23. Dezember 2023, 13:14 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
„Also, ich bin mit Tetris fertig.“ Diesen Satz haben Sie vermutlich noch niemals jemanden sagen hören. Das beliebte Computerspiel, das viele noch auf dem Game Boy kennengelernt haben dürften, kann einen das ganze Leben lang begleiten. Wobei das natürlich nicht heißt, dass man es nicht theoretisch durchspielen könnte. TECHBOOK hat sich schlau gemacht – und auch mit einem gesprochen, der den Tetris-WM-Titel nur knapp verfehlt hat.
Wer in den 1990er-Jahren aufgewachsen ist, der hat höchstwahrscheinlich mit einem Game Boy gespielt – und darauf ganz gewiss auch Tetris. Das vom Russen Alexei Paschitnow entwickelte Computerspiel, bei dem unterschiedlich geformte Blöcke auf- und ineinander gestapelt werden müssen, ist heute Kult. Sicher kommen neuere Games ungleich viel moderner daher, sowohl inhaltlich als auch ästhetisch. Trotzdem: Ob nun weiterhin auf dem Game Boy, jedweder anderen Konsole oder dem Smartphone, allein oder gegen andere Mitglieder einer Community – Tetris wird immer weiter gespielt. Ob das nur im übertragenen Sinne gilt, sprich: ob das Puzzle-Spiel theoretisch irgendwann ein Ende hat? TECHBOOK geht genauer darauf ein.
Wir lassen unsere Leser über die in ihren Augen nervigste iPhone-Funktion abstimmen! Die Auswahl setzt sich bereits aus Leser-Einsendungen zusammen.
Tetris macht angeblich „süchtig“
Dass Tetris eine so enorme Beliebtheit erlangt hat, liegt – zugegeben – nicht nur am Spiel an sich. Es wurde immerhin eine ganze Weile lang mitgeliefert, wenn man einen Game Boy gekauft hat. Aber das ändert ja nichts daran, dass Tetris extrem fesseln kann. Mit rund 100 Millionen verkauften Exemplaren ist es laut Statista bis heute auf Platz drei der beliebtesten Videospiele aller Zeiten.
Mögliche Gründe dafür hat der Tech-Journalist Dan Ackerman in seinem Buch „The Tetris Effect: The game that hypnotized the world“ gesammelt. Demnach besticht Tetris einerseits damit, höchst intuitiv zu sein – grundsätzlich kann jeder gleich damit loslegen, ohne dass es einer Einweisung bedürfte. Andererseits ist es deshalb aber nicht übertrieben einfach. Immerhin fordert das Spiel, so Ackerman, strategisches Denken ebenso wie ein schnelles Reaktionsvermögen. Zuletzt soll das Spielen von Tetris chemische Prozesse im Körper anstoßen, die wohl auf Dauer sogar süchtig machen können. Konkret werde dabei die Glukose-Verarbeitung beschleunigt, mit der Folge, dass man zu einem gewissen Grad „high“ werden kann.
Auch interessant: Das waren unsere Highlights auf der Gamescom 2023
Hat Tetris ein Ende?
Zu Teilen macht es wahrscheinlich auch den Charme des Spiels aus, dass man so leicht kein etwaiges Ende erreicht, sich also immer weiter an den kniffligen Levels probieren kann. Der Ehrgeiz wird geweckt und dem kann man nachgehen. Aber bleibt die Frage, ob man Tetris theoretisch durchspielen kann. Also ob es grundsätzlich möglich wäre, etwa da man gut genug ist.
Das sagt ein Profi
TECHBOOK hat zum Thema Tetris durchspielen mit Christian Haupt gesprochen. Er zählt nach eigener Aussage zu den besten Tetris-Spielern der Welt. Haupt spielt seit einigen Jahren online unter den Augen einer stets wachsenden Community und ist auch in Wettkämpfen aktiv. „Bei der Weltmeisterschaft dieses Jahr hat es leider nur für Platz 2 gereicht“, erzählt er uns.
Kann man Tetris also durchspielen? So einfach kann der Profi, den man auf Twitch unter eurochriska findet, das nicht beantworten. Zunächst müsse man erklären, dass es Tetris in inzwischen zahlreichen Abwandlungen und Erweiterungen gibt und sich das Spiel weiterhin auf amerikanischen und deutschen Konsolen unterscheidet. Auch das ursprüngliche Tetris hat zumindest zwei Spielmodi, darunter der weniger populäre „Unendlichkeitsmodus“.
Klassischer Tetris-Modus
In diesem Beitrag soll es um den klassischen Modus gehen, der schon früher bevorzugt auf dem Game Boy gespielt wurde. Er funktioniert so, dass unterschiedlich geformte Blöcke von oben nach unten über den Bildschirm laufen und dann auf dem Boden landen – es sei denn, man konnte eine lückenfreie Reihe bilden. In diesem Fall löst die gesamte Reihe sich auf. Schafft man es nicht, stapeln sich die Blöcke übereinander und es kommen immer weitere obendrauf. Die Blöcke fahren immer schneller über das Bild. Reicht der Blöcketurm bis oben hin, ist das Level verloren.
