25. November 2016, 15:29 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Blizzard zählt zu den erfolgreichsten Games-Herstellern der Welt: Seit 25 Jahren veröffentlicht das Unternehmen aus Kalifornien Spielehits, darunter „World of Warcraft“ und „Diablo“. Dabei fing alles mal ganz klein an. TECHBOOK hat Blizzard-Gründer Frank Pearce zum exklusiven Interview getroffen.
Als Frank Pearce und seinen zwei Studentenkumpels die Idee kam, Spiele zu programmieren, war die Gaming-Welt eine andere. Super Mario war das Maß aller Dinge, die PlayStation existierte nur in den Vorstellungen einiger Sony-Bosse und an Microsofts Xbox war noch lange nicht zu denken. Spiele waren Zeitvertreib für Kinder und Nerds. Heute spielt der Großteil der Gesellschaft – ob an Konsole, PC, Tablet oder Smartphone. Professionelle Gamer füllen Stadien und Gaming-Fans treffen sich regelmäßig auf gigantischen Messen.
Vieles davon wäre ohne Blizzard nicht möglich gewesen. Und dementsprechend auch nicht ohne Frank Pearce. Er und zwei Kommilitonen, Mike Morhaime und Allen Adham, taten sich 1991 zusammen und gründeten die heute vielleicht wichtigste Spiele-Firma der Welt. Das Unternehmen schuf mit „World of Warcraft“ das erfolgreichste Online-Rollenspiel aller Zeiten. Es wurde in den vergangenen zehn Jahren von mehr als 100 Millionen Menschen weltweit gespielt und fand 2016 sogar seinen Weg ins Kino. Das neueste Spiel von Blizzard ist der Shooter „Overwatch“ – in einem halben Jahr kauften mehr als 20 Millionen Menschen das Spiel.
Mit der Blizzcon hat Blizzard eine Kult-Gaming-Messe geschaffen, die weltweit als Pilgerort für Nerds gilt und jedes Jahr ausverkauft ist. All das schien einst endlos weit weg, als drei Studenten ihr erstes Büro in Kalifornien bezogen, nicht ahnend, dass sie Geschichte schreiben würden. TECHBOOK hat Frank Pearce zum exklusiven Interview getroffen.
TECHBOOK: Herr Pearce, erzählen Sie mir von Ihrem ersten Treffen mit Mike Morhaime, dem Mitgründer und heutigen Präsidenten von Blizzard.
Frank Pearce: Ich traf Mike am ersten Tag bei Blizzard. Wir waren zwar zuvor auf die gleiche Universität gegangen, aber sind uns nie bewusst über den Weg gelaufen. Die gemeinsame Verbindung war Allen Adham, der dritte Blizzard-Gründer. Er war ein gemeinsamer Freund. Damals, an diesem ersten Tag, trafen wir uns in dem neuen Büro und schlossen gemeinsam Computer an, um Spiele zu programmieren. Ich weiß nicht mehr, wie mein erster Eindruck von Mike war. Aber er kann nicht schlecht gewesen sein. Schließlich blieb ich gerne dabei. Wir waren drei junge Männer, die gleiche Interessen hatten. Wir waren sehr leidenschaftlich, was Technik anging, liebten Spiele. Auch musikalisch waren wir auf einer Höhe. Es war eine tolle Zusammenstellung – viel Leidenschaft!
Den gemeinsamen Freund, Allen Adham, lernten Sie an der Universität kennen. Wie trafen sie beide aufeinander?
Wir gingen beide zur UCLA (University of California, Los Angeles). Ich traf ihn am Ende meines Junior-Jahres. Das muss gegen 1989 gewesen sein. Wir arbeiteten in einem Computer-Labor zusammen, schwänzten aber manchen Kurs zum Thema Künstliche Intelligenz, um in einer Arcade-Halle zu zocken.
Welche Spiele spielte man damals?
Ich hatte während der Studentenzeit gar nicht so viele Möglichkeiten, Games auszuprobieren. Es gab schlicht die Hardware dafür nicht. Heute sind Spiele ja überall verfügbar. Damals war man schon glücklich, wenn man einen Fernseher auf der Bude hatte. Aber in unserer Studentenverbindung gab es einen Arcade-Automaten. Dort spielte ich meistens Spiele wie „Caliber .50“, ein Actionspiel. Oder Pinball. Bevor ich zur Uni ging, spielte ich vor allem an der Intellivison-Konsole. Gab es die eigentlich in Deutschland? Außerdem besaß ich einen Apple II, auf dem ich einiges spielte.
Wann hatte Allen Adham die Idee, Blizzard zu gründen?
