27. Juli 2024, 8:48 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Commodore beherrschte Anfang der 1980er-Jahre den noch jungen Computer-Markt. Zur bis heute verehrten Ikone wurde das Modell C64, das 1982 auf den Markt kam und sich millionenfach verkaufte. Anfang der 90er-Jahre häuften sich aber Fehlentscheidungen des Managements, sodass 1994 Insolvenz angemeldet werden musste.
1954 gründete Jack Tramiel, der als Junge die Konzentrationslager in Auschwitz und Hannover-Ahlem überlebt hatte, im kanadischen Toronto das Unternehmen Commodore International, kurz Commodore. Der Hersteller vertrieb zunächst Schreibmaschinen, deren Einzelteile man zuvor günstig eingekauft hatte und dann montierte. Die Geschichte eines der noch heute bekanntesten Unternehmen begann.
Übersicht
Japan – Konkurrent und Inspiration zugleich
Schon wenige Jahre nach der Gründung von Commodore musste Tramiel einsehen, dass man mit der immer stärker aufkommenden Konkurrenz aus Japan nicht mithalten konnte. So versuchte der Unternehmer sein Glück nun zunächst mit mechanischen Addiermaschinen. Jedoch musste es sich Mitte der 1960er-Jahre erneut den Japanern geschlagen geben. Auf den Rat seines Hauptinvestors hin reiste Tramiel nach Japan, um sich dort selbst ein Bild von der überlegenen Wettbewerbsfähigkeit seiner Konkurrenten zu machen.
Von dieser offensichtlich inspirierenden Reise kehrte er nach West Chester in Pennsylvania (dorthin war Commodore mittlerweile gezogen) mit der Idee zurück, sich ab sofort auf die Herstellung von Taschenrechnern zu konzentrieren. Die dazu notwendigen Bauteile lieferte Texas Instruments, während Commodore, wie gehabt, die Einzelteile zusammensetzte. Dieses Geschäftsmodell funktionierte bis 1975. In diesem Jahr entschloss man sich bei Texas Instruments, fertig montierte Taschenrechner unter dem eigenen Namen auf den Markt zu bringen. Natürlich war TI in der Lage, die Preise von Commodore deutlich zu unterbieten, sodass sich Tramiel wieder einmal vor vollendete Tatsachen gestellt sah. Ihm war bewusst, dass Commodore sich, wollte man auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein, aus der Abhängigkeit von Zulieferern lösen musste.
PET 2001 und C64
Dies gelang ein Jahr später, 1976, als Commodore mit MOS Technology einen der damals wichtigsten Chip-Produzenten übernahm. Dieser Schritt sollte sich als doppelter Gewinn herausstellen. Commodore konnte jetzt nicht nur frei auf die Taschenrechner-Bauteile zugreifen. Man hatte sich mit dem Entwickler-Team von MOS Technology, allen voran Chuck Peddle, auch eine ganz neue Kompetenz ins Haus geholt. Peddle wurde nahezu umgehend zum Entwicklungschef bei Commodore ernannt. Er zeigte Tramiel das zukünftige, enorme Gewinne versprechende Potenzial des Mikrocomputer-Marktes auf.
Der Unternehmer ließ sich überzeugen, und bereits 1977 kam mit dem PET 2001 der erste Computer aus dem Hause Commodore auf den Markt. Zudem war der PET 2001 der weltweit erste, in Serie hergestellte Personal Computer, der preislich für Privathaushalte nicht ganz und gar unerschwinglich war. Zwar war der Commodore-Rechner mit einem Kaufpreis von anfangs fast 3000 Mark nun auch nicht gerade ein Sonderangebot, Konkurrenzmodelle aber waren um ein Vielfaches teurer. Kleine Anekdote am Rande: In Deutschland wurde der PET 2001 vom damals größten deutschen Versandhaus, Quelle, vertrieben.
Lesen Sie auch: Warum „Floppy Disks“ teilweise heute noch unverzichtbar sind
Verkaufsschlager Commodore C64
In den kommenden Jahren schickte sich Commodore an, Schritt für Schritt die Marktführerschaft bei den Heimcomputern zu übernehmen. Daran hatte vor allem das 1982 präsentierte Modell C64 großen Anteil. So konnte Commodore 1983 einen Marktanteil von 25 Prozent verbuchen, während die deutlich abgeschlagene Konkurrenz von Apple und Hewlett-Packard mit 16,5 bzw. 11 Prozent mit dem zweiten bzw. dritten Rang vorliebnehmen musste.
Insgesamt konnten vom C64 22 Millionen Stück abgesetzt werden. Commodore war „ganz oben angekommen“, wie es so schön heißt, und nur das Beste war noch gut genug. So diente man sich von 1984 bis 1989 dem FC Bayern München als Trikot-Sponsor an und überwies pro Saison 2,5 Millionen Mark an den deutschen Rekordmeister. Ein gelungenes Investment, denn der Bekanntheitsgrad der Marke Commodore in Deutschland stieg während dieser Zeit doch von 31 auf 92 Prozent.
