10. Juni 2024, 16:14 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Der deutsche Plattenspieler-Hersteller Dual kann auf eine eindrucksvolle, an Irrungen und Wirrungen allerdings nicht arme Geschichte zurückblicken.
Dual. Es gab eine Zeit in der bundesdeutschen Geschichte, da war dieser Name beinahe das Synonym für den Plattenspieler per se. Ein Markenbegriff, der, ähnlich wie TEMPO beim Papiertaschentuch, zum Gattungsbegriff geworden war. Die Geschichte des Phono-Herstellers aus dem Schwarzwald aber ist viel älter als die der Bundesrepublik, und nicht immer war sie so glänzend, wie in den 1960er- und 1970er-Jahren. Aber der Reihe nach.
Übersicht
- Die frühen Jahre des Plattenspieler-Herstellers Dual
- Quantensprung dank Mikrorillen-Schallplatte
- Höhenflug dank Dual-Plattenspieler 1009
- Kompaktanlagen-Trend brachte Dual starke Umsatzzuwächse
- Anfang der 80er Jahre begann der vorläufige Niedergang
- Mehr als nur ein Dual
- Noch bis 2020 wurden am Stammsitz „echte“ Dual-Plattenspieler produziert
Die frühen Jahre des Plattenspieler-Herstellers Dual
Am 1. Februar 1907 gründete das Brüderpaar Christian und Josef Steidinger in St. Georgen im Schwarzwald die „Gebrüder Steidinger – Fabrik für Feinmechanik“. Hier wurden von 25 Angestellten in erster Linie Uhrmacherwerkzeuge, aber auch Grammophone mit Federantrieb hergestellt. 1911 aber kam es zum Bruch zwischen den Brüdern. Josef erhielt von Christian seine Geschäftsanteile in Bauteilen für Federwerke ausbezahlt. Und noch im selben Jahr gründete er die „Perpetuum Schwarzwälder Federmotoren und Automatenwerke; Inhaber Josef Steidinger“.
Christian dagegen entschied sich, vor allem den Produktbereich Grammophon weiter auszubauen und ließ neben der reinen Produktion auch die Produkt-(Weiter)Entwicklung vorantreiben. Und das zu einer Zeit, als der aufkommende Rundfunk die Existenz des Unternehmens bedrohte. So konnte er der Öffentlichkeit 1927 ein mit einem Elektromotor kombiniertes Federlaufwerk präsentieren, dem man den Namen Dual gab.
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Quantensprung dank Mikrorillen-Schallplatte
Ob Steidinger damals schon ahnte, dass dieser Name später zum Synonym für hochwertige Plattenspieler Made in Germany werden sollte, ist wohl nicht anzunehmen. Aber er hatte eine Entwicklung angestoßen, die ab 1933, mit der Übertragung der Firmenleitung an seine Söhne, Fahrt aufnehmen sollte. Oskar Steidinger verantwortete nun den kaufmännischen, Siegfried den technischen Bereich. Und auch die drei anderen Söhne, Christian junior, Richard und Erwin, sowie Kurt Anton, der Schwager der Brüder, bekleideten Positionen im Unternehmen. Im selben Zeitraum erweiterte man die Produktpalette auch um elektrische Tonabnehmer und Lautsprecher – ebenfalls unter dem neuen Markennamen Dual.
Das dann stetig zunehmende Interesse an elektrischen Plattenspielern veranlasste ab Mitte der 30er-Jahre auch den Steidinger-Clan, das größte Augenmerk auf die Entwicklung und Fertigung von Plattenspielern zu legen. So folgten nach dem 2. Weltkrieg erst der Plattenspieler für Schellackplatten – Schellack ist eine harzige Substanz, die man aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus nach ihrem Saugen an bestimmten Pflanzen gewinnt –, dann ab den 1950er-Jahren der Plattenspieler für Mikrorillen-Schallplatten. Diese Schallplatten, die wir heute kurz und knapp Vinyl nennen, bestehen statt aus Schellack aus PVC-Kunststoff.
