30. November 2024, 16:47 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Zu jedem Videospiel gehört auch ein Gaming-Soundtrack. Die TECHBOOK-Redaktion stellt ihre persönlichen Lieblinge vor.
Videospiele sind ein komplexes Geflecht aus vielen Einzelteilen. Grafik, Storytelling, Mechanik, Gameplay, Figuren – für ein gutes Spielerlebnis muss alles ineinandergreifen. Was dabei eine wesentliche Rolle einnimmt, sind auch die Gaming-Soundtracks. Neben den prominent besprochenen und ausgezeichneten Filmmusiken gehen sie oft ein wenig unter. Dabei haben es Gaming-Soundtracks in der Regel sogar noch weitaus schwerer als ihre Vettern im filmischen Bereich. Sie müssen nicht nur zum Geschehen passen, sondern dürfen auch die Immersion des Spiels nicht zerstören. Manchen gelingt das besser als anderen, deshalb stellen unsere Gaming- und Musikspezialisten Woon-Mo Sung und Marlene Polywka ihre ganz persönlichen Lieblinge vor.
Gaming-Soundtrack-Empfehlungen von Woon-Mo Sung
Everybody’s Gone To The Rapture
Was sogenannten Walking Simulators an purem Gameplay fehlt, machen sie oftmals mit spannenden Geschichten und maximaler Atmosphäre wieder wett. „Everybody’s Gone to the Rapture“ ist in der Hinsicht ein Paradebeispiel.
Während man sich langsam und behutsam durch das verlassene Dorf Yaughton bewegt, deckt man nach und nach das Geheimnis über das Verschwinden aller Bewohner auf. In der Leere der Ortschaft macht sich ein einsam-melancholisches Gefühl breit, das durch die realistische Grafik und die schöne Lichtsetzung akzentuiert wird.
Wirklich Gänsehaut verursacht aber die Musik von Jessica Curry, die an genau den richtigen Stellen die Stille durchbricht und sowohl dem Mysterium über die verschwundenen Menschen als auch der damit verbundenen Tragik Schönheit und Gravitas verleiht.
Silent Hill 2
Klischeehafterweise geht es in Horror-Soundtracks – ob in Filmen, Serien oder Spielen – zumeist dissonant und laut polternd zu, wenn wieder ein Jumpscare musikalisch betont werden soll. Zwar gibt es nervenaufreibende Stücke auch in Konamis Meisterwerk „Silent Hill 2“ auf die Ohren, aber das ist längst nicht alles.
Denn die rätselhafte Geschichte von „Silent Hill 2“ bietet zur Genüge intime und introspektive Charaktermomente, die Komponist Akira Yamaoka entsprechend emotional vertont hat. Dabei spielt häufig ein einsames Piano eine wichtige Rolle und weitere atmosphärische Klangteppiche versetzen die Hörer auch ohne zu spielen direkt in das nebelverhangene, titelgebende Städtchen.
Final Fantasy VII
Das Spiel, das einer ganzen Generation endlich das Weinen vor der heimischen Konsole beibrachte. Der Moment: Aerith, Sephiroth, ein einzelner Schwerthieb. Eine Kugel, die herabfällt, ein Klavier, das beim Aufprall erklingt. Und mit einem Schlag brannten sich Szene, Gefühle und vor allem die Musik ins kollektive Videospielgedächtnis. „Aerith’s Theme“ ist voll zutiefst empfundener Sehnsucht und grenzenloser Traurigkeit, dass einem das Herz auch nach unzähligen Hördurchgängen immer wieder aufs Neue zerspringt.
Das ist nur eines von vielen heute ikonischen Beispielen, die Nobuo Uematsu für „Final Fantasy VII“ geschrieben hat. Echte Dauerbrenner sind unter anderem auch das packende, von einem wuchtigen Chor vorgetragene „One Winged Angel“, die Kampfmusik, „Cosmo Canyon“ und und … es gibt einfach zu viel. Aber eines ist sicher: Höre ich „Tifa’s Theme“ auch nach fast 30 Jahren erneut, fühle ich mich heimisch und geborgen.
