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eSportlerin Dilana: „Wie oft ich gehört habe: ‚Du bist megagut für eine Frau‘“

Dilana „Sunny“ eSports Interview Frauen Gaming
Auch wenn sich im Games- und eSports-Bereich schon einiges tut, sind Frauen dort immer noch unterrepräsentiert Foto: SKGaming | Deutsche Telekom
Marlene Polywka Techbook
Redakteurin

6. März 2023, 18:06 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Lange Zeit galt Gaming als reine Männerdomäne. Die Gründe dafür sind vielfältig, allerdings kann man zunehmend Veränderungen in der Branche wahrnehmen. TECHBOOK hat mit der ersten professionellen „Brawl Stars“-Spielerin gesprochen.

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Aktuelle Statistiken legen nahe, dass der Frauenanteil bei Videospiel-Nutzern nicht nur kontinuierlich wächst. Er ist inzwischen sogar etwas größer als der männliche Anteil. Das liegt zum einen an „neuen“ Gaming-Medien wie dem Smartphone, die leichter zugänglich sind. Zum anderen löst sich die Stigmatisierung des ganzen Bereichs als Männerdomäne und auch von Gaming als Nischenprodukt zunehmend auf. Trotzdem sind Frauen im eSport nach wie vor eine Seltenheit. Doch woran liegt das?

Sunny“, die eigentlich Dilana heißt, ist die erste Frau, die das beliebte Handyspiel „Brawl Stars“ auf professionellem Niveau gespielt hat. Inzwischen coacht sie das erste rein weibliche Team der Liga. Mit TECHBOOK hat sie ihre Erfahrungen als Spielerin, vor allem aber auch als Coach, geteilt und erzählt, auf was es ihrer Meinung nach beim eSport ankommt und wie sich Gaming positiv auswirken kann.

„Brawl Stars“ als Zufallsprodukt des Lockdowns

Die Geschichte der jungen Schweizerin liest sich abenteuerlich. Die 24-Jährige kommt eigentlich aus der Leichtathletik, klettert gern und ist auch sonst für jede Aktivität an der frischen Luft zu haben. Durch ihre Familie habe es zwar schon durchaus Berührungspunkte mit Videospielen gegeben, dass sie selbst aber so viel und dann noch professionell zocken würde, hätte sie nicht gedacht. „Tatsächlich habe ich letztlich durch Covid mit dem Gaming angefangen. Vorher war ich sportlich sehr aktiv, Hauptsache draußen. Wenn ich heute Leuten von früher, die mich länger nicht gesehen habe, erzähle, dass ich eSports mache, dann fällt ihnen erst mal die Kinnlade runter. Ich hatte früher gar nichts mit Gaming am Hut“, sagt „Sunny“.

Tatsächlich hat die Corona-Pandemie der ganzen Gaming-Industrie einen kräftigen Schub verliehen. Vielen ging es während der Lockdowns ähnlich wie Dilana; Videospiele, gerade Mobile Games, erfreuen sich seitdem noch größerer Beliebtheit. Die Entscheidung für „Brawl Stars“ war in Dilanas Fall keine bewusste. Sie habe sich einfach das erstbeste Mobile Game aus dem App Store auf ihr Handy geladen, das interessant aussah. Schnell entdeckte die Schweizerin, die übrigens aktuell auch Medizin studiert, ihre Leidenschaft und auch ein gewisses Talent.

Der Weg zur professionellen eSportlerin

Durch ihre guten Statistiken innerhalb des Spiels fiel sie einer Organisation auf, die noch Spieler für ein Turnier suchte. In mehr als 20 Tryouts setzte sich die junge Frau schließlich durch. „Das erste Telefonat, das ich dann mit denen (der anfragenden Organisation) hatte, war ziemlich lustig. Das war nach dem Motto: ,Hä was, du bist eine Frau?’“ Diese oder ähnliche Reaktionen begegnen Dilana bis heute, wenn auch nicht mehr so extrem wie zu ihren Anfangszeiten. Das hat zum einen mit ihrer eigenen Bekanntheit, aber auch dem generellen Wandel der Branche zu tun.

Gerade zu Beginn war ihr Geschlecht in Kombination mit ihrer Tätigkeit als eSportlerin aber immer das zentrale Thema.