Höhenflug dank Dual-Plattenspieler 1009
Die Mikrorillen-Schallplatte war damals ein Quantensprung, führte sie doch dank kleinerer Abtastnadeln zu einer deutlichen Steigerung sowohl der Tonqualität als auch der Spieldauer. Und nicht nur die Produktentwicklung machte große Fortschritte, auch die Infrastruktur des Unternehmens wurde vorangetrieben. So entstanden 1956 und 1958 zwei weitere Werke, in Meßkirch und in Mönchweiler. 1964 folgte in St. Georgen das vierte Werk.
Die Einführung des Modells „1009“ – der erste HiFi-taugliche deutsche Plattenspieler –, Anfang der 1960er-Jahre legte schließlich den Grundstein für den Aufstieg des Unternehmens zum größten deutschen Schallplattenhersteller. Damit begründete der „1009“, der ständige Weiterentwicklung erfahren sollte, auch den damaligen Ruf von Dual als Hersteller der wohl besten Plattenspieler überhaupt. Diese in jeder Hinsicht erfolgreichste Phase der Unternehmensgeschichte sollte bis in die späten 1970er-Jahre währen.
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Kompaktanlagen-Trend brachte Dual starke Umsatzzuwächse
Duals damaliger Erfolg hing nicht zuletzt auch mit dem Trend zur Kompaktanlage zusammen. Die vereinte Tuner, Verstärker, Kassettenrekorder und eben auch Plattenspieler in einem Gehäuse und entwickelte sich rasch zum Statussymbol. Nicht zuletzt auch wegen ihres Designs, das die Kompaktanlage gleich auch noch zum Möbelstück machte, ganz im individualistisch gefärbten postmodernistischen Stil der 70er-Jahre.
So bewarb etwa der deutsche HiFi-Hersteller Wega seine Kompaktanlagen mit dem Slogan „Die Technik hält, was die Form verspricht“. Nahezu alle deutschen HiFi-Hersteller, von Wega über Saba, Grundig, Loewe, Nordmende und Metz bis hin zu ITT Schaub-Lorenz setzten damals ausschließlich auf Dual-Plattenspieler. Und auch Dual selbst bot Kompaktanlagen an, selbstverständlich mit Plattenspielern aus dem eigenen Hause, während die weiteren Komponenten von bekannten Herstellern wie ITT Schaub-Lorenz oder Asahi kamen.
1971 übernahm Dual die einstigen „Perpetuum Schwarzwälder Federmotoren und Automatenwerke“ des längst verstorbenen Josef Steidinger. Das Unternehmen war nach dessen Tod 1925 mehrmals umbenannt worden und hatte zu diesem Zeitpunkt rund 1.400 Beschäftigte. Seit 1936 und der Heirat seiner Tochter Hermine mit dem Stuttgarter Fabrikanten Albert Ebner firmierte das Unternehmen als „Perpetuum – Ebner, Fabrik für Feinmechanik und Elektrotechnik, Steidinger & Co. KG“. Für Dual bedeutete die Übernahme weiteres Wachstum, wie überhaupt die erste Hälfte des Jahrzehnts geprägt war von zweistelligen Umsatzzuwächsen und stetiger Expansion.
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Anfang der 80er Jahre begann der vorläufige Niedergang
Das allerdings sollte sich schon in der zweiten Hälfte der 70er-Jahre ändern, als man den immer stärkeren Druck durch die japanische Konkurrenz zu spüren bekam. Das führte nicht nur zu Umsatzeinbrüchen auf dem heimischen, sondern auch auf dem für Dual so wichtigen nordamerikanischen Markt. Allerdings soll das nur ein Grund dafür gewesen sein – es rumorte auch intern und später machten Äußerungen zu massiven Fehlern im Management die Runde. 1981 musste man Insolvenz anmelden und Dual wurde nun selbst zum Übernahme-Objekt.
Die französische Thomson-Gruppe sicherte sich schließlich die deutsche Qualitätsmarke, ähnlich, wie man sich zuvor bereits Telefunken, Saba und Nordmende einverleibt hatte. Die Belegschaft schrumpfte im Zuge dessen von 2000 auf nur noch 650 Mitarbeiter. Thomson aber gelang es trotz einer Marktanpassung und einiger kluger Entscheidungen nicht – Dual zeichnete verantwortlich für den ersten in Deutschland gefertigten Compact Disc-Player –, die Marke zu sanieren. Verantwortlich dafür war nicht zuletzt das Erscheinen der CD, die der Schallplatte in kürzester Zeit den Rang ablief und damit auch den Plattenspieler zum Auslaufmodell machte. 1988 wurde Dual daher an das deutsche Unternehmen Schneider Rundfunkwerke AG weitergereicht.
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Mehr als nur ein Dual
Ein Schicksal, das dem einstigen Marktführer von Weltruf noch öfter widerfahren sollte. So gab Schneider Dual 1994 an die Karstadt AG ab, behielt aber den Markennamen für analoge Plattenspieler zurück. Karstadt führte Dual als Eigenmarke, unter deren Namen man in den Warenhäusern der Kette verschiedene Geräte der Unterhaltungselektronik (mit Ausnahme von Plattenspielern) vertreiben wollte. Das allerdings funktionierte bestenfalls leidlich, sodass 2004 der nächste Verkauf anstand. Und nun wurde es kompliziert.
Denn während die Dual-Nutzungsrechte für Europa an Linmark Electronics Ltd. gingen, wurden die für den asiatisch-pazifischen sowie den nordamerikanischen Raum an die Namsung Corp. in Südkorea verkauft. Namsung wiederum gründete in Florida ein Tochterunternehmen, das den Namen Dual Electronics führte.
2009 aber musste auch Linmark Electronics Ltd. Insolvenz anmelden. Die Markenrechte für Europa sicherte sich alsbald die in Fuchstal, nahe dem bayerischen Landsberg ansässige Dual GmbH. Die in Deutschland entwickelten Plattenspieler trugen zwar noch immer den Namen Dual, wurden jetzt aber in China für einen koreanischen Plattenspieler-Spezialisten produziert. Ab 2021 wurden Plattenspieler mit dem Namen Dual wieder in Landsberg produziert, wo man bestrebt war, zumindest optisch eine Verwandtschaft zu den klassischen Dual-Modellen erkennen zu lassen.
2022 aber meldete die Dual GmbH Insolvenz an, im April 2023 übernahm ein Investoren-Konsortium das Unternehmen. Und dort, in Fuchstal, ist man nach wie vor guter Dinge, unter dem Namen Dual weiterhin Plattenspieler (und u. a. auch DAB+-Radios) produzieren zu können.
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Noch bis 2020 wurden am Stammsitz „echte“ Dual-Plattenspieler produziert
Was aber wurde aus der Produktionsstätte in St. Georgen, dem Stammsitz von Dual? Die dortige Fertigungsstraße und die Produktpalette der analogen Dual-Plattenspieler waren bereits seit 1993 im Besitz der Alfred Fehrenbacher GmbH. Das 2002 gegründete Tochterunternehmen, die Dual Phono GmbH, erwarb bis 2007 von den bisherigen Rechteinhabern alle Lizenzrechte zur Verwendung des Markennamens für Plattenspieler. Bis 2020 wurden in St. Georgen nun wieder klassische Dual-Plattenspieler produziert.
Dann aber verweigerte man der Dual Phono GmbH die Verlängerung der mittlerweile abgelaufen Lizenz. Zunächst versuchten die Nachfolger des schon 2018 verstorbenen Alfred Fehrenbacher noch, unter dem Namen „Rekkord Audio“ Plattenspieler an die Frau oder den Mann zu bringen. Diese unterschieden sich von den Dual-Modellen allenfalls marginal und waren qualitativ absolut gleichwertig. Anfang 2022 aber musste man auch hier schließlich Insolvenz beantragen.
Ein letzter Hoffnungsschimmer glomm in St. Georgen noch einmal auf, als wenige Monate später die Abundantia GmbH einsprang. Der Name Abundantia sollte an die römische Göttin des Wohlstands erinnern. Allerdings ließ selbst die Göttin nach gerade einmal einem Jahr alle Hoffnung fahren. Die Betriebsstätte in St. Georgen, die gerade einmal noch neun Mitarbeiter beschäftige, wurde im Oktober 2023 endgültig geschlossen. Damit werden Plattenspieler, die den Namen Dual tragen, heute ausschließlich von der Dual GmbH entwickelt, produziert und vertrieben.