13. Oktober 2024, 13:03 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Vom Fernseher, über Kühlschränke bis hin zur Waschmaschine – der südkoreanische Hersteller LG bietet eine breite Palette an Geräten. Doch wie wurde das Unternehmen eigentlich so groß, wer steckt dahinter – und wofür steht die Abkürzung LG?
Nokia, der Erfinder des kultigen 3310-Mobiltelefons, versucht in seinen unternehmerischen Anfängen die Welt mit Gummistiefeln und Fahrradreifen zu erobern. Ähnlich beginnt die Geschichte des Mischkonzerns LG aus Südkorea. LG symbolisiert heute den Slogan „Life’s Good“. Ursprünglich stehen die beiden Buchstaben lange Zeit für Lucky Goldstar. Moment, Goldstar? Da dämmert es vermutlich bei einigen älteren Semestern. Diese Marke gehört lange Zeit zu den weltweit führenden Anbietern im Bereich der Unterhaltungselektronik. Doch der Reihe nach: Ganz am Anfang steht „Lucky Cream“, eine Gesichtscreme.
Übersicht
Start als Kosmetikfirma
Um seine neu entwickelte Gesichtskosmetik unters Volk zu bringen, gründet der südkoreanische Geschäftsmann Koo In-Hwoi im Jahr 1947 die Firma „Lucky Chemical Industrial Co.“. Die Creme, die Gesichtshaut zarter machen soll, entwickelt sich rasch zum Verkaufsschlager für den Familienbetrieb.
Allerdings sucht die Firma von Anfang an eine geeignete Verpackung für das weiße Wundermittel. Zu dieser Zeit, in den frühen 1950er-Jahren, macht die Produktion von Kunststoffverpackungen große Fortschritte. Da Cremes und Kunststoffe in weiten Teilen aus den gleichen Grundstoffen bestehen, produziert Lucky Chemical den Kunststoff kurzerhand selbst.
So hat das Unternehmen nicht nur einen passenden Tiegel für seine Gesichtscreme gefunden, sondern erweitert gleichzeitig das eigene Produktangebot um weitere Artikel wie beispielsweise Bad-Deko, Kämme, Seifenbecher und Zahnbürsten. Mit diesen und weiteren Badartikeln macht Lucky Chemical in den 1950er-Jahren ein enorm gutes Geschäft.
Goldstar – der neue Stern am Himmel
Es ist die Zeit der Boomjahre. Ständig kommen neue Produkte auf den Markt. Vor allem Radios und TV-Geräte erfreuen sich weltweit einer wachsenden Nachfrage. Um die neuen Empfänger zu bauen, braucht es auch viel Kunststoff. Hier wittert Lucky Chemical plötzlich ein Geschäftspotenzial.
Allerdings begnügt sich das Familienunternehmen nicht nur damit, den Kunststoff für die Herstellung der Geräte zu liefern. Die Firmenlenker stellen auch die notwendigen Techniker ein und bauen die neuen Sterne am Himmel der Unterhaltungselektronik gleich selbst. Sinnigerweise wählt die Lucky Chemical für das neu gegründete Tochterunternehmen den Namen Goldstar.
Ab den 1960er-Jahren konzentriert sich das Unternehmen zunächst auf die Produktion von Rundfunkempfängern. Später deckt Goldstar den gesamten Bereich der Unterhaltungselektronik mit Fernsehern, Videorekordern und -kameras ab.
Der heimische Markt reicht irgendwann nicht mehr aus. Wie viele andere asiatische Unternehmen expandiert Goldstar in den 1970er-Jahren und erobert zunehmend auch den europäischen und US-amerikanischen Markt.
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Die Geburt von LG Electronics
Zu diesem Zeitpunkt produzieren die Südkoreaner immer noch ihre klassischen Kunststoffprodukte. Allerdings macht inzwischen die Tochtergesellschaft Goldstar den Großteil des Umsatzes aus. Neben Hi-Fi- und Videogeräten tauchen unter dem Markennamen Goldstar nun auch Kühlschränke, Waschmaschinen oder Staubsauger in den Geschäften auf.