Cuphead
Ein Spiel im Look der Zeichentrickfilme der 30er-Jahre braucht einen entsprechenden Soundtrack. Kristofer Maddigan hat genau einen solchen komponiert und knapp drei Stunden originäre Jazz-, Big-Band- und Ragtime-Musik geschrieben, die genauso auch vor knapp 100 Jahren für Begeisterung gesorgt hätte. Die schnellen und verspielten Rhythmen peitschen Spieler bei den vielen knallbunten wie knallharten Herausforderungen an – und sind doch stets maximal unterhaltsam. Persönliche Favoriten sind: „Floral Fury“, „Honeycomb Herald“.
Elden Ring
Wie für viele andere auch war „Elden Ring“ meine erste Erfahrung mit den düsteren wie bockschweren Adventure-Spielen aus dem Hause FromSoftware. Das Open-World-Game punktet neben gigantischen Bosskämpfen, vielen Geheimnissen und viel spielerischer Freiheit auch mit einer eindrücklichen Atmosphäre. An der hat der Gaming-Soundtrack einen maßgeblichen Anteil.
Während Areal-Musiken wie die zu Limgrave, Altus Plateau oder Leyndell eine geheimnisvolle und mythische Aura versprühen, geht es in den vielen monströsen Auseinandersetzungen in die Vollen. Dann wird es besonders episch, wenn etwa militärisch anmutende Trommeln einen noblen Chor begleiten wie in „Starscourge Radahn“. Auch nicht zu verachten ist der Soundtrack zum DLC „Shadow of the Erdtree“. Insgesamt fünf Meister ihres Fachs waren für die Stücke zuständig: Tsukasa Saitoh, Shoi Miyazawa, Yoshimi Kudo, Yuka Kitamura und Tai Tomisawa.
Journey
Meine „Journey“-Reise begann nicht zuerst mit dem Spiel, sondern nur mit der Musik. Es war ein Konzert der internationalen „Video Games Live“-Reihe, in deren Rahmen verschiedene Soundtracks live in Kombination mit Spielausschnitten auf Leinwänden aufgeführt werden. Dort kam ich erstmals mit der zauberhaften Entwicklung von Thatgamecompany in Kontakt.
Die gezeigten Szenen zogen mich aufgrund ihrer Ästhetik sofort in ihren Bann, doch mehr noch war es die Musik, die mich zutiefst berührte. Nachdem die ersten einfühlsamen Klänge von „Nascence“ verklungen waren, ging es mit dem mitreißenden und höchst emotionalen „Apotheosis“ weiter. Abgerundet wurde das Segment mit einer Darbietung des Liedes „I Was Born For This“.
Ich war hin und weg und wollte so schnell wie möglich mehr über das Game erfahren und es vor allem spielen. Kaum war ich zu Hause, setzte ich mich direkt an den Rechner und bestellte Spiel und Musik-CD. Eine gute Entscheidung – „Journey“ ist eines der künstlerisch wie thematisch ergreifendsten Spiele, die ich je erlebt habe. Zum zehnjährigen Jubiläum interpretierte Komponist Austin Wintory seine Musik übrigens neu unter dem Titel: „Traveler – A Journey Symphony“.
Gaming-Soundtrack-Empfehlungen von Marlene Polywka
Ori and the Blind Forest
Der Soundtrack des Jump-’n‘-Run-Spiels „Ori and the Blind Forest“ ist seit Release einer, zu dem ich immer wieder zurückkehre. Die Musik von Gareth Coker fühlt sich bis heute wie eine warme Decke an, die ich auch um mich wickle, wenn es tragisch und ergreifend wird. Schon der erste Track, „Ori, Lost in the Storm“, weckt so viele Emotionen. Das hat auch etwas mit dem großartigen Spiel selbst zu tun. Es gibt aber für mich wenige Titel, wo Spiel und Soundtrack so perfekt ineinander greifen.