Die ersten zwei Wochen beim „Brawl-Stars“-Spielen habe ich immer noch gesagt „Hallo ich bin Dilana, ich bin eine Frau.“ Dann habe ich aber schon erste negative Erfahrungen gemacht in die Richtung „Ja gut, dann Tschüss. Du bist eine Frau, du bist eh schlecht.“ Und dann habe ich sogar Anfragen von 14-Jährigen bekommen, ob ich nicht ihr Virtual Girlfriend sein will. Daraufhin habe ich irgendwann gesagt, dass ich auch ein 16-jähriger Typ bin. Das ist dann eine Weile so geblieben, bis es um eSports ging. Klar, meine Teammates wussten, dass ich eine Frau bin, wir waren ja jeden Tag im Call. Aber beim allerersten Wettkampf, an dem ich teilgenommen habe, wurden Spielerbilder veröffentlicht. Das hat zu ziemlich witzigen Reaktionen geführt, auch im Publikum: „Hä, ist das jetzt ein Typ mit langen Haaren? Oder ist das tatsächlich eine Frau?“ Und bis heute, bis die Telekom die Equal eSports Initiative gegründet hat, war ich immer die einzige Frau auf der ganzen Welt, die im Profibereich in Brawl-Stars-Turnieren angetreten ist. Das wusste ich lange Zeit gar nicht, finde es mittlerweile aber ziemlich schockierend.

Dilana „Sunny“ zu TECHBOOK

Trotz dieser Erfolge war es für sie langfristig nicht einfach, ein Team zu finden. Konkrete Hürden aufgrund ihres Geschlechts seien ihr vor allem begegnet, als sie sich einem Team in der obersten Liga anschließen wollte, erzählt Dilana im TECHBOOK-Interview. Sowohl von Spielerseite als auch von Coaches, die sie aufgrund der angeblich gestörten Team-Chemie nicht dabei haben wollten. Und auch vermeintlich gut gemeinte Sprüche seien keine Seltenheit gewesen: „Wie oft ich gehört habe: ‚Du bist megagut für eine Frau.’“

Auch interessant: Wie wird man eigentlich eSportlerin oder eSportler?

Erste Erfahrungen als eSport-Coach

Generell sieht die ehemalige Spielerin und inzwischen als Coach aktive „Sunny“ aber keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern beim Spielen. Nur bei der Kommunikation sei es am Anfang mit ihrem vierköpfigen Frauenteam etwas schwierig gewesen. Unnötig viele Worte und gegenseitige Rücksichtnahme seien nun mal bei einem Spiel in Echtzeit nicht unbedingt förderlich. Da brauche es klare Ansagen, wer wo hingeht und dabei was zu tun hat. Auch bei der Rollenverteilung galt es vor allem zu Beginn, ihr Team etwas aus ihrer Komfortzone zu locken und auch an Brawler-Typen heranzuführen, die ihnen vielleicht auf den ersten Blick weniger zusagen wie etwa ein etwas robusterer Tank, der auch mal die direkte Konfrontation mit dem Gegner sucht. Das habe sich aber schon innerhalb weniger Wochen enorm geändert, sagt Dilana.

Gecoacht hatte sie auch schon für zwei Jahre in der Leichtathletik, vor ihrer Gaming-Zeit. Und auch, bevor sie das Frauen-Team von SK Averosa übernommen hat, dessen Mitglieder zwischen 18 und 20 Jahre alt sind, war sie schon bei „Brawl Stars“ als Coach aktiv – allerdings nur für Männer. Der entscheidende Unterschied beim Coaching der verschiedenen Teams sei dabei nicht unbedingt das Geschlecht, sondern vielmehr die Erfahrung gewesen. „Diese zwei männlichen Teams, die ich vorher gecoacht habe, waren sehr anders (…). Es war ganz anders in dem Sinne, dass die sechs Spieler, die ich trainiert habe, schon lange im eSport tätig waren. Ich glaube, dass die längere Spielerfahrung viel entscheidender war, als dass das Männer waren. Sie waren länger dabei und wussten beispielsweise schon, wie sie kommunizieren müssen, kurz und knapp, um schneller ans Ziel zu kommen.“

Frauen- und Mixed-Teams im eSport

Was außerdem niemand erwartet hatte, war die Reaktion auf das reine Frauenteam, das im Rahmen der Equal eSports Initiative zustande kam. Die Initiative ist das Ergebnis einer Kooperation der Deutschen Telekom und der bekannten deutschen eSport-Organisationen SK Gaming und der eSports Player Foundation. Von Beginn an gab es eine recht große Aufmerksamkeit für das Projekt und auch die teilnehmenden Personen. Dabei seien die Reaktionen zwar durchweg positiv gewesen, sagt Dilana. Allerdings hätten sich viele auch eher deswegen und „wegen des Aussehens der Mädels für uns interessiert und weniger wegen ihres spielerischen Könnens (…). Das war auch ein Thema bei uns, weil niemand damit gerechnet hatte, dass ein Coaching in dieser Richtung mal wichtig werden würde. Wir haben dann einen zweistündigen Call mit allen gemacht, in dem wir besprochen haben, wie man mit Aufmerksamkeit von so vielen Jungs umgeht. Wir haben auch Tipps gegeben, auf was die Spielerinnen besser nicht eingehen.“

Langfristig soll es aber auch Mixed-Teams bei den Turnieren geben. Das wäre auch Dilanas Ziel. Gerade im Gaming sei es wie in kaum einer anderen Sportart möglich, so etwas umzusetzen, da die körperlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern so gut wie gar nicht ins Gewicht fallen würden. Ihrer Meinung nach käme es viel mehr auf Strategie, das Zusammenspiel innerhalb des Teams und die Kommunikation untereinander an.

