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7. Februar 2025, 17:01 Uhr | Lesezeit: 13 Minuten
Mit „Kingdom Come: Deliverance 2“ ist eines der am meisten erwarteten Spiele in diesem Jahr erschienen. Aber hält es auch, was es im Vorfeld versprochen hat? TECHBOOK-Redakteurin Marlene Polywka hat sich das Spiel genauer angeschaut.
„Kingdom Come: Deliverance 2“ war trotz der im Vergleich zur Konkurrenz überschaubaren Größe des Studios eines der am meisten erwarteten Spiele des Jahres 2025. Jetzt ist es da – und taugt direkt zur Veröffentlichung nicht nur für ein enormes Meme-Potenzial, sondern auch für hitzige Debatten mit mir selbst. Gründe dafür liefert das Spiel genügend.
Übersicht
Die Handlung von „Kingdom Come: Deliverance 2“
Inhaltlich knüpft der Titel an den 2018 erschienenen Vorgänger an. Die Handlung ist also erneut im Böhmen des 15. Jahrhunderts angesiedelt – das Spiel liefert dabei eine der authentischsten Mittelaltererfahrungen der Branche. Die politischen Vorgänge zu dieser Zeit bilden einmal mehr die Basis für eine spannende Geschichte.
Heinrich is back!
Aber fangen wir erstmal von vorne an – also ganz von vorne. Denn das macht das Spiel nach einleitendem Geplänkel tatsächlich auch. Mit Heinrich übernimmt man den bereits aus Teil 1 bekannten Protagonisten. War er im Vorgänger noch ein einfacher Schmiedesohn, der eigentlich von Nichts irgendeine Ahnung hatte, hat sich Warhorse Studio etwas einfallen lassen, dieses Muster sinnvoll begründet erneut anzuwenden.
Direkt zu Beginn des Spiels kann man einmal einen kurzen Eindruck davon gewinnen, was Heinrich theoretisch alles kann. Dann werden er und seine Begleiter allerdings von Banditen überfallen. Gut, dass er und sein aus Teil 1 bekannter Freund Hans Capon gerade halbnackt im See baden waren und den Räubern so entkommen. Blöd, dass Heinrich dabei wie üblich ritterlich veranlagt ist, um eine Frau zu retten, die Häscher auf sich aufmerksam macht, woraufhin man erst nur mit einer Unterhose bekleidet durchs Unterholz flieht, um dann so schwer verletzt zu werden, dass einem offenbar wichtige Fähigkeitenpunkte abhandenkommen.
Damit liefert „Kingdom Come: Deliverance 2“ eine diegetische Erklärung für nochmal besser ausgearbeitete Rollenspielaspekte als im ersten Teil. Und das ist eine wichtige Essenz des Spiels. Heinrich muss sich in Folge seine Fähigkeiten mühsam wieder aneignen, was aber erneut die Möglichkeit eröffnet, ihn auf sehr individuelle Art und Weise zu spielen. Zudem ermöglicht der Plot Heinrich auch in seiner Rolle eine enorme Freiheit, die es absolut logisch macht, dass er die wundervolle Spielwelt schrittweise erkundet.
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Die Hauptquest von „Kingdom Come: Deliverance 2“
Die Hauptquest ist dabei zwar stets präsent, steht aber nicht im Mittelpunkt. Ausgangspunkt für die Handlung bildet ein Brief für Otto von Bergow, den Hans als Erbe von Rattay und Heinrich als sein Leibwächter eigentlich auf Burg Trosky abliefern sollten. Damit knüpft „Kingdom Come: Deliverance 2“ unmittelbar an den ersten Teil an. Bei dem dann folgenden bereits erwähnten Überfall werden allerdings bis auf das namentlich klangvolle Duo – und Heinrichs Hund Köter – alle getötet und besagter Brief fällt ebenfalls den Banditen in die Hände.
Heinrich und Hans befinden sich dann erst einmal schwer verletzt auf der Flucht. Anschließend sind sie nicht mehr als das wiederzuerkennen, was sie eigentlich sind: Ein Adliger und sein Begleiter, weshalb man sie nicht nur nicht in die Burg Trosky lässt, sondern sie im wahrsten Sinne des Wortes mit Scheiße davonjagt.
