2. Dezember 2024, 15:52 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Inzwischen wurde offiziell bestätigt, das GameStop seine verbliebenen Filialen in Deutschland schließt. Auch wenn sich das bereits abgezeichnet hatte, trifft es einige hart – darunter TECHBOOK-Redakteurin Marlene Polywka.
Jetzt ist es also so weit, die verbliebenen GameStop-Shops schließen ihre Türen endgültig, zumindest in Deutschland. Für mich geht damit ein wesentliches Stück meiner Kindheit verloren. Und auch über meine persönlichen Erinnerungen hinaus finde ich, dass das ein echter Verlust ist.
GameStop in seinen besten Zeiten
Als ich ungefähr zehn Jahre alt war, eröffnete GameStop seine ersten Geschäfte in Deutschland. Und in meinen besten Teenagerjahren kurz darauf war es eine gemeinsame Nachmittagsbeschäftigung, durch den nächsten GameStop-Laden zu ziehen und jedes – wirklich jedes! – Spiel zu begutachten. Während man mich verlässlich immer aus der Nintendo-Ecke zerren musste, konnten auch meine Freunde Stunden damit zubringen, den Klappentext jedes Videospiels im PlayStation-Regal mehrfach durchzulesen und mit anderen zu vergleichen.
Bis heute ist es für mich eine feste Tradition, in der Weihnachtszeit einen Abstecher zu GameStop zu machen und ein bisschen zu schmökern. Dabei finde ich verlässlich immer ein bis zwei Spiele für mich selbst. Aber auch für besagte Freunde erledigt sich das Weihnachtsgeschenkekaufen dort immer von allein. Dieses Mal wird es wohl scheinbar das letzte Mal so sein.
Ein aussterbendes Modell
Kaum ein Markt ist inzwischen so umfangreich digital aufgestellt wie die Games-Branche. Das liegt schon in der Natur des Produkts, um das es geht: Videospiele. Anbieter wie Steam und ihre Geschäftsmodelle sind enorm erfolgreich und das ja auch mit Recht. Bei der Masse an neuen Spielen ist es schlicht und ergreifend einfacher, einen neuen Titel per Klick online zu kaufen und direkt der eigenen Bibliothek hinzuzufügen.
Allerdings hat das auch einen entscheidenden Nachteil, der zuletzt wieder für Diskussionen sorgte. Bei Steam und Co. kauft man die Spiele nicht im herkömmlichen Sinne. Man erwirbt lediglich die Lizenzen für den Gebrauch. Das gilt genauso für jeden anderen Anbieter. Wenn ich aber zu GameStop gehe, mir ein Spiel aus dem Regal fische und es kaufe, dann ist es meins und ich kann es spielen, bis es den Geist aufgibt.
Hoch lebe das Tauschgeschäft
Das wird vor allem dann relevant, wenn bestimmte Spiele digital aus dem Sortiment fliegen, weil sie schlicht und ergreifend in die Jahre kommen. Was bin ich froh, dass ich damals wie eine Besessene alle „Pokémon“-Spiele gesammelt habe. Die Titel sind in ihrer physischen Ausgabe inzwischen nicht nur einiges wert, ich kann sie auch ohne entsprechendes Abo spielen. Ganz abgesehen davon, dass es auch einfach schön ist, die einheitlichen Hüllen im Regal stehen zu haben.
Apropos Hüllen: Mit GameStop stirbt auch eine – wie ich finde – großartige Tradition weiter aus. Bei uns wurde auf dem Schulhof mit Leidenschaft getauscht und geschachert. Diddl-Blätter, Harry-Potter-Sticker und eben auch Videospiele. So wurde Gaming auch auf dieser Ebene zum gemeinsamen Erlebnis. Du hast Spiel X noch nicht gespielt? Kein Problem, ich leihe es dir oder wäre bereit, es gegen Titel Y zu tauschen, wenn du noch eine Packung Kaugummis draufpackst und mit mir endlich dein legendäres Pokémon tauschst.
Retrospektiv habe ich so enorm viel gelernt. Unter anderem, wie vorteilhaft es sein kann, auf etwas ein Monopol zu haben. Aber auch das Pflegen langfristiger Handelsbeziehungen. Wenn ich mir meine heutige Sammlung so anschaue, dann habe ich 90 Prozent davon mit Sicherheit bei GameStop erworben. Und mit den Spielen eine enorm gute Zeit und schöne Erinnerungen.
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Der Markt verändert sich
Neben diesem Wir-Gefühl, das damit für mich einhergeht, sollte man zudem nicht aus dem Blick verlieren, dass Konzepte wie das von GameStop auch Ressourcen-schonend sind. Ja, digitale Ausgaben verursachen natürlich in der Produktion weniger Kosten und verbrauchen überhaupt keine Rohstoffe, in der späteren Nutzung dafür umso mehr. Der CO2-Ausstoß und Datenverbrauch etwa von Cloud Gaming ist enorm. Die überwiegende Mehrheit der Rechenzentren funktioniert zudem nicht mit „grünem“ Strom. In anderen Branchen ist deshalb Secondhand-Shopping auf dem Vormarsch. Bei Videospielen scheinbar nicht oder zumindest nicht in einem Ausmaß, dass es das US-amerikanische Unternehmen veranlassen würde, seine Läden hierzulande offenzuhalten.
Dass GameStop nun tatsächlich seine Filialen in Deutschland schließt, lässt mich insgesamt ein wenig ratlos zurück. Das betrifft sowohl den Blick auf das große Ganze als auch den ins Private. Ja, gebrauchte Spiele und Konsolen kann man auch online kaufen. Aber das Gefühl, mit den Fingern über die ausgestellten Spiele zu klappern und sich zu fragen, wem die Ausgabe vorher gehört haben mag, werde ich persönlich sehr vermissen, genauso wie den oftmals euphorischen Nerd-Talk mit den Mitarbeitern vor Ort.
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Mit GameStop geht eine wichtige Mentalität verloren
Das GameStop-Aus macht mir aber auch aus einem anderen Grund Sorgen. Ich frage mich zum Beispiel, ob es Ausdruck für eine Entwertung „älterer“, gebrauchter Spiele ist. Aktuell platzt der Markt aus allen Nähten. Ein Highlight jagt das nächste; alles kann ohnehin niemand mehr spielen. Das erhöht den Druck auf neue Produktionen enorm. Und die Fälle, in denen ältere Titel einen zweiten Frühling erleben, werden immer seltener. Zu massiv schreitet der technische Fortschritt voran. Zu groß ist die Konkurrenz nachdrängender Spiele.
An Konzepten wie dem von GameStop verdienen die Studios nach dem Erstverkauf nichts mehr. Ein Spiel wird in diesem Sinne für sie direkt „wertlos“. Diese Mentalität spürt man auch als Spieler und das ist einfach schade.