Gaming-Skills sind universell anwendbar

Das sind im Übrigen alles Fähigkeiten, die abseits von Videospielen, in Beruf und Privatleben, wichtig sein können. Ihr persönlich hätten die erlernten Skills viel gebracht, vor allem im Zwischenmenschlichen – aber auch auf ganz praktischen Ebene. „Ich hatte auch mal ein Gespräch mit einem Chirurgen, der früher viel gezockt hat. Er hat dann gemerkt, dass er bei laparoskopischen Eingriffen (…), bei denen man nicht direkt, sondern nur über eine Kamera sieht, was man macht (…), schon von Beginn an viel besser damit umgehen konnte als jemand, der nicht gezockt hat.“

Genau das zeigte auch 2013 ein Versuch, der nachwies, dass Chirurgen durch das regelmäßige Spielen mit einer Nintendo Wii ihre Hand-Augen-Koordination gut trainieren und verbessern konnten. Und es gibt tatsächlich diverse weitere Studien, die beweisen, dass auch andere Faktoren positiv durch Videospiele beeinflusst werden. So war bei Spielern etwa die generelle Reaktionszeit auf äußere Reize deutlich verkürzt. Reaktion meint in diesem Fall sowohl Reflexe und Präzision als auch die Fähigkeit, schnell Entscheidungen zu treffen. Auch im Hinblick auf Multitasking, kognitive Ausdauer und sogar Kreativität haben Gamer oft einen Vorteil.

Erst 2022 konnten Forscher der Universität Tübingen sogar nachweisen, dass durch regelmäßiges und häufiges Videospielen der sogenannte Zahlensinn trainiert wird. Bei diesem geht es darum, schnell die Anzahl von Gegenständen einschätzen zu können. Die Forscher nehmen deshalb an, dass es für Gamern einfacher ist, ihre Aufmerksamkeit gezielt zu lenken, als für Nicht-Gamer. Dilana berichtet außerdem von ihrer persönlichen Erfahrung und der Fähigkeit, sich des Teams um sich herum und seiner eigenen Rolle darin bewusst zu werden – etwas, das für ihren Krankenhausalltag sehr nützlich ist.

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»Habe ich mich bisher weniger als Vorbild gesehen

Wie es genau mit ihr selbst und dem Team weitergehen soll, weiß sie hingegen noch nicht. Zum Zeitpunkt des Interviews Mitte Januar steht noch nicht fest, ob es etwa ein Mixed-Team geben soll. Dabei ist es Dilanas großes Ziel, mindestens einen ihrer Schützlinge in so einem Team unterzubringen. Für sie selbst zieht sie sowohl aus zeitlichen als auch persönlichen Gründen eine weitere Karriere als Spielerin nicht in Betracht, dafür aber als Coach. Ein gutes Angebot habe sie allerdings aufgrund ihres Studiums bereits ablehnen müssen.

Dass sie selbst mit ihrem Werdegang ein Vorbild für andere ist, ist ihr bewusst. Das spiegelt ihr auch ihr Team. „Mein Ziel und auch mein Antrieb, überhaupt eSport zu machen, ist die Vorbildfunktion. Allerdings habe ich mich bisher weniger als Vorbild und viel mehr wie eine Kollegin gefühlt. Dass ich für andere ein Rolemodel sein könnte, habe ich erst richtig als Coach realisiert. Wir hatten vor dem Start vom SK Team Avarosa etliche Tryouts und mega viele dieser Mädchen haben zu mir gesagt: ‚Hey, ich habe damit nur wegen dir angefangen.“ Oder ‚Ich hab mich jetzt hier nur beworben, weil ich gehört habe, dass du Coach bist‘.“

Da uns die Gleichberechtigung und Repräsentation von Frauen im Technik-Bereich besonders am Herzen liegt, befassen wir uns in einer eigenen Reihe mit dem Bereich Frauen in Tech-Berufen. Damit möchten wir aufklären, aber auch neue Möglichkeiten schaffen.

Quellen

Themen eSport Interview
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