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Anschließend beginnt eine abenteuerliche Reise, in deren Verlauf Heinrich erneut in politische Ränke verwickelt wird. Angereichert wird das Ganze durch die Tatsache, dass Heinrichs Erzfeind Istvan Toth in die Sache verwickelt zu sein scheint. Wir erinnern uns: Das ist der Typ, der im ersten Teil hinter dem Angriff auf Heinrichs Heimat Skalitz steckt und das Schwert seines Ziehvaters Martin nicht herausrücken will.
Handlungstechnisch ist „Kingdom Come: Deliverance 2“ damit eine direkte Fortsetzung seines Vorgängers. Dementsprechend ist es definitiv von Vorteil, diesen gespielt zu haben. Allerdings ist es nicht zwangsläufig nötig, um alles zu verstehen und Spaß am Spiel zu haben.
Ein Rollenspiel in Reinform
Spaß kann auch Heinrich haben, das hängt allerdings stark davon ab, ob man ihm diesen auch gönnt. Denn „Kingdome Come: Deliverance 2“ baut eine Stärke seines Vorgängers noch weiter aus: das Rollenspiel. Als Spieler hat man enorme Freiheiten in der Spielweise. Ist Heinrich ein edler Ritter, ein durchtriebener Dieb oder ein charmanter Edelmann? Oder eine Kombination aus diesen Dingen? Das können die Spieler ganz nach persönlichem Geschmack oder auch einfach situativ entscheiden. Auftreten ist in „Kingdom Come“ alles.
Dazu kommt erneut das Rufsystem. Je nachdem, wie sich Heinrich wem gegenüber verhält, genießt er in bestimmten Gegenden einen guten oder schlechten Ruf. Das wiederum hat teils enorme Auswirkungen darauf, wie sich die NPCs ihm gegenüber verhalten. Obwohl man mit Heinrich einen in Teilen vorgefertigten Charakter mit eigener Vergangenheit bekommt, sind viele Rollenspiel-Elemente enthalten, zumal man Heinrichs Fähigkeiten genauso individuell ausbauen kann wie seine Outfits.
Praktischerweise bietet der zweite Teil die Möglichkeit, schnell zwischen diesen Outfits hin und her zu wechseln. So kann man als Edelmann in ein Wirtshaus spazieren, an dessen Tür man eben als armer Schlucker noch abgewiesen wurde. Zugegebenermaßen kann ich es auch verstehen, wenn ein blutbesudelter stinkender Heinrich in gewisse Etablissements nicht reinkommt.
Darüber hinaus bieten die Quests die Möglichkeit, sie auf viele verschiedene Arten zu lösen. Dafür greift „Kingdom Come: Deliverance 2“ auf ein Drehbuch mit circa 2,2 Millionen Wörtern zurück. Nur mal zum Vergleich: Das sind noch mal gut 200.000 mehr als etwa „Baldur’s Gate 3“. Dieser ganze Text ist nötig, damit die NPCs angemessen auf jede Entscheidung des Spielers reagieren können. So kann es schon mal vorkommen, dass man sich einen kompletten Queststrang verbaut, weil man an der falschen Stelle jemanden beleidigt hat. Das gilt im Übrigen nicht nur für „unwichtige“ Nebenquests, sondern durchaus auch für Hauptquest-Abschnitte, wobei man zumindest am grundsätzlichen Verlauf der Haupthandlung nichts ändern kann.
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„Kingdom Come: Deliverance 2“ hat eine fantastische Spielwelt
Heinrichs Reise führt ihn insgesamt in zwei große Gebiete, die es zu erforschen gilt, wobei die Hauptquest dafür sorgt, dass man wesentliche Teile der Gebiete automatisch erkundet. Es lohnt sich aber auch, den zahlreichen Nebenquests nachzugehen und so stückweise die komplette Karte aufzudecken – beziehungsweise beide Karten.
Das ist wahrscheinlich ein guter Zeitpunkt, um einmal dezidiert über die Open World von „Kingdom Come: Deliverance 2“ zu schwärmen, denn neben dem puren Rollenspielcharakter ist die Spielwelt definitiv ein Herzstück des Titels.
Eine authentische Open World
Und das, obwohl Warhorse Studio hier technologisch nicht aus dem Vollen schöpft. Das führt mir einmal mehr vor Augen, wie verzogen ich teilweise bei Grafik und Darstellung bin. Viele Spiele bieten wunderschöne polierte Welten an oder solche, die es betont nicht sein wollen.
