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Datenhandschuh

Warum der „Power Glove“ für das NES vor 35 Jahren floppte

Für den NES gab es einen speziellen Handschuh, der die Bedienung revolutionieren sollte. Doch daraus wurde nichts.
Für das NES gab es einen speziellen Handschuh, der die Bedienung revolutionieren sollte. Doch daraus wurde nichts. Foto: Getty Images
Lars Lubienetzki
Freier Redakteur

9. Oktober 2024, 18:13 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Virtuelle Realität gehört neben Künstlicher Intelligenz zu den IT-Bereichen, in denen aktuell die meisten Innovationen passieren. Vor allem die Gaming-Industrie hat in der Vergangenheit immer wieder versucht, die digitale und analoge Welt miteinander zu verschmelzen. Ende der 1980er-Jahre kennen viele Computerspiele noch keine dritte Dimension. Nintendo versucht, diese Grenze zu durchbrechen. Gamechanger soll ein Datenhandschuh sein. Doch dem vor 35 Jahren vorgestellten „Power Glove“ geht schon nach einem Jahr die Luft aus.

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In den 1980er-Jahren erobern Computerspiele die Wohnzimmer auf der ganzen Welt. Es wird gedaddelt, was das Zeug hält. Per Joystick geht es auf die Jagd nach dem nächsten Highscore. Nintendo gehört zu den führenden Konsolen-Herstellern. Das NES setzt damals Maßstäbe. Programmiertechnisch versucht die Spiele-Industrie alles aus der vorhandenen Hardware herauszuholen. Echter 3D-Spiele-Spaß kommt dabei noch nicht auf. Der „Power Glove“ soll das ändern, floppte aber fulminant.

Erste Datenhandschuh-Modelle

Parallel dazu gibt es schon länger erste Versuche, die Steuerung von Geräten mit der menschlichen Bewegung zu verknüpfen. Datenhandschuhe sollen die Schnittstelle bilden.

Im Jahr 1977 taucht ein erstes Modell an der Universität von Illinois auf. Der Sayre Glove kostet knapp 10.000 US-Dollar. Für den privaten Einsatz viel zu teuer. Unter anderem die NASA nutzt ihn, um damit Roboter zu steuern.

Anfang der 1980er-Jahre versuchen Unternehmen, solche Datenhandschuhe günstiger und massentauglicher herzustellen. Den Weg ebnen damals Thomas Zimmermann und Jaron Lanier. Die beiden ehemaligen Atari-Mitarbeiter gründen im Jahr 1984 die Firma VPL Research. Ihre Idee: Sie möchten einen Datenhandschuh entwickeln, mit dem der User die E-Gitarre genauso gut spielt wie Jimi Hendrix – nur ohne Gitarre. Zwei Jahre nach der Unternehmensgründung stellen Thomas Zimmermann und Jaron Lanier ihren VPL Dataglove vor. Der kostet 9000 US-Dollar, immer noch zu teuer für den Heimgebrauch.

Die verbaute Technik interessiert allerdings schon bald die Konkurrenz. Die Bewegungen erkennt der VPL Dataglove über Lichtsignale. Eine Leuchtdiode sendet Licht in ein Kabel. Am anderen Ende misst eine Fotozelle die Lichtintensität. Diese kann in elektrische Signale umgewandelt werden, die der Computer wiederum in eine Bewegung auf dem Bildschirm umwandelt.

Entwicklung in nur fünf Monaten

Der US-Spielzeughersteller Mattel erwirbt kurze Zeit später sämtliche Patente des VPL Dataglove und verbündet sich mit anderen Partnern, unter anderem mit Nintendo. Ziel ist es, einen Datenhandschuh zu designen und herzustellen, speziell für die NES-Konsole.

Die Arbeit an dem neuartigen Datenhandschuh startet im Jahr 1989. Innerhalb von fünf Monaten gelingt es dem Entwicklungsteam, ein marktreifes Gerät vorzustellen. Zumindest glauben das alle Beteiligten, als sie stolz den Power Glove der Öffentlichkeit präsentieren.

Nintendo selbst sieht in dem Power Glove nicht mehr als ein alternatives Steuerungsgerät neben dem NES Controller. Die Vision für interaktive Sportspiele wie später auf der Wii ist bei Nintendo einfach noch nicht vorhanden.

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Komplizierte Technik und großer Frust

Der Power Glove überzeugt einzig beim Preis. Knapp 100 US-Dollar kostet der neuartige Datenhandschuh für den Heimgebrauch. Dafür kann er herzlich wenig. Anstatt Spielespaß herrscht bald großer Frust bei den Gamern.

Die Technik tut nicht, was sie soll. Die verbaute Kombination aus Mikrofonen und Ultraschallsensoren in Verbindung mit einem Mikroprozessor erkennt leider selten die gewünschte Bewegung. Zudem braucht es fast ein IT-Studium, um die komplizierte Technik für den ersten Einsatz zu konfigurieren.

Der Power Glove verfügt auf der Oberfläche über die bekannten NES-Controller-Tasten, ein Steuerkreuz und Zifferntasten. Damit sollen einzigartige Aktionen und Bewegungen in den speziell für den Power Glove entwickelten Games möglich sein.

Doch Nintendo bringt ganze zwei Spiele zum Verkaufsstart auf den Markt, Super Glove Ball und Bad Street Brawler. Als weitere Marketingaktion dient der US-Kinostreifen „The Wizard“ (deutscher Titel: Joy Stick Heroes). Darin spielt der Power Glove eine zentrale Rolle.

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Power Glove frustriert Spieler

Trotz der zurückhaltenden Werbung verkauft sich der Power Glove anfangs gar nicht so schlecht. Mindestens genauso schnell wie die Verkaufszahlen steigt allerdings die Frustrationsrate bei den Gamern, falls sie das Teil überhaupt konfiguriert bekommen haben.

Am Ende gehen immerhin 100.000 Power Gloves über die Ladentheke. Doch aufgrund der vernichtenden Kritik aus der Gamerszene verschwindet der Handschuh nach nur einem Jahr wieder in der Versenkung.

Vielleicht hat Nintendo die Erfahrung mit dem Power Glove gebraucht, um den nächsten Schritt zu gehen. Denn später liefern die Japaner ab dem Jahr 2007 mit der Nintendo Wii eine innovative Steuerung mit ausgereifter Technik, hoher Funktionalität und einer Menge Spielespaß.

Themen Geschichte
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