16. September 2016, 12:37 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ab dem 29. September verbringen Fußball-Fans ihre Zeit wieder vor der Konsole, denn „Fifa 17“ kommt in den Handel. Eine beliebte Diskussion bei jedem neuen Teil der Fußball-Simulation: Welche virtuellen Kicker wurden zu gut, welche zu schwach eingestuft? TECHBOOK hat den Mann aufgespürt, der für die Spielerwerte verantwortlich ist.
Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo? Robert Lewandowski oder Pierre-Emerick Aubameyang? Sobald es um Fußball geht, ist Streit vorprogrammiert – auch unter „Fifa“-Freunden. Jedes Jahr erscheint ein neuer Teil der Fußball-Simulation für PlayStation, Xbox und PC. Und jedes Jahr streiten sich Fans über die Spielerwerte, die Hersteller EA Sports den virtuellen Athleten verpasst.
Dazu muss man wissen: Jeder Spieler in der Fußball-Simulation ist ein komplexer Datensatz. Die Kicker haben nicht nur Attribute wie Schusskraft, Sprintgeschwindigkeit und Kopfball-Präzision, sondern auch Dutzende Werte zwischen 1 und 99 für Fähigkeiten wie Stellungsspiel, Balance, Manndeckung und vieles mehr.
In „Fifa 17“ wird es 18.000 virtuelle Kicker geben
Doch wer bestimmt eigentlich, welcher Spieler welchen Wert erhält? TECHBOOK hat mit Michael Müller-Möhring gesprochen. Er ist als Head of Data Collecting & Licensing bei EA Sports der Mann hinter den Werten und verantwortlich dafür, dass Zlatan Ibrahimovic beispielsweise einen drei Punkte besseren Schusswert hat als Robert Lewandowski. Dafür aber einen Punkt weniger in Sachen Dribbling als Gareth Bale.
Wobei Müller-Möhring nicht all diese Werte im Alleingang eintippen kann. In „Fifa 17“ wird es rund 18.000 Spieler geben, die ihren realen Ebenbildern möglichst detailgetreu ähneln sollen – vor allem in Sachen Leistung auf dem Platz. Dafür braucht es ein großes Team aus Fußballexperten.
„Wir haben in jeder Liga zwischen fünf und zwanzig Fußballexperten“, erklärt Müller-Möhring. „Das sind lokale Leute, die Fußball lieben, die ‚Fifa‘-Serie kennen und gerne mit Zahlen jonglieren.“
In großen Ligen, beispielsweise der Premier League oder auch der Bundesliga, gibt es für fast jeden Verein einen eigenen Experten. Aber auch für kleinere Ligen, etwa in Skandinavien, hat EA Sports Menschen gefunden, die sich gut auskennen und auch den zweiten Torwart eines schwedischen Aufsteigers unter die Lupe nehmen. Mehr als 250 dieser Data Editors hat der Spiele-Hersteller verpflichtet. Sie schätzen die Leistung der Spieler und tragen anschließend die Werte in eine große Datenbank ein.
8000 Fußball-Fans überprüfen die Werte
Von Maschinen erhobene Werte spielen für die Einschätzung der Spieler hingegen keine Rolle. „Natürlich können objektive Messprozesse Tendenzen aufzeigen, aber ich finde, dass diesen objektiven Daten häufig die Relation fehlt. Der Wert wird nicht im Kontext gesehen. In welcher Höhe kam der Pass an? Wie schwer war die Flanke zu nehmen? Welches System spielt der Trainer? Das alles beeinflusst diese Werte, wird aber im Nachhinein nicht ersichtlich. Deshalb vertrauen wir lieber auf das Feedback unserer Experten.“
Damit die Experten sich dennoch nicht zu häufig vertun, lässt EA Sports die eingetragenen Werte nonstop überprüfen. Mehr als 8000 ehrenamtliche Fußballverrückte und „Fifa“-Fans aus aller Welt, die sogenannten Data Reviewer, stöbern pausenlos durch die globale Datenbank, markieren und kommentieren Einträge, die ihnen komisch vorkommen. „Wir müssen natürlich sicherstellen, dass niemand einfach nur seine Lieblingsmannschaft pushen möchte“, erklärt der Datenexperte. „Wenn uns ein Wert zu übertrieben vorkommt, halten wir Rücksprache mit den Experten und passen die Werte gegebenenfalls an.“
Mehr Tech-Themen? Hier auf Facebook und Twitter folgen!
Auch interessant: Dieser 24-Jährige lebt den Traum aller „Fifa“-Zocker
Einmal, erinnert er sich, habe er beispielsweise seinen spanischen Data Editor anschreiben müssen. Dieser hatte einem jungen Spieler, gerade einmal 18 Jahre alt, Werte im 90er-Bereich verpasst – also ihn direkt auf eine Stufe mit den Weltklasse-Akteuren gehoben. „Ich rief ihn an und sagte ihm, dass diese Werte jawohl nicht sein könnten. Kein Mensch kannte diesen jungen Spieler. Doch mein Data Editor sagte nur immer wieder, dass dieser Junge aus Argentinien ein ganz Großer werden wird. Letztlich haben wir die Werte trotzdem etwas heruntergeschraubt. Damals kannte ihn schließlich niemand, diesen Spieler namens Messi.“
Berufskrankheit „Fifa“-Experte
Entpuppt sich ein Spieler im Nachhinein als deutlich besser als eingeschätzt, justiert EA Sports mit einem Online-Update nach. Das Feedback der Fans sei dabei aber nicht immer ausschlaggebend. „Wir schauen uns jedes Feedback an, denn natürlich machen wir Fehler, aber im Fußball glaubt ja meist jeder, der größte Experte zu sein“, weiß der Profi nach mehr als zehn Jahren Erfahrung.
Ihn selbst hat der Job als Fußball-Fan geprägt. „Sobald ich ein Spiel schaue, achte ich auf so viele Details. Ein Spieler schlägt eine schöne Flanke und schon frage ich mich, ob das bei uns im Spiel passend eingeschätzt ist. Das ist eine Berufskrankheit. Entspannen kann ich mich eigentlich nur bei den Spielen meines Vereins, Fortuna Köln. Den gibt es zum Glück noch nicht in ‚Fifa‘.“