„Kingdom Come: Deliverance 2“ tut keines von beidem. Stattdessen bekommen wir zwei umfangreiche Gebiete voller zwar wunderschöner, aber vor allem auch realistischer Natur, die sich so anfühlt, als würde ich einen ausgedehnten Spaziergang unternehmen. Dazu kommen unglaublich liebevoll und detailreich gestaltete Siedlungsgebiete. Ich bekomme beim Spielen Lust, in jede noch so kleine Hütte einen Blick zu werfen – nicht, um massenweise Loot an mich zu raffen (das kommt zugegebenermaßen manchmal auch vor), sondern weil es mich einfach interessiert, was ich dort finden könnte.
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Dazu kommen reihenweise interessanter NPCs, die mit Heinrich interagieren und vor allem auf ihn reagieren. Das war bereits eine Stärke des Vorgängers, der hier nochmal pompöser zum Tragen kommt. Jede Person in „Kingdom Come: Deliverance 2“ hat einen sinnvollen eigenen Tagesablauf. Sie reagieren nicht nur darauf, was Heinrich sagt, sondern auch, wie er aufritt, was er anhat – und ja, auch darauf, wann er das letzte Mal gebadet hat.
Trosky und Kuttenberg
Dadurch ergeben sich auch abseits der eigentlichen Quests eine Fülle von Geschichten, mit denen ich meinem Umfeld in den Ohren liegen kann. Hach, wie schön, nachts durch die Wirtshäuser zu ziehen, bis sich die Debuffs stapeln! Oder dieser eine Karren im Wald, bei dem ich rätselhafte Spuren finde. Und Köter – ach, mein treuer Hund Köter! –, mit dem man immer wieder interagieren kann.
Neben diesem Detailreichtum ist auch die Größe der Spielwelt von „Kingdom Come: Deliverance 2“ bemerkenswert. Der Effekt wird noch dadurch vergrößert, dass sich die Schnellreise gefühlt so gar nicht lohnt. Viel lieber erkunde ich zu Pferd oder sogar zu Fuß die Gegend – sonst könnte ich ja etwas verpassen! Deshalb dauert es dann doch eine nicht unerhebliche Anzahl an Spielstunden, bis ich überhaupt die Gegend um Burg Trosky einigermaßen erforscht habe. Nur, um dann festzustellen, dass es noch eine komplette zweite Karte gibt mit einer für mittelalterliche Verhältnisse riesigen Stadt: Kuttenberg.
Der Moment, als ich die Stadt zum ersten Mal betrete, hat das Potenzial, mein Gaming-Highlight-Moment des Jahres zu werden. Nachdem man so lange in First-Person-Sicht durch kleine Dörfer und vor allem sehr viel Natur gelaufen ist, kann ich Heinrichs überwältigte Reaktion am eigenen Leib nachempfinden.
Altbekannte Mechaniken
Wie an einigen Stellen bereits erwähnt, greift „Kingdom Come: Deliverance 2“ viele Stärken seines erfolgreichen Vorgängers auf. Teilweise noch verbessert, manches wurde von Warhorse aber auch einfach unangtastet gelassen. Dazu gehört etwa das Levelsystem, das sich sehr an der Spielweise orientiert.
„Kingdom Come: Deliverance 2“ belohnt die Fleißigen
Neben großen Fähigkeiten wie Stärke oder Alchemie gibt es noch zahlreiche Unterkategorien, die man effektiv während des Spielens passiv auflevelt. Wenn ich in Dialogen besonders auf Einschücherng setze, verbessert sich dieses Talent automatisch. So belohnt das Spiel eine stringente und somit der gewählten Rolle angepassten Spielweise.
Das macht gerade den Einstieg ins Spiel ein wenig knifflig; Kenner des ersten Teils sind hier klar im Vorteil. Mit der Zeit bekommt man aber ein ziemlich gutes Gefühl dafür, welche Entscheidung auf welche Skills einzahlt und welche Spielweise einem am besten liegt. Dabei hilft, dass einige Fähigkeiten ausgetauscht und durch – für mein Empfinden – nützlichere neue ersetzt wurden.
Endgegner: Kampfsystem
Was „Kingdom Come: Deliverance 2“ ebenfalls übernommen hat, sind Kampfsystem und Minispiele. In die letztgenannte Kategorie fällt etwa das Schlösserknacken. Das Handling bleibt zwar dasselbe, offenbar hat Warhorse hier aber ein wenig nachgebessert; es fühlt sich flüssiger an. Gleiches gilt auch für das Kampfsystem, wobei ich an dieser Stelle ganz ehrlich sagen muss: Gute Freunde werden wir in diesem Leben nicht mehr.
