kommen. Denn 2004 übernahm die chinesische TCL- Gruppe Zweidrittel der Anteile und stieg damit zum weltgrößten Hersteller von Fernsehgeräten auf. Der Name des neuen Unternehmens: TCL Thomson Electronics (TTE). Conradt-Mach weiß zu berichten, dass die Chinesen nur „am Fachwissen der Schwarzwälder Ingenieure interessiert“ waren, ihnen das Unternehmen selbst aber völlig gleichgültig war. Während 2004 bei TTE noch 125 hochqualifizierte Ingenieure und Techniker beschäftigt waren, wurden 2005 38 von ihnen bereist entlassen. Und 2006 wurde schließlich die Insolvenz beim Villinger Amtsgericht beantragt, die Gehaltszahlungen für die verbliebenen Mitarbeiter wurden eingestellt. Die TCL-Verantwortlichen hatten das Unternehmen mit geradezu generalstabsmäßiger Planung in die Insolvenz getrieben.

Bereits kurz zuvor waren die aktuellen Forschungs- und Entwicklungsunterlagen samt Geschäftsführer nach China verschwunden. Wenn man von dort überhaupt einmal auf Mails oder Briefe reagierte, dann waren diese Antworten geradezu empörend in ihrer Ausrichtung und damit ein Schlags ins Gesicht der einstigen Sabanesen. Die Situation sei nun einmal so, man solle sich doch an den deutschen Sozialstaat wenden, für den TCL in der Vergangenheit ja auch seinen Beitrag geleistet habe, hieß es da zum Beispiel. SABA, einst Hersteller der qualitativ vielleicht besten Fernseher Deutschlands, endgültig Geschichte.

Themen Geschichte
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