Er wusste schon auf der Uni, dass er in erster Linie Games kreieren wollte. Er hatte das schon zuvor in seiner Freizeit gemacht und Kontakte aus Highschool-Zeiten. Sein Masterplan war, an der Uni nicht nur die Ausbildung zu erhalten, sondern vor allem auch die richtigen Leute zu treffen, die schlau waren und eine Leidenschaft für Games hatten. Ich wusste gar nicht, dass das sein großes Ziel war, aber wir freundeten uns an. Sie müssen verstehen: Das war zu einer Zeit, in der es kein Facebook, kein Twitter, noch nicht einmal wirklich E-Mail gab. All die Wege, wie man heute mit Freunden in Kontakt bleibt, gab es noch nicht. Ich habe im Laufe der Jahre zu vielen Leuten von damals den Kontakt verloren, weil man mit einem Telefon anrufen musste, das an der Wand hing. Oder man schickte Briefe per Post. Und als junger Mann in den frühen Zwanzigern hat man auf so etwas keine Lust. Aber mit Allen hielt ich den Kontakt – zum Glück. Während der Ferien 1990 rief ich ihn einfach mal an, um zu hören, wie es ihm ging. Er hatte gerade seinen Abschluss gemacht und sagte nur: „Gut, dass du anrufst. Ich habe da eine Geschäftsidee, lass uns mal miteinander reden.“ Bei einem gemeinsamen Abendessen erzählte er mir dann, dass er Games programmieren und mit mir zusammenarbeiten wollte. Für mich war das eine einfache Entscheidung: Ich war jung. Was war das Risiko? Es gab mir die Möglichkeit, etwas auszuprobieren, was ich liebte. Und das einzige Risiko war, dass es nicht funktionieren und ich mir einen anderen Job suchen würde. Man hat nur selten in seinem Leben die Chance, etwas beruflich zu machen, was man liebt. Ich ergriff die Chance.
Kurze Zeit später gab es dann das Treffen mit dem dritten Gründer, Mike Morhaime, in den ersten Büros von Blizzard. Welche Erinnerungen haben Sie an das erste Büro?
Allen mietete die Räume in Irvine. In der gleichen Stadt, in der noch heute unser Hauptsitz ist. Ich fahre an dem Gebäude immer noch ständig vorbei. Wir hatten rund 60 Quadratmeter für drei Büros. Ich saß dort, wo eigentlich die Rezeption sein sollte und war somit meist das erste, was Besucher zu Gesicht bekamen. Nicht die beste Entscheidung in meinen Augen (lacht). Dahinter war Allens Büro und dann das von Mike, das er sich schnell mit weiteren Mitarbeitern teilte. Es gab ein einziges Telefon und das hing an der Wand. Meist ging ich ran. Damals arbeiteten wir auf dem Commodore Amiga, weil wir anfangs vor allem Commodore-Ports für eine Firma namens Interplay Productions machten.
Zuerst hieß das Unternehmen nicht Blizzard, sondern Silicon & Synapse. Ein etwas seltsamer Name, wenn man mich fragt…
Der Name kam von Allen. Seine Idee war es, im Namen eine Verbindung herzustellen zwischen Technologie und dem kreativen Element des Gehirns, denn letztlich sind Spiele eine Kunstform. Aber der Name war definitiv nicht gut. Das Logo sah aus wie eine Rosine mit Sonnenbrille und Beinen. Es machte überhaupt keinen Sinn. Zu dem Zeitpunkt gab es außerdem in Amerika eine großer Marketing-Kampagne für California Raisins mit einer Rosine, die Sonnenbrille und Beine hatte. Unser Logo sah genau so aus. Leute fragten uns, warum wir California Raisins auf unseren Visitenkarten hatten. Also änderten wir den Namen in Chaos Studios. Das ging allerdings auch nicht, weil der Name bereits geschützt war. Irgendwann endeten wir bei Blizzard und waren alle zufrieden. Damit waren viele Wortspiele möglich, das gefiel uns.
Anfangs arbeitete Blizzard ausschließlich daran, Spiele für andere Systeme zu portieren. Wann erkannten Sie, dass Blizzard auch eigene Spiele entwickeln sollte?
Allen wollte sofort eigene Spiele erstellen, aber auch er musste einsehen, dass uns dafür anfangs die Ressourcen fehlten. Also machten wir diese Portierungen. Das ging einfach, schnell und bezahlte unsere Rechnungen. Außerdem war es eine tolle Möglichkeit, viel zu lernen. Mike und ich hatten beiden zuvor noch nie Software für Spiele geschrieben. Ich war also noch gar nicht mit den Methoden vertraut. Mit den Portierungen lernten wir all das. Als wir schließlich unser erstes Spiel für den Super Nintendo entwickelten, half uns dieses Wissen enorm.
Was war das erste Spiel, das Sie entwickelten?
Für Super Nintendo entwickelten wir ein Spiel namens „RPM Racing“. Das war eine Adaption eines Commodore-Rennspiels. Keine Ahnung, ob man das unser erstes eigenes Spiel nennen kann. Danach folgten „Rock & Roll Racing“ und „The Lost Vikings“. Diese beiden Spiele erschufen wir komplett selbst – und gewannen sogar Preise für sie.
Dennoch: Der wirkliche Durchbruch war das erste Strategiespiel der „Warcraft“-Reihe oder nicht?