Coker setzt vor allem auf sanfte Streicher und Klaviermusik. Dabei schwankt sein Gaming-Soundtrack stets zwischen einer sphärischen Verspieltheit und tragisch-tragenden Themen. Stücke wie „Calling Out“ rütteln einen dann mit plötzlichen Trommeln und Gesang auf, bevor es in „Kuro’s Tale – Her Rage“ so richtig dramatisch wird. Übrigens ist der Soundtrack zum Nachfolger, „Ori and the Will of the Wisps“, mindestens genauso hörenswert.
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Spiritfarer
Wer „Spiritfarer“ noch nicht gespielt hat, sollte das unbedingt nachholen. Das Indie-Spiel bringt eine einzigartige Atmosphäre mit – und der Soundtrack ist ein wesentlicher Teil davon. In dem Videospiel übernimmt man die Rolle der neuen Seelenfährfrau Stella. In einer wunderschön designten sphärischen Spielwelt schippert man mit seinem Boot und einer wachsenden Anzahl Passagieren durch die Gegend.
Im Hauptthema des Gaming-Soundtracks wechseln sich dabei einfühlsame Streicher und gut gelaunte Holzbläser ab. So entsteht ein einzigartiges Gefühl wehmütiger Freude und Entspanntheit. Das macht die Musik nicht nur für sich selbst hörenswert; sie fängt auch die Thematik des Spiels perfekt ein. Meine persönlichen Favoriten sind dabei die Tracks „At Sea“ und „Song of Growth“ – letzterer wird im Spiel selbst von Stellas Katze Daffodil begleitet. Wunderschön ist aber auch das Thema in „First Snow“.
Divinity Original Sin 2
Borislav Slavov hat mehrfach mit Larian Studios zusammengearbeitet. Das neueste Ergebnis dieser Kooperation ist „Baldur’s Gate 3“, das man an dieser Stelle genauso gut platzieren könnte. Mit „Divinity: Original Sin 2“ habe ich mich aber für ein Spiel aus dem Jahr 2017 entschieden, das im Vergleich immer etwas unter dem Radar fliegt. Tatsächlich findet man viele Gemeinsamkeiten zu dem Gaming-Soundtrack von „Baldur’s Gate“. Stücke wie „Rivellon“ oder „Dancing with the Source“ in all seinen Variationen funktionieren für mich auch abseits des Spiels hervorragend. Und das Hauptthema bedient einmal die komplette Orchesterbandbreite.
The Legend of Zelda: Ocarina of Time
Mit seiner „The Legend of Zelda“-Reihe hat Nintendo eines der erfolgreichsten Gaming-Franchises überhaupt geschaffen. Und mit neueren Titeln wie „Breath of the Wild“ ist es dem japanischen Unternehmen gelungen, der Reihe einen vollkommen neuen Dreh zu geben. Auch dieses Spiel verfügt über einen tollen Soundtrack. Für mich persönlich transportiert „Ocarina of Time“ allerdings nach wie vor die Kernessenz der Spiele am besten.
Themen wie „Zelda’s Lullaby“ oder „Kakariko Village“ wurden mit dem Spiel aus dem Jahr 1998 richtig groß und bekannt. Kōji Kondō, fast schon Nintendos hauseigener Komponist, arbeitet bis heute mit dem Studio zusammen.
The Witcher 3: Wild Hunt
Etwas dramatischer wird es in „The Witcher 3: Wild Hunt“. Und ja, ich gehöre zu den Personen, die das Spiel in den Himmel loben und allen, die es hören wollen – und auch allen, die darauf verzichten könnten –, damit auf die Nerven gehen, wie vielseitig und großartig es ist. Mindestens genauso penetrant kann ich werden, wenn es um den Soundtrack geht. Marcin Przybyłowicz und Mikołaj Stroiński haben damit gemeinsam ein musikalisches Manifest geschaffen, das mich schon seit einem knappen Jahrzehnt begleitet.
