15. Juni 2023, 16:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Computer müssen immer in grauen oder schwarzen Kisten stecken. Nein! Schon in den Anfängen des Heim-PCs fühlen sich viele Menschen in ihrem ästhetischen Empfinden massiv gestört beim Anblick der langweiligen Gehäuse. Bald entwickelt sich eigenes Handwerk, in dem Versuch den PC individuell zu gestalten: Case Modding.
Case Modder betrachten ihren PC als eine Art Handtasche, als ihr persönliches Aushängeschild. Vor allem in der Gamer-Szene ist Case Modding verbreitet, da es hier seit jeher Praxis ist, PCs aus Einzelteilen selbst zusammenzubauen.
Die Anfänge von Case Modding
Es gibt beispielsweise bereits in den 1980er-Jahren speziell gestaltete C64- oder Amiga-Computer. Diese sind etwa mit verschiedenen Farbkombinationen der Nintendo Switch vergleichbar. Case Modder hingegen schrauben und schleifen alles selbst.
Doch warum verbringen Menschen tausende von Stunden ihrer Freizeit damit, ein PC-Gehäuse nach ihren eigenen Wünschen zu gestalten? Dafür müssen wir zurückgehen in die Zeit von LAN-Partys. Damals Mitte der 1990er-Jahre treffen sich Gamer in speziell angemieteten Hallen, um ihre Lieblingsspiele miteinander und gegeneinander zu zocken.
Alle Computer sind per Netzwerkkabel, sogenannten Ethernet-Kabeln, miteinander verbunden. Reine Online-Spiele gibt es zwar schon, allerdings kaum ausreichend Bandbreite.
Bei solchen LAN-Partys tauchen immer häufiger Spieler mit individuell gestalteten PC-Gehäusen auf. Einige Computer stecken in einem Alien-Kopf, andere in einer umfunktionierten Mikrowelle. Jedes Detail haben die Case Modder in mühevoller Heimarbeit selbst designt und zusammengeschraubt.
Das sorgt für Aufmerksamkeit. Immer mehr PC-Besitzer wünschen sich ein eigenes Computer-Gehäuse, um bei der nächsten LAN-Party die Queen oder der King of Modding zu sein.
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Auf die inneren Werte kommt es an
In den Anfängen legen Case Modder sehr viel Wert auf die liebevolle Gestaltung der Gehäuse-Außenseite. Nach und nach kümmert sich die Szene auch um die optische Aufwertung des Innenlebens.
Beim Case Modding geht es übrigens nicht nur darum, ein besonders interessantes oder ausgetüfteltes Gehäuse zu präsentieren. Schließlich handelt es sich immer noch um einen Computer. Und dieser soll bitte schön auch funktionieren.
Deswegen stellt die Umgestaltung und dezente Platzierung von Kabeln, Kühlrohren und Grafikkarten die Case Modder vor eine besonders anspruchsvolle Aufgabe. Die Computerindustrie hilft allerdings inzwischen mit technischen Weiterentwicklungen. Mittlerweile gibt es Extra-Kabel, gummierte Ösen und Abdeckungen für perfektes „Cable Management“. Zusätzliche Fixiermöglichkeiten erlauben ein freieres Anbringen von Röhren für Wasserkühlung, Grafikkarten und Laufwerken.
Die steigende Taktfrequenz von Prozessoren geht mit Hitze einher. Je höher die Taktzahl, desto stärker steigt die Temperatur im Inneren eines PC. Einfache Ventilatoren zur Kühlung reichen da vielfach nicht mehr aus. Wasserkühlung entwickelt sich plötzlich zu einer guten Möglichkeit, um Prozessorhitze in den Griff zu bekommen.
Die dafür notwendigen Schläuche lassen sich wunderbar beleuchten. Inzwischen gibt es sogar spezielle Leuchtflüssigkeiten. Da macht sogar das Zuschauen beim Kühlen richtig Spaß. RGB-Beleuchtung oder sogenannte Kaltlichtkathoden sorgen zusätzlich für eine stimmungsvolle Lichtatmosphäre im tiefsten Inneren des PCs.
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Die Case-Modding-Szene in Deutschland
Auch in Deutschland gibt es eine aktive Tüftler-Szene. Seit über 20 Jahren messen sich die Eifrigsten sogar bei der Deutschen Casemod Meisterschaft. Im April ist in Leipzig die 20. Ausgabe der Deutschen Casemod Meisterschaft über die Bühne gegangen. Den Meistertitel im Bereich „CaseMods“ gewinnt einmal mehr der in der Szene bekannte und beliebte Ali Abbas. Sein antiker Schreibtisch mit integriertem Computer fällt schon in die Kategorie Kunstwerk.
Achtung: Strahlung
Damit die Außenwelt davon einen Blick mitbekommt, ersetzen Case Modder eine oder mehrere Seiten des Gehäuses durch eine Temperglas-Scheibe. Das Sicherheitsglas ist widerstandsfähig, kratzfester als frühere Plexiglas-Varianten und sieht besser aus. Die durchsichtigen Seitenwände haben einen weiteren Nachteil. Elektromagnetische Spannung kann ungehindert aus- oder eintreten. Dabei handelt es sich um hochfrequente Strahlung. Im Extremfall stören die Strahlen andere Geräte wie Radio, TV oder ganze Funknetze – von den körperlichen Auswirkungen ganz zu schweigen.
Rein rechtlich wird jeder Case Modder zum Hersteller eines Computers. Für diese gilt die sogenannte EMV-Richtlinie. Diese EU-Norm regelt die elektromagnetische Verträglichkeit unter anderem von Computern. Wer jetzt als Case Modder anfangen möchte, sollte sich darüber vorab informieren.
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Case Modding für Anfänger
Wie bei jedem Trend besteigt irgendwann auch die Industrie den umsatzbringenden Zug. Es gibt inzwischen eine ganze Case-Modding-Industrie. Dort finden Anfänger und fortgeschrittene Computer-Bastler alles, was das Modding-Herz begehrt, von speziellen Leuchten über bunte Kabel bis hin zu großflächigen Gehäuseaufklebern.
Einige PC-Hersteller haben auch speziell vorbereitete PC-Gehäuse im Angebot, die dann individuell ausgestaltet werden können. Meistens sind die Seitenwände dann schon durch Plexiglas ersetzt.
Aber: Wenn Sie ernsthaft bei den nächsten Deutschen Casemod Meisterschaften antreten möchten, lassen Sie die Finger von vorgefertigten Einzelteilen. Echte Case Modder basteln (fast) alles selbst. Und nun viel Spaß beim Schrauben, Schleifen und Sägen!