Vielleicht ist auch das eine Sache der Gewöhnung; man ist von anderen Spielen gänzlich andere Systeme gewohnt. Aber so richtig Klick hat es bei mir weder im ersten noch jetzt im zweiten Teil gemacht. Dabei geht es nicht nur um die unvermeidliche First-Person-Sicht. Im Prinzip gilt es „nur“, die vier Angriffszonen (rechts, links, oben, unten – immerhin zwei weniger) in Kombination mit Blocken perfekt zu nutzen. Dabei scheint es aber völlig wahllos, wann wiederum mein Gegner perfekt blockt. Ein denkwürdig unrühmlicher Kampf dauerte fast eine halbe Stunde, weil weder ich noch mein Gegner Treffer anbringen konnten, bis meine Konzentration nachließ, ich meinen Ausdauerbalken kurz aus dem Blick verlor und zack – so schnell kanns gehen bei „Kingdom Come: Deliverance 2“.
Zum Glück macht hier Übung den Meister – nicht nur bei mir selbst, sondern auch bei Heinrich. Ich empfehle dringend, am Anfang jede Übungsmöglichkeit mitzunehmen, damit der Gute seine Fähigkeiten in diesem Bereich schnell auflevelt. Andernfalls kann ein Abstecher durchs Unterholz schnell tödlich enden.
Einige wenige Schönheitsfehler
Da wir gerade schon beim nach wie vor hakeligen Kampfsystem sind, kann ich auch gleich mit anderen Kleinigkeiten weiter machen, die mich aktuell (noch) an „Kingdom Come: Deliverance 2“ stören. Zunächst mal gibt es Release-typisch noch einige kleinere Bugs. Spielbehindernd war bisher keiner davon und es kann auch durchaus lustig sein, wenn dich ein sitzender Dörfler verfolgt, was dann so aussieht, als würde er hinter dir her rutschen.
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Steckt dein Ansprechpartner aber plötzlich in einem Schrank fest, stört das natürlich die Immersion. Das dürfte Warhorse in jedem Fall in den kommenden Monaten noch beheben. Ansonsten gibt es von mir kleinere Abstriche für den einen oder anderen Dialog. Zwar gibt es massenhaft fabelhafte Gegenbeispiele in „Kingdom Come: Deliverance 2“. Das unterstreicht für mich aber nur, dass sie es eigentlich besser können. Da werden teilweise Dinge auf eine sehr durchsichtige Art und Weise rekapituliert, die mich stark an die „Witcher“-Serie bei Netflix erinnern („Weißt du noch Plötze, unser erstes Monster …“ – total authentisch …).
Dazu kommen noch einige auditive Ausgabefehler, das plötzlich ein Gesprächspartner deutlich leiser ist als der andere. Aber das lässt sich ohne Weiteres verschmerzen. Apropos Dialoge: Ich empfehle, auf Englisch oder sogar im tschechischen Original zu spielen, weil es einige Charaktere mit deutschem Akzent gibt. Das geht natürlich in der deutschen Synchronisation (die ansonsten echt gut ist), verloren, was aber auch einige unfreiwillig komische Situationen zur Folge hat, wenn Heinrich plötzlich den einen oder anderen Begriff nicht erkannt haben will.
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Fazit: So hat mir „Kingdom Come: Deliverance 2“ gefallen
Sie haben es wahrscheinlich schon aus dem bisherigen Text herausgelesen: Insgesamt schneidet „Kingdom Come: Deliverance 2“ bei mir im Test wirklich sehr gut ab. Die kleineren Bugs werden sicherlich noch gefixt und insgesamt kommt das Spiel mit deutlich weniger Fehlern als noch der erste Teil.
Die beiden großen Stärken sind dabei klar die Rollenspiel-Elemente und die Spielwelt. Beides ist großartig ausgefeilt und fühlt sich lebendig und authentisch an. Ich habe so viele Stunden damit verbracht, einfach über Wiesen und durch Wälder zu streifen, aus Fremden Taschen zu stehlen oder einfach NPCs zu lauschen, die sich miteinander unterhalten. Das tröstet über kleinere Wermutstropfen wie das Kampfsystem hinweg, das nun mal auch einfach zur DNA von „Kingdom Come“ gehört.
Kingdom Come: Deliverance 2 – Gesamtwertung im Test