Besonders einprägsam sind von Natur aus die Tracks zum Kampfgeschehen – und davon gibt es in „The Witcher 3“ reichlich. Prägnant ist dabei der halb geschriene Gesang, der in seiner Halbtonhaftigkeit stellenweise schon an der Dissonanz kratzt, dabei aber vor allem eindrücklich ist. Beeindruckend sind allerdings auch die vielen Tracks, die sich dem Landschaftserleben des Spiels widmen, was einen wesentlichen Teil der Spielerfahrung ausmacht. Themen wie das der Hexerfestung Kaer Morhen, die eingebettet in eine alpine Berglandschaft in einem friedlichen Tal liegt, oder „The Fields of Ard Skellig“, das oft ertönt, wenn man die sturmgepeitschten, rauen Skellige-Inseln erkundet, vergisst man nicht so schnell.
Ein Geheimnis dieses Gaming-Soundtracks sind sicherlich die eingesetzten Instrumente. Die Videospielreihe basiert auf den „Hexer“-Romanen des polnischen Autors Andrzej Sapkowsi. Diesen slawischen Einschlag sieht man den Spielen nicht nur an, man hört ihn auch. Instrumente wie die Gadulka, die Suka oder die Zither-ähnliche Gusli klingen für viele ungewohnt. Das macht den Soundtrack aber umso einprägsamer. Fantastisch sind im Übrigen auch die Soundtracks zu den beiden Erweiterungen „Heart of Stone“ und „Blood and Wine“, die jeweils neue musikalische Themen etablieren.
The Elder Scrolls 5: Skyrim
In einer Liste guter Gaming-Soundtracks darf auch „Skyrim“ nicht fehlen. Das Open-World-Urgestein aus dem Jahr 2011 hat einen der längsten und atmosphärischen Soundtracks überhaupt. Am prominentesten ist sicherlich der Song „Dragonborn“. Mit seinem kraftvollen Männerchor, dem vollen Orchester und vor allem den Blechbläsern stimmt Jeremy Soule auf das Spiel ein, ehe es überhaupt richtig angefangen hat. Denn der Track ertönt schon im Startmenü.
„Skyrim“ ist zudem eines dieser Spiele, in dem man endlos viel Zeit verbringen kann. Das liegt primär an der Weitläufigkeit der Spielwelt namens Himmelsrand. Da gibt es die weiten Ebenen und Bauernhöfe der zentralen Region Weißlauf und den riesigen Berg Hoch-Hrothgar. Im Westen die karge Bergregion Markarth, im Osten die weitläufigen Wälder um Rift und im Norden die eisige Küste bei Winterfeste. Für all diese Szenarien bietet das Spiel die passende musikalische Untermalung, die aber auch so viel mehr ist als einfach nur Hintergrundmusik.
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Weitere gute Gaming-Soundtracks
In der Redaktion wurde über die Auswahl der Spiele mitunter heftig diskutiert. Damit dieser Artikel in seinem Umfang nicht ausartet, haben wir uns darauf geeinigt, einige Highlights herauszustellen. Daneben wollen wir aber auch weitere Gaming-Soundtracks nicht unerwähnt lassen:
- God Of War (2018) – Bear McCreary
- A Plague Tale Requiem – Olivier Deriviere
- Horizon Forbidden West – Joris de Man, The Flight, Oleksa Lozowchuk and Niels van der Leest
- Firewatch – Chris Remo
- Dark Souls 3 – Motoi Sakuraba und Yuka Kitamura
- Street Fighter 2 – Yōko Shimomura
- Super Mario World – Kōji Kondō
- Abzû – Austin Wintory
- Hades – Darren Korb (der auf dem Gaming-Soundtrack übrigens auch als Sänger zu hören ist)
- The Last of Us – Gustavo Santaolalla
- Dragon Age Inquisition – Trevor Morris
- League of Legends – Christian Linke
- Baldur’s Gate 3 – Borislav Slavov
- Kingdom Hearts – Yōko Shimomura
- Eastshade – Phoenix Glendinning
- Assassin’s Creed (vor allem des 1. Teils) – Jesper Kyd
- Gris – Berlinist
- Beat Saber – Jaroslav Beck