15. August 2019, 14:35 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Egal ob Bundesliga, Champions League, DFB-Pokal oder WM – wenn das runde Leder rollt, muss ich einfach einschalten. Doch meine Faszination für den Lieblingssport der Deutschen hat in den letzten Jahren abgenommen: Esports hat König Fußball langsam aber sicher von meinem persönlichen Sportthron gestürzt!
Die Zuschauerzahlen und Preisgelder bei Esports-Turnieren steigen seit Jahren rapide an. Gerade startete mit „The International“ das Esports-Turnier mit dem höchsten Preisgeld. Die besten DOTA-2-Teams der Welt kämpfen um insgesamt 33 Millionen Dollar. Gleichzeitig beginnt auch die neue Fußball-Bundesliga-Saison. Während es sich für Gamer schon lange um ernst zu nehmende Sportveranstaltungen handelt, wird das elektronische Kräftemessen von vielen immer noch als belangloses Gedaddel belächelt. Obwohl ich ein riesiger Fußballfan bin, schaue ich mittlerweile trotzdem lieber Esports-Übertragungen. Die Diskussion, ob es sich hierbei wirklich um Sport handelt, möchte ich an dieser Stelle erst gar nicht führen – für den Zuschauer macht es nämlich keinen Unterschied.
Die ewige Frage nach dem „Warum“
„Nur zuschauen und nicht selbst spielen? Das macht ja überhaupt keinen Sinn!“ Diesen Spruch habe ich gefühlt schon hundert Mal gehört. Ob direkt auf mich bezogen oder in abfälligerer Form in meinem Beisein, im Unwissen der Beteiligten, dass auch ich Esports verfallen bin. Was die Kritiker damit meinen, habe ich ehrlich gesagt nie verstanden – schließlich könnte man das bei jedem Sport sagen. Meine Reaktion auf das Unverständnis ist einfach: Ich gucke Esports, genau wie klassischen Sport, weil ich ihn auf dem höchsten Level genießen will, weil ich mitfiebern will und weil ich nicht selbst aktiv werden will. Besonders viel Gegenwind bekomme ich natürlich von den eingefleischten Fußballfans. Als Esports-Fan bin ich der Veganer unter den Sportguckern.
DOTA 2 ist spannender als Fußball
Esports ist der Überbegriff für eine ganze Reihe von Spielen, die auf den Wettbewerb zwischen einzelnen Spielern oder Teams ausgelegt sind. Zu den beliebtesten Genres zählen Ego-Shooter wie „Counter-Strike: Global Offensive“ (CS:GO) und Multiplayer Online Battle Arena (MOBA) wie „DOTA 2“ oder „League of Legends“.
Mein absoluter Favorit und das gleichzeitig das Vergleichsstück mit dem Fußball ist eben genanntes „DOTA 2“ („Defense of the Ancients 2“). Es treten zwei Teams mit je fünf Spielern gegeneinander an. Das Ziel: Zum Kern der gegnerischen Basis, dem sogenannten Ancient, vordringen und ihn zerstören. Dazu wählt jeder Spieler eine Spielfigur (Helden), den er in dieser Partie steuert. Insgesamt gibt es 117 sogenannte Helden, von denen jeder über spezielle Fähigkeiten verfügt.
Bereits 2014 erschien diese Dokumentation, die die Spieler beim größten DOTA-2-Turnier des Jahres „The International“ begleitet:
Alleine die unterschiedlichen Möglichkeiten, die sich aus den verschiedenen Heldenkonstellationen ergeben, sorgen dafür, dass jedes Match aufs Neue wieder interessant ist. Egal ob Start-Ziel-Sieg oder ein ständiges Auf und Ab, den Profis beim Spielen zuzusehen ist einfach faszinierend. Die schiere Beherrschung von Maus und Tastatur ist nicht weniger erstaunlich als die eines Fußballs. Jeder Spieler nimmt wie beim Fußball eine Rolle in seinem Team ein. Statt Angreifer, Verteidiger, Mittelfeldspieler und Torwart gibt es bei DOTA 2 zum Beispiel Carrys und Supporter.
Neben diesen starken Helden und Unterstützern, die für jedes Team unverzichtbar sind, können noch eine Reihe anderer Rollen besetzt werden, die je nach taktischer Ausrichtung zum Einsatz kommen. Die Taktiken sind nie fest, sondern hängen in jeder Partie aufs Neue von der Heldenauswahl des Gegners und dem Spielverlauf ab. Beim Fußball hingegen bleiben die Spieler in ihren Rollen und es gibt weit weniger überraschende Szenarien. Fußballfans haben diese Vielfalt im Jahr 2009 erlebt, als Bayern Trainer Louis van Gaal seinen Innenverteidiger Daniel van Buyten plötzlich in die Sturmspitze schickte – für DOTA-Fans sind solche spannenden Taktikwechsel Alltag.
Bei DOTA 2 zählt jede Minute, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Ein Dahinplätschern wie in vielen Fußballspielen gibt es hier nicht. Esports heißt Action und Anspannung in jeder Sekunde. Hier dauert ein Spiel nicht 90 Minuten, sondern endet erst mit der Zerstörung des Ancients, ob nach 20 Minuten oder erst drei Stunden.
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Überall und zu jeder Zeit eine Partie verfolgen
Die Fußball-Bundesliga läuft während der Saison fast jede Woche, große Turniere gibt es alle 2 Jahre. Bei „DOTA 2“ und anderen Esports-Titeln finden mehrmals im Jahr große Turniere mit Preisgeldern in Millionenhöhe statt. Diese funktionieren wie eine Fußball-WM: Die Teams müssen sich zunächst in einer Gruppenphase durchsetzen und dann in einer leicht abgewandelten KO-Phase bis ins Finale spielen. Übertragen werden diese Partien im spieleigenen Zuschauermodus, auf Twitch.tv – kostenlos und immer abrufbar. Später können viele Spiele außerdem auf Youtube gesehen werden. Dank der kaum vorhandenen Berichterstattung in Deutschland über die Turniere muss ich keine Angst haben, gespoilert zu werden und kann mir viele Turniere auch im Nachhinein ansehen.
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Einstieg sehr schwer
Zum Zuschauen bin ich übrigens gekommen, weil ich die Spiele lange Zeit selbst gespielt habe. Anders stelle ich mir den Zugang zu einem Spiel wie „DOTA 2“ zugegeben sehr schwierig vor. Wer ohne Vorkenntnisse zum ersten Mal ein „DOTA“-Match sieht, wird absolut nichts verstehen. Genau wie beim Fußball erschließen sich einem Neuling die taktischen Finessen des Spiels nicht. Der Unterschied: Ein Fußballspiel kann auch ohne genaue Kenntnis der taktischen Ausrichtungen verstanden und genossen werden. Bei „DOTA 2“ hingegen wird man lediglich sehen, wie sich Helden auf der Karte bewegen und weder wissen, wie die einzelnen Fähigkeiten funktionieren, noch wie die einzelnen Teammitglieder untereinander agieren. Wer das Spiel selbst nicht spielen will, muss sich zunächst gründlich in die Funktionsweisen einlesen und sich durch das Verfolgen von Partien langsam in die Abläufe einfinden. Einfacher ist das Ganze aber bei simpleren Esports-Titeln wie „Rocket League“ oder „CS:GO“.