Ich glaube, dass es in der Geschichte von Blizzard mehrere Durchbrüche gab. Jedes Mal haben wir eine weitere Barriere durchbrochen. „Warcraft“ war ein wichtiger Durchbruch, denn es war unser erstes eigenes PC-Spiel und wurde unglaublich gut aufgenommen. Hunderttausende spielten das Game. Aus heutiger Sicht ist das wenig, aber damals, 1994, war das gigantisch. Für uns war das ein Schlüsselmoment, denn es half uns, Blizzard auf dem PC-Markt zu etablieren. Der nächste Durchbruch war „Diablo“. Mit „Diablo“ kam unsere Spieleplattform Battle.net und platzierte uns im Online-Raum. Schließlich folgte unser Science-Fiction-Strategiespiel „Starcraft“, das uns global Aufmerksamkeit bescherte. Zuvor waren wir vor allem in einzelnen Märkten bekannt. Deutschland zählte übrigens dazu. Ich gehörte damals zu den Leuten, die sich um die deutsche Version von „Warcraft“ bemühten. Das Spiel war sehr beliebt dort.
Die Faszination für „Warcraft“ ist bis heute ungebrochen, die Marke hat es mittlerweile sogar ins Kino geschafft. „Warcraft“ erzählt die Geschichte des Kriegs zwischen Orks und Menschen. Warum kam das damals so gut an? Warum ist das noch heute so beliebt?
Ich glaube nicht, dass man sich da nur einen Aspekt herauspicken kann. In einer Zeit, in der man vor allem gegen den Computer spielte, war es bestimmt aufregend, dass man „Warcraft“ gegen andere Menschen spielen konnte. Dadurch bildete sich schnell eine Community. Die Musik war gut, die Story gefiel den Leuten. Sie trifft den Geschmack von Gamern und Tolkien-Fans einfach. Die Geschichte war damals eine Gemeinschaftsarbeit. Alle Entwickler arbeiteten irgendwie mit daran. Heute gibt es für jedes Spiel eigene Autoren, ganze Abteilungen, die sich nur um so etwas kümmern.
Der Höhepunkt in Blizzards Geschichte ist wohl die Veröffentlichung von „World of Warcraft“, dem erfolgreichsten Online-Rollenspiel aller Zeiten. Welche Erinnerungen haben Sie an die Entwicklung des Spiels, das auch zehn Jahre später noch von mehreren Millionen Menschen gespielt wird?
Wir waren damals inspiriert von Spielen wie „Ultima Online“ und „Everquest“, denn wir entwickelten ja nicht nur Spiele, sondern zockten selbst viel. An „World of Warcraft“ arbeitete das größte Entwickler-Team in der Geschichte unseres Unternehmens. Wir wussten nicht, worauf wir uns einlassen. Parallel arbeiteten wir an „Warcraft 3“ – eine anstrengende Zeit. Unser Ziel war es, mit „World of Warcraft“ eine bessere Online-Rollenspiel-Erfahrung zu erschaffen. Richtig verrückt wurde es aber erst zum Start. Es gab mehr Nachfrage, als wir es uns jemals vorgestellt hatten. Unser Serverkapazitäten, die für ein Jahr reichen sollten, waren nach drei Monaten restlos ausgeschöpft. Die ersten neun bis zwölf Monate arbeiteten wir nur daran, die Infrastruktur zu verbessern. Wir mussten unsere Notfall-Server einsetzen, waren also im Falle einer Katastrophe ohne Sicherheitsnetz unterwegs. Total verrückt, aber eine lustige Zeit.
Heute ist Blizzard ein Milliarden-Unternehmen, einer der größten Spiele-Hersteller der Welt und veranstaltet eigene Conventions. Alles richtig gemacht oder gibt es aus heutiger Sicht Fehler, die Sie gerne ändern würden?
Ich finde, es ist immer einfach zurückzuschauen und zu behaupten, man hätte dieses und jenes besser machen können. Kennen Sie den Butterfly-Effekt? Daran glaube ich. Wir haben das Glück, dass wir viele leidenschaftliche Leute erreichen. Ich hätte Angst, irgendwas daran zu ändern. Ein Beispiel: Angenommen wir würden zurückgehen und genügend Kapazitäten für den Start von „World of Warcraft“ bereitstellen, also 2004 die dreifache Menge Server aufstellen, dann wäre es damals vielleicht nicht so viral gegangen. Damals hieß es überall: „Dieses Spiel ist so beliebt, dass es völlig überlastet ist und neue Spieler kaum eine Chance haben reinzukommen.“ Das hat mit Sicherheit geholfen. Ich würde nichts ändern.
Als Sie anfingen, Games zu entwickeln, gab es diesen gigantischen Industriezweig noch nicht. Heute kommen junge Leute viel leichter in die Branche. Ihr Tipp für junge Menschen, die wie sie und ihre beiden Studienfreunde einmal Games entwickeln möchten?
Fang heute an! Wenn ihr Games liebt, dann startet sofort. Es gibt genug technische Möglichkeiten, um sein eigenes Ding zu machen. Vieles davon ist frei verfügbar. Wenn das deine Leidenschaft ist, dann baue ab sofort dein Portfolio auf für das Job-Interview, das du in einigen Jahren haben wirst.