Um diese verschiedenen elektronischen Geräte unter ein Dach zu bekommen, entscheidet sich das Unternehmen im Jahr 1995 für einen Namenswechsel. Die Südkoreaner wählen den Namen LG Electronics.
Zum ersten Mal tauchen in der Firmenhistorie die beiden Buchstaben L und G auf. LG steht zunächst als Abkürzung für Lucky Goldstar. Aus Marketinggründen wechselt die Bezeichnung im Jahr 2005 erneut. Seitdem verbindet das Unternehmen die Buchstaben mit dem Slogan „Life’s Good“.
Wie LG eine URL teuer erkauft
Um L und G tobt übrigens ein jahrelanger Streit im Internet. Denn der Konzern firmiert im Netz zunächst unter www.lg.net, nur die zweitbeste Lösung, um online gefunden zu werden. Die deutlich bessere URL www.lg.com gehört lange Zeit dem damals renommierten US-amerikanischen Architekturbüro Lockwood Greene.
Als die Architekten die Domain im Jahr 2008 verkaufen, fackelt der britische Fußballprofi Andy Booth nicht lange und erwirbt die freigewordene Domain. Angeblich möchte der Kicker von Huddersfield Town unter der URL eine Fußballseite im Netz etablieren. Um das einigermaßen glaubhaft nach außen zu verkaufen, verpasst der Fußballer dem Kürzel LG den Namen „Life Games“.
Wahrscheinlicher dürfte allerdings diese Story sein: Andy Booth weiß um die Gewinnspanne beim Handel mit bestimmten Domains. Vermutlich hat der Fußballer sehr genau verfolgt, wie lange LG schon versucht, die Rechte an www.lg.com zu erlangen.
In der Folge erweist sich die URL tatsächlich als ertragreiche Geldquelle für Andy Booth. Denn im Jahr 2009 unterbreitet LG dem Fußballer ein Angebot, das dieser unmöglich ablehnen kann. Die Medien berichten „von der teuersten Domain-Transaktion der Geschichte“. Wie im Sport üblich spricht man selbstverständlich nicht über Ablösesummen. Doch mit Sicherheit ist bei dem Domainverkauf ein Betrag im sechsstelligen Bereich über den Tisch gewandert.
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LG-Smartphones bleiben nur eine Episode
Inzwischen zahlt LG einen solchen Betrag allerdings vermutlich aus der Portokasse. Denn die weltweiten Umsätze bewegen sich längst weit im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich. Neben den Produkten aus dem Bereich Unterhaltungselektronik haben auch CD-ROM-Laufwerke, Notebooks oder PC-Monitore zu diesem enormen Erfolg beigetragen. Ab Mitte der 2000er-Jahre versucht LG zudem dem Konkurrenten aus dem eigenen Land im Bereich Mobiltelefone Konkurrenz zu machen. Samsung hat damals noch nicht die dominierende Marktposition, die das Unternehmen heute einnimmt.
Lange Zeit bewegen sich beide Anbieter auf Augenhöhe. Doch Samsung schafft es mit einer aggressiven Produktpolitik und ständig neuen Smartphone-Modellen deutlich schneller als LG, relevante Märkte zu erobern. Deswegen trifft LG im Jahr 2021 die Entscheidung, aus diesem Geschäft auszusteigen.
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LG hat die Zukunft im Visier
Dennoch zählt die heutige LG Group zu den fünf größten südkoreanischen Unternehmen und gehört zum Kreis der sogenannten Jaebeols. So heißen in Südkorea große Familienunternehmen, die meist aus verschiedenen Sparten bestehen, oder kurz: Mischkonzern.
Was vor über 70 Jahren als kleine Familienfirma und einer Gesichtscreme angefangen hat, bildet heute ein weltumspannendes Unternehmensnetzwerk, das Menschen in allen Lebenslagen mit Produkten versorgt. Bis heute ist das Unternehmen zudem in Familienbesitz und wird aktuell durch Koo Gwang-mo in vierter Generation geführt.
Und die Geschichte ist noch lange nicht beendet. Denn LG erfindet sich immer wieder neu. Bereits heute richten die Südkoreaner den Blick in die Zukunft und nehmen die nächsten Geschäfte ins Visier: Elektromobilität und Robotertechnik.