Amiga 500 – der nächste Erfolgstyp
Längst hatte sich Commodore auch international aufgestellt und weltweit Tochterunternehmen gegründet. In Deutschland war es die Commodore Büromaschinen GmbH, die ab 1982 von Frankfurt am Main aus erfolgreich die deutschen Geschäfte führte. In Braunschweig wurde gar ein Werk für die Endfertigung mit eigener Entwicklungsabteilung aus dem Boden gestampft. Natürlich lief parallel bei der Konzern-Mutter die Entwicklungsmaschinerie weiter auf Hochtouren. So stellte man nach den unmittelbaren, mäßig erfolgreichen C64-Nachfolgemodellen (Plus/4 und C128) 1987 mit dem Amiga 500 erneut einen echten Erfolgstypen vor. Gerade auch wegen seiner Bild- und Tonqualität, die deutlich über dem damals üblichen Standard von PCs lag, erwarb sich der Amiga 500 rasch den Ruf als bester Spiele-Computer auf dem Markt.
Schon drei Jahre zuvor, 1984, hatte Jack Tramiel Commodore im Streit verlassen. Untätig aber war der Unternehmer nicht geblieben. Er hatte noch im selben Jahr die damals defizitäre Heimcomputer-Sparte von Atari übernommen. Tramiel konnte zwar einige Erfolge erzielen, etwa mit dem Modell 520ST (1985), das mit 800 Dollar beinahe um die Hälfte günstiger war als der 1986 von Commodore präsentierte Amiga 1000. Ein heftiger Kampf um die Vorherrschaft auf dem Markt entbrannte nun jedoch zwischen Commodore und Atari, aus dem Commodore dank des Amiga 500 zunächst aber als Sieger hervorging.
Wie so oft in der Geschichte großer Unternehmen wurden aber im Erfolg entscheidende Fehler gemacht. Marktentwicklungen wurden verschlafen und viel Geld in wenig erfolgversprechende Projekte investiert. Auch das Marketing war wohl ausbaufähig, um es freundlich auszudrücken. So jedenfalls erzählt es Dave Haynie in seinem zweistündigen Film „The Deathbed Vigil and Other Tales of Digital Angst“ (übersetzt: „Die Mahnwache am Totenbett und andere Geschichten über digitale Existenzangst“; im Original verfügbar auf YouTube), den der Computer-Entwickler während der letzten Tage von Commodore International in der Konzernzentrale in West Chester drehte.
1982 C64 – der erste erfolgreiche Heimcomputer im Brotkastenformat
Nach mehreren Insolvenzen Was wurde eigentlich aus dem Computer-Händler Comtech?
„Comeback“ des ersten PCs Computer-Klassiker C64 kommt 2018 als Mini-Neuauflage
Das Aus und die Wiederauferstehung des PET 2001
Beinahe folgerichtig führten diese Versäumnisse zum endgültigen Aus. Am 29. April 1994 beantragte Commodore International die Insolvenz. Auch die Tochterunternehmen blieben nicht verschont, wobei Commodore Deutschland und Commodore UK dem Druck noch am längsten standhielten. Letztlich aber mussten auch diese beiden aufgegeben werden. Der deutsche Computerhändler und -hersteller Escom erwarb für verhältnismäßig sehr bescheidene 14 Millionen Dollar die Rechte an Amiga. 1996 aber war auch Escom Geschichte. Die Namensrechte an Commodore und Amiga blieben allerdings begehrt und wanderten in den folgenden Jahren durch verschiedene Hände. Aktuell soll die Polabe Holding E.V. die Lizenzen verwalten.
Commodore ist bis heute mehr als „nur“ ein Name und eine schöne Erinnerung für Sixtysomethings. Im Gegenteil, es ist ein regelrechter Kult vor allem um den C64 entstanden. Gerade erst hat der australische Hersteller Retro Fuzion angekündigt, im Dezember ein neues, aber originalgetreues Gehäuse für den C64 auf den Markt zu bringen. Das soll dann in vielen verschiedenen Farben verfügbar sein, wird allerdings nicht das „Commodore 64“-Label tragen, sondern unter RF 64 (Retro Fuzion 64) firmieren.
Bereits mehr als eine Ankündigung ist dagegen die Wiederauferstehung des PET 2001. Der schwedische Designer Love Hultén, bekannt für edle, voll funktionsfähige Retro-Konsolen und -Computer, hat sich 2018 des ersten Commodore-Rechners angenommen. Das originalgetreue Gehäuse seines PET de Lux ist aus amerikanischem Walnussholz gefertigt, während im Innern zeitgemäße Technik arbeitet. So ist gewährleistet, dass sogar Titel, die damals erst für den C64 verfügbar waren, mit dem PET de Lux gespielt werden können.