16. November 2019, 8:00 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Man liebt es oder hasst es. Was auf Koriander, Lakritze und die Band Nickleback zutrifft, gilt auch für das neue Kojima-Spiel „Death Stranding“.
Spiele-Entwickler Hideo Kojima genießt unter Videospielern einen gewissen Kultstatus. So verwundert auch kaum der Hype um „Death Stranding“, das jüngste Werk des auch mal als „Tarantino der Spieleentwickler“ bezeichneten „Metal Gear“-Erfinders.
Was genau „Death Stranding“ ist, darüber wurde in den vergangenen drei Jahren viel spekuliert. Die Antwort ist, sehr verkürzt: Man spielt einen Lieferanten und liefert Dinge von A nach B. Hauptfigur Sam Porter Bridges, verkörpert von „The Walking Dead“-Star Norman Reedus, bekommt einen wichtigen Auftrag. Er soll die verbliebenen Städte in einem postapokalyptischen Amerika wieder verbinden.
Geisterwesen, mysteriöse Babys und viele Andeutungen
Etwas hat die Welt der Lebenden mit der Welt der Toten zusammengebracht und dabei Großteile des menschlichen Lebens vernichtet. Außerhalb der verbliebenen Städte bewegen sich unsichtbare und angriffslustige Geisterwesen. Aber Sam ist gut gerüstet: Er kann als sogenannter Wiederkehrer nach dem Tod ins Leben zurückkehren, kann die Geisterwesen spüren und sich so von deren Zonen fernhalten. Recht früh im Spiel bekommt Sam außerdem ein sogenanntes BB – ein „bridge baby“. Das ist, sehr verkürzt: ein Fötus einer hirntoten Mutter in einem tragbaren Tank, der durch eine Verbindung mit der Mutter und der Hilfe eines weiteren Geräts die Geisterwesen für Sam sichtbar machen kann.
Spiel mit dem Baby
Das BB ist nicht einfach nur ein Gegenstand, den Sam mit sich herumträgt und benutzt, was auch Spieler zu spüren bekommen. Denn BB kann Angst haben, sich erschrecken oder weinen. Die Geräusche kommen dabei direkt über den Controller, was zu einer viel intensiveren Verbindung zwischen Spieler und BB führt. Um das Baby zu beruhigen, müssen Spieler dann den Controller in der Hand wiegen, während Sam beruhigende Worte spricht. Abgedreht genug?
Monotonie in neuer Form
Das ist nur eins der Elemente, die den Reiz von „Death Stranding“ ausmachen. Auf der anderen Seite steht zum Beispiel eine sehr eintönige Missionsstruktur. Nervige „bringe Gegenstand X von A nach B“-Aufgaben kennt man zur Genüge von Open-World-Spielen. In „Death Stranding“ sind sie Hauptinhalt. Allerdings bringt Kojima interessante Mechaniken mit. Spieler müssen genau überlegen, wie sie Sam bepacken: Auf dem Rücken, an Arme oder Beine geschnallt oder in den Händen tragend – alles hat Auswirkung auf seine Balance. Das wirkt fast schon wie eine Parodie auf die vielen Rollenspiele, in denen die Protagonisten quasi endlose Taschen haben. Gleichzeitig muss Sam an Geisterwesen und menschlichen Gegnern vorbeischleichen. Was zunächst Herzklopf-Momente entstehen lässt, ist später nur noch ein lästiges Hindernis.
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Die faszinierende Welt gibt es häppchenweise
Bis zum dritten Akt ist Sam dabei fast nur zu Fuß unterwegs und hat auch sonst wenige Hilfsmittel. Dann eröffnen sich neue Möglichkeiten der Fortbewegung und neue Missionsarten. Man könnte auch sagen: Das Spiel geht erst dann richtig los – bis es einem diese Möglichkeiten wieder nimmt oder unnötig kompliziert macht. Bis zum Ende verbringt man rund 50 bis 60 Stunden mit „Death Stranding“ – worauf am Ende eine rund zweistündige Videosequenz folgen soll. Diese Zeit kann für die einen ereignisreich und spannend sein – für die anderen eintönig und frustrierend.
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Energydrinks und Fernsehwerbung
Und dann gibt es da noch die Werbung. Hier reißt Kojima mit dem Hintern ein, was er zuvor an faszinierender Welt aufgebaut hat. Das einzige Unternehmen, das die Apokalypse überlebt hat, ist offenbar ein Energydrink-Hersteller. Ein paar Dosen des Stoffs stehen immer in Sams Unterkunft. Mit ihnen kann er sich Ausdauer antrinken – pompös per Videosequenz in Szene gesetzt. Geht Sam auf die Toilette, erscheint ein großes Banner mit Werbung für Norman Reedus‘ neue Serie. Absurd.
Auf jeden Fall schafft „Death Stranding“, was in der Welt der AAA-Spiele nur wenige schaffen: Es polarisiert. Und allein deshalb ist es ein wichtiger Beitrag im Spiele-Jahr 2019. Wer sich unsicher ist, ob das Spiel wirklich Spaß bringt, sollte sich vielleicht zunächst eins der vielen Let’s Plays ansehen – und dann entscheiden, ob man das Geld für den Vollpreis-Titel wirklich investieren will.