29. März 2019, 17:58 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Aktuell machen Videos auf YouTube und Facebook die Runde, in denen FIFA-19-Spielern erklärt wird, wie sie kostenlos bis zu 10 Millionen Münzen für FIFA Ultimate Team (FUT) und bis zu 24.000 FIFA Points erhalten. TECHBOOK recherchierte intensiv und deckte den Betrug an FIFA-Gamern auf.
Die Masche hinter der Abzocke ist clever und auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen. Die Initiatoren nutzen professionelle Angebote, um arglose Spieler hinters Licht zu führen. Die Strukturen dahinter sind undurchsichtig und schwer zu erahnen. Im Laufe der Recherche stieß TECHBOOK auf die Funktionsweise des Betrugs. Wir erklären, wie die Abzocke abläuft und wo sie herkommt.
Alles beginnt mit einem Video
Ein Video auf Facebook machte uns auf die Masche aufmerksam. In dem zehnminütigen Filmchen ist ein abgefilmter Fernsehbildschirm zu sehen. Auf diesem läuft die Fußballsimulation FIFA 19. Während des Spiels ist eine Nachricht zu sehen, die den Spieler zum Erhalt von FIFA Points und FUT-Coins beglückwünscht. Ein euphorischer Sprecher ist zu hören: „Nice, 24.000 FIFA Points und 2 Millionen Coins komplett gratis!“ Danach geht es direkt mit der Erklärung los. Um noch mehr potentielle Opfer zu locken, verspricht die Stimme, Cristiano Ronaldo, einen der teuersten Spieler im Game, in nur fünf Minuten zu bekommen. Ein Smartphone wird in die Kamera gehalten und die Internetseite genannt, die das alles ermöglichen soll. Etwas übersichtlicher ist diese auch auf Desktop-Rechnern verfügbar. Bereits die ersten 60 Sekunden wirken tatsächlich wie ein übliches Tutorial auf YouTube, von einer Privatperson, die hier einen geheimen Trick enthüllt. Doch wer die Homepage besucht, tappt in eine Abzock-Falle.
Die Aufmachung der Homepage wirkt authentisch
Im Video wird davon gesprochen, dass die jeweilige Seite ein bestimmtes Kontingent an Münzen und Punkten zur Verfügung hat, das sie gratis herausgibt. Mit dieser Methode sollen laut Sprecher auch große YouTuber an ihre FIFA Points kommen, um Pack-Opening-Videos zu erstellen. Die Seite selbst verwendet die gleiche optische Aufmachung wie FIFA 19. Es fällt lediglich auf, dass die Umlaute ä,ö und ü fehlerhaft dargestellt werden, was auf einen ausländischen Hintergrund hindeutet. Auf der Hauptseite befinden sich der Generator selbst, eine Erklärung, der offizielle FIFA-19-Trailer sowie ein Kasten, der angeblich letzte Aktivitäten auf der Homepage anzeigt. In der oberen rechten Ecke befindet sich außerdem ein Zähler, der die aktuelle Anzahl der Nutzer angeben soll. Die letzten zwei Punkte erzeugen den Eindruck, die Seite würde jederzeit von vielen Nutzern angesteuert und verwendet werden.
Dann schlägt die Abofalle zu
Laut Anleitung und Video muss der Nutzer nun lediglich seinen FUT-Namen eingeben und die entsprechende Plattform wählen (PS4, Xbox One, Origin). Danach werden durch das Anzeigen verschiedener Animationen und Ladebalken die ausgewählten Münzen und Punkte generiert – so suggeriert es die Seite:
Erst im letzten Schritt schlägt die angebliche automatische Prüfung Alarm, die eingebaut wurde, um zu verhindern, dass Bots sich an der Aktion beteiligen. Hier soll nun also der Nutzer aktiv werden und manuell bestätigen, dass er kein Roboter ist:
Wer nun auf den „Jetzt überprüfen“-Button klickt, wird auf eine andere Website geleitet und soll dort seine Handynummer eingeben. An dieser Stelle schließen Sie dann ein Spiele-Abo für 4,99 Euro in der Woche ab. Welcher Anbieter genau erscheint ist unterschiedlich. In