12. Juli 2021, 21:06 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Übelkeit, kalter Schweiß. verschwommene Sicht. Spielen in der virtuellen Realität kann schnell von einem eindrucksvollen Gaming-Erlebnis zum Horror-Trip werden. TECHBOOK erklärt die Ursachen und Gegenmittel für die VR-Krankheit.
Seit dem Start der Playstation VR hat Virtual Reality (kurz VR) immer mehr Fahrt aufgenommen. Viele Unternehmen investieren mittlerweile in die Zukunftstechnologie, wie etwa Microsoft und Facebook. Neue Geräte werden am laufenden Band angekündigt und mittlerweile sind auch einige günstige Geräte wie die Oculus Go auf dem Markt. Obwohl die Entwicklung schnell voranschreitet, konnte ein großes Problem noch nicht gänzlich gelöst werden: Übelkeit durch VR-Spiele. Sie zwingt Spieler oft schon nach kurzer Zeit zu einer Pause.
Übersicht
Visually Induced Motion Sickness – kurz: VIMS – nennt sich diese kurzzeitige, durch VR-Spiele verursachte Übelkeit, die von widersprüchlichen Signalen von Augen und Innenohr ausgelöst wird, die das Gehirn nicht so recht zu interpretieren weiß. Während den Augen eine Bewegung des Körpers im Raum vorgegaukelt wird, vermeldet der Gleichgewichtssinn Stillstand – dieser Konflikt kann zu Übelkeit führen.
Aber was tun, wenn man anstatt zu zocken, die Zeit mit kaltem Schweiß auf der Stirn auf dem Sofa verbringt? TECHBOOK hat bei einem Experten für Motion Sickness nachgefragt, wie die Übelkeit ausgelöst wird und was man dagegen tun kann. Behrang Keshavarz forscht am Toronto Rehabilitation Institute an den Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Motion Sickness.
Frauen sind anfälliger als Männer
Nicht jedem wird gleichermaßen beim Spielen in der VR schlecht – ein Großteil der Bevölkerung wird sogar gänzlich davon verschont. Zwischen Männern und Frauen gibt es aber dennoch Unterschiede – und auch das Alter kann eine Rolle spielen, wie anfällig man für Übelkeit durch VR-Spiele ist.
„Einige Studien haben berichtet, dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Der Grund dafür ist noch unklar“, erklärt Behrang Keshavarz. „Klassische Motion Sickness ist am stärksten bei Kindern von acht bis zwölf Jahren ausgeprägt. Danach nimmt die Anfälligkeit ab und Erwachsene zwischen 18 und 50 Jahre haben nur noch selten Motion Sickness. Es gibt aber einen Bruchteil der Bevölkerung, geschätzte fünf Prozent, die ihr ganzes Leben darunter leiden können.“
Ist man bereits routinierter Spieler, dann stehen die Chancen besser, dass einem auch nach Aufsetzen des VR-Headsets nicht übel wird. Bei Menschen, die häufiger Computerspiele spielen, gebe es Hinweise, dass sie eine verringerte Anfälligkeit für VIMS haben, so Keshavarz.
Das macht an VR-Spielen krank
Besonders prädestiniert dafür, VIMS auszulösen, sind Spiele aus der Ego-Perspektive, die mit viel Bewegung aufwarten. Ego-Shooter sind da ein klassisches Beispiel. Aber auch Jump’n’Runs oder Rennspiele aus der Ego-Sicht können den Gleichgewichtssinn verwirren.
Außerdem können technische Aspekte für Übelkeit verantwortlich sein. Ein wichtiger Faktor hierbei: Die Zeitverzögerung zwischen der physischen Kopfbewegung und der Umsetzung dieser Bewegung in der virtuellen Welt. „Wenn der zeitliche Abstand zwischen einer Kopfbewegung und der visuellen Darstellungen dieser Kopfbewegung zu groß ist, dann ist das Risiko für Übelkeit höher“, sagt Keshavarz. Auch die Bildwiederholfrequenz kann ein Faktor sein: „Eine geschmeidigere Darstellung, also eine höhere Bildfrequenz, könnte eventuell auch helfen. Allerdings gibt es dazu bislang aber kaum Forschung.“
Das verhindert Übelkeit
Ist man anfällig für VIMS und will sich dennoch den VR-Spielspaß nicht verderben lassen, gibt es Möglichkeiten, der Übelkeit vorzubeugen. Helfen kann zum Beispiel Musik oder ein gutes Raumklima, so Behrang Keshavarz. „Studien haben gezeigt, dass angenehme Musik im Hintergrund Übelkeit verringert. Angenehme Gerüche können helfen und eine gute Luftzirkulation, zum Beispiel durch einen Ventilator, kann auch hilfreich sein.“
Außerdem ist es möglich, sich nach und nach an Spiele zu gewöhnen, erklärt Keshavarz. Diese Adaption, also der Gewöhnungsprozess an ein Spiel, kann aber durchaus unangenehm sein. „Wiederholtes Training, also wiederholtes spielen eines VIMS-induzierenden Spiels, kann auf die Dauer helfen, VIMS zu reduzieren. Allerdings ist der Prozess dabei komplex: Adaption kann individuell unterschiedlich lange dauern, bis sie erfolgreich ist, und ist zu Beginn immer wieder von Übelkeit begleitet. Außerdem wirkt Adaption oft nur in dem erprobten Kontext: Wenn mir bei einem Spiel nicht mehr schlecht wird, heißt das nicht, dass das bei einem anderen auch der Fall sein muss.“
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So wird man die Übelkeit durch VR wieder los
Ein Blick in Sonys FAQ zur Playstation VR zeigt: Auch Sony ist das Problem der Motion Sickness in der virtuellen Welt bereits bekannt. Der Elektronik-Konzern empfiehlt daher pro Spielstunde 15 Minuten Pause einzulegen und im Falle von Übelkeit das VR-Spielen ganz zu unterbrechen.
Eine Vorgehensweise, die auch Behrang Keshavarz vorschlägt, um die Motion Sickness so schnell wie möglich loszuwerden: „Als erstes sollte man das Spielen einstellen. Ansonsten gibt es leider nicht viel, was den Erholungsprozess beschleunigen kann. Generelle Tipps: sind ein Glas stilles Wasser trinken, an die frische Luft gehen, sich ausruhen. Bei den meisten gehen die Symptome nach fünf bis zehn Minuten weg, aber bei einigen kann es sogar ein bis zwei Tage dauern – das ist selten, kommt aber vor.“
Ein eher unerwartetes Hausmittel gegen Übelkeit durch VR-Spiele hat Keshavarz aber auch parat – auch wenn dessen Wirksamkeit nicht bewiesen ist: „Manche empfehlen Ingwer als Mittel gegen VIMS, allerdings sind die wissenschaftlichen Befunde hier nicht eindeutig.“