Zu den Levels. Tetris-Fans gehen davon aus, dass es insgesamt 29 Levels gibt. Doch nicht sehr viele sind jemals so weit gekommen – und wenn doch, dann können sie es vielleicht einfach nicht beweisen. Zu denen, dessen spielerischer Erfolg festgehalten ist, gehört Harry Hong. Er war der Erste, der 2009 offiziell in dem Spiel 999.999 Punkte erreichte. Das attestierte ihm damals die Videospieldatenbank und Social-Media-Plattform Twin Galaxies und bescherte ihm zudem einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Hong hat seinen Erfolg damals gefilmt und das Video auf YouTube hochgeladen, Sie können es sich hier ansehen.
Tetris-Meister – oder einfach ein technischer Haken?
Christian Haupt will die Erfahrung selbst schon gemacht haben. Auch er habe es „zwischen 1990 und 2021 zwei Mal geschafft, auf 999.999 Punkte zu kommen“. Und er glaube nicht, dass er damit allein ist oder war. „Durch die Smartphones, Live-Streaming werden es scheinbar immer mehr, die so weit kommen.“ Oder besser gesagt: mehr, die es dokumentieren können. Als er damals Tetris durchgespielt habe, sei keine Handy-Kamera mitgelaufen, um es aufzunehmen.
Also noch mal zurück zu den 999.999 Punkten. Mehr sind bei Tetris scheinbar nicht zu holen. Und zwar nicht etwa deshalb, sondern sozusagen aufgrund eines Bugs. Als Hong das 29. Level bezwingt, hört die Konsole einfach auf, Punkte zu zählen und friert den erreichten Stand ein. Theoretisch könnte jetzt das 30. Level kommen – tut es aber nicht. Im Verlauf der Jahre meldete sich immer mal wieder jemand zu Wort, der das sagenumwobene Level 30 erreicht haben will. Doch auch hier fehlt bislang der Beweis.
Man kann Tetris NICHT durchspielen, aber …
Faktisch haben weder Hong noch Haupt oder die anderen Spieler, die es ihnen in den vergangenen Jahren gleichgetan haben, Tetris durchspielen können. Denn Tetris hat in dem Sinne kein programmiertes Ende. „Auch wenn das Spiel weiterläuft“, erklärt dazu Tetris-Profi Haupt, „der Score endet immer bei 999.999 Punkten.“ In der Community gibt es daher eine Art stilles Einverständnis darüber, dass entsprechende Spieler eben doch ein Ende erreicht haben.
Zusammenfassend ist also die Frage, ob man Tetris durchspielen kann, am zutreffendsten mit jein zu beantworten. Und wie bereits erwähnt, es geht hier um das klassische „Oldschool“-Tetris, das zwar vom Prinzip her den jüngeren Adaptionen auf diversen Konsolen beziehungsweise Plattformen ähnelt, sich am Ende aber doch vor allem von ihnen entscheidet. So kann man online im Tetris gegeneinander antreten, was der Grundidee des Solospiels doch etwas vehementer widerspricht. Aber eine Erklärung gibt es schon. So berichtet uns Christian Haupt, dass in der klassischen Game-Boy-Variante, bei der offiziell bei Level 20 Schluss ist, sich am „Ende“ angekommene Tetris-Ultras bald gelangweilt haben. „Programmierer haben das Spiel also schneller gemacht“, weiß er. Tetris nimmt also in gewisser Weise eine Entwicklung, die vor allem auf seine Spieler reagiert.
Spiel hat kein programmiertes Ende 13-Jähriger stellt Tetris-Rekord auf, den es eigentlich gar nicht geben kann
40-jähriges Jubiläum Wie das Spiel Tetris zum Welthit wurde
Kult-Konsole Warum der Game Boy auch nach 35 Jahren noch fasziniert
Moderne Versionen oftmals einfacher
Bei den verschiedenen modernen Versionen scheint es übrigens keine große Herausforderung zu sein, zu Ende zu spielen. Im sogenanten Spielmodus B etwa, wo Zocker „doch nur 25 Reihen abbauen“ müssen – da sei es „selbst auf Geschwindigkeit 9 noch recht einfach“. Diese Wortmeldung stammt von einem Gamer aus einem kleinen Community-Chat, der selbst schon mehrfach so weit gekommen sein will. Auch bei „Gutefrage.net“ berichten Nutzer von einer Art Sieger-Standbild: ein demnach „orientalisch angehauchtes Hintergrundbild mit Zwiebeltürmen“. Mit reichlich Engagement komme man so weit, oder eben „wenn man cheatet“; ansonsten befördere auch eine bestimmte Tastenkombination dorthin.
Sie merken: alles nicht das Wahre. Wer es hingegen auf dem Game Boy beziehungsweise in der Nintendo-Version bis Level 29 schafft, oder gar darüber hinaus – der darf auch unseres Erachtens gern von sich behaupten: Ich habe Tetris durchgespielt.
