1. Dezember 2019, 19:30 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Unnötig bürokratisch, einschränkend und bevormundend – vielen deutschen Videospiel-Gamern ist die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) ein Dorn im Auge. Derweil ist der Zweck dieser Institution nicht etwa den Spielspass zu mindern, sondern die Jugend vor abstumpfenden und gewaltverherrlichenden Inhalten zu schützen.
Immer wieder gibt es kontrovers geführte Debatten um gewaltverherrlichende Videospiele und deren Indizierung. Unvergessen sind die Wellen, welche der Taktik-Shooter Counter Strike vor einigen Jahren noch geschlagen ha
So ganz objektiv mag die Spiele-Bewertung nicht immer sein. Während Spiele wie May Payne oder Quake nach der Beurteilung von USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) und BPjM auf dem sogenannten „Index“ landen, finden viele, potentiell ähnlich verstörende Spiele weiterhin ihren Weg in den freien Handel und damit oft auch in Kinderhände. Denn zum Thema Jugendschutz hat jedes Land seine ganz eigenen Gesetze – und entsprechend verschieden sind ihre Auswirkungen. Hierzulande werden zensurgefährdete Spiele kurzerhand angepasst, statt roten Blutfontänen spritzt es dann grün oder grau.
Ist das nicht der Fall, zensiert die BPjM derartige Spiele oder setzt sie gleich komplett auf den Index. Diese dürfen anschliessend nicht mehr öffentlich beworben oder verkauft werden und können in besonderen Fällen sogar beschlagnahmt werden. Für gewöhnlich findet sich dafür unter Gamern eher wenig Verständnis. Sie wollen mehr Freiheit statt ständig neuer Verbote und fühlen sich bevormundet.
Zensur von Videospielen
Grundsätzlich wird die BPjM nicht von selbst aktiv, sondern nur auf Antrag oder Anregung. Allerdings nicht von Seiten des Normalbürgers, denn für beide Varianten ist der berechtigte Personenkreis im Jugendschutzgesetz klar definiert.
Diese Institutionen dürfen einen Antrag einreichen, um die BPjM zur Beurteilung einer spezifischen Veröffentlichung anzuregen:
- das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- die obersten Landesjugendbehörden
- die zentrale Aufsichtsstelle der Länder für den Jugendmedienschutz
- Jugendämter und Landesjugendämter
Folgende Stellen und Mitarbeiter können Anträge einreichen, damit die BPjM tätig wird:
- Polizeidienststellen
- Zollämter
- Finanzämter
- Ordnungsämter
- Schulen
- Träger der freien Jugendhilfe (Bildungs- und Jugendeinrichtungen)
Warum werden Videospiele indiziert?
Bei der Begründung von Indizierungen gibt es im wesentlich drei Hauptkategorien: Gewalt-verherrlichende Darstellungen, erotische Inhalte sowie verfassungsfeindliche Symbole. Was die letzten beiden Punkte angeht, hat sich der gesellschaftliche Standpunkt sowie die Rechtsprechung in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert, doch hinsichtlich der Darstellung von Gewalt wirken viele Entscheidungen der BPjM inzwischen geradezu surreal.
Warum und wann Spiele vom Index gestrichen wurden
Gerade das Medium Videospiel befindet sich im permanenten Wandel – so wie die Gesellschaft. Was früher als verstörend und gewaltverherrlichend angesehen wurde, ist heutzutage grafisch veraltet und kaum mehr der Rede wert. Aus diesem Grund dürfen die Rechteinhaber auch nach 10 Jahren eine erneute Prüfung ihrer indizierten Spiele bei der BPjM beantragen. Die Listenstreichung ist mehr oder minder der positive Schlusspunkt einer zuvor geltenden Indizierung. Grundsätzlich wirkt eine Indizierung 25 Jahre lang. Ist diese Frist abgelaufen, muss die BPjM neu bewerten, ob das Medium weiterhin in der Liste bleiben soll (= Folgeindizierung). Fällt die Entscheidung anders aus oder bleibt diese womöglich aus, erfolgt das Streichen des Mediums von der Liste. Das Prozedere kann jedoch auch beschleunigt werden, etwa auf Antrag des Herstellers. Ein solcher Antrag auf Listenstreichung kann gerade dann sinnvoll sein, wenn ältere Spiele als Mobil- oder Onlineversionen neu verwertet werden sollen.
TECHBOOK stellt Euch nachfolgend ein paar der Spiele vor, die früher auf dem Index standen und heute ganz legal erworben werden können.
Wolfenstein 3D (1992 erschienen / De-indiziert seit 28.10.2019)
Nach rund einem Vierteljahrhundert hat die Bonner Behörde den Ego-Shooter „Wolfenstein 3D“ vom Index genommen. Zuvor hatte das Amtsgericht München die Beschlagnahme des berüchtigten Ballerspiels aufgehoben, was den Vertrieb des Spiels in Deutschland unter Strafe stellte.
Doom 3: Auferstehung des Bösen (2005 erschienen / De-indiziert seit 27.09.2019)
Unter Zockern gilt „Doom“ als einer der Ur-Väter des Ego-Shooter-Genres. Der erste Teil der Spiel-Reihe erschien 1993 und nach der Prüfung durch die BPjM indiziert. Das Spiel würde laut des damaligen Berichts das Töten spielerisch einüben lassen und zum sportlichen Vergnügen verniedlichen. Nicht einmal das Argument, dass „Doom“ in einem fiktiven Zukunftsszenario vonstatten geht, konnte das Spiel vor der Aufnahme in den Index retten. „Doom“ wurde am 31. August 2011 vom Index genommen und erhielt anschließend von der USK eine Freigabe ab 16 Jahren. Im hier angeführten Trailer ist die Erweiterung zur PC-Version des dritten Teils der Serie zu sehen: „Doom 3: Resurrection of Evil“. Das Add-On wurde erst durch die BPjM indiziert, im September 2019 aber vorzeitig wieder freigegeben.
Gears of War 1 und 2 (2006 und 2008 erschienen / De-indiziert seit 2016 und 2017)
Hierzulande war der dritte Teil der „Gears of War“-Reihe der Erste, der auch offiziell über die Ladentheke ging. Seine beiden Vorgänger hingegen wurden noch von der BPjM in die Liste aufgenommen. Die Indizierung wurde damit begründet, dass das dargestellte Gemetzel zu sehr ins Detail gehe und die Opfer zu menschenähnlich wirken. Ein weiteres K.O.-Kriterium war, dass nach der Einschätzung der BPjM auch dieser Shooter keine Alternative zum Töten anbiete.
Max Payne (2001 erschienen / De-indiziert seit 2012)
2001 wurde der erste Teil der „Max Payne“-Reihe veröffentlicht, welcher umgehend von der BPjM indiziert wurde. Das Entwicklerstudio schien zwar bereits an einer geschnittenen Version für den deutschen Markt zu arbeiten, doch diese erschien niemals. Grund für die Indizierung von „Max Payne“ war das zugrunde liegende Prinzip der Selbstjustiz. Des Weiteren wurde die Einbindung eines Zeitlupeneffekts als „Ästhetisierung der Gewaltdarstellung“ und die im Spiel enthaltenen Alptraumsequenzen als potentiell traumatisierend für jugendliche Spieler eingestuft.
Hitman – Codename 47 (2000 erschienen / De-indiziert seit 2012)
Ein anderer Antiheld erschien ein Jahr vor Max Payne auf der Bildfläche: Hitman. Codename 47. Der kahlköpfige Auftragskiller wurde prompt nach der Veröffentlichung indiziert. Laut der BPjM schult das Spiel den Umgang mit Waffen und das gezielte und lautlose Töten. Wegen der geringen Wertschätzung menschlichen Lebens stufte die Bundesprüfstelle das Ausmaß der Jugendgefährdung als extrem hoch ein.
Keine Jugendfreigabe, Index, Beschlagnahme Das passiert in Deutschland mit jugendgefährdenden Videospielen
360-Grad-Spiele Das sind die besten PlayStation VR-Spiele
Die besten Neuerscheinungen Die 13 angesagtesten Trailer der Woche
River Raid (1982 erschienen / De-indiziert seit 2002)
Dieser Vertical Scroller hat Videospiel-Geschichte geschrieben: „River Raid“ war 1984 das erste Spiel, das jemals in Deutschland indiziert wurde. Bei einer Neuprüfung im Jahr 2002 wurde der Titel dann nicht nur vom Index genommen, sondern sogar mit einer Alterskennzeichnung ab 0 Jahren freigegeben. Ein Sinneswandel getreu dem Motto „Andere Zeiten – andere Sitten“. Die damalige Begründung zur Indizierung hängt heute sogar im Computerspielemuseum in Berlin aus. Laut BPjS-Beschluss von 1984 soll das Spiel „kriegsverherrlichend und -verharmlosend“, da „sich der Spieler in die Rolle eines kompromisslosen Kämpfers und Vernichters hineindenken soll. Hier findet im Kindesalter eine paramilitärische Ausbildung statt. Bei älteren Jugendlichen führt das Bespielen zu physischer Verkrampfung, Ärger, Aggressivität, Fahrigkeit im Denken und Kopfschmerzen.“ Heutzutage ist dieses Urteil kaum mehr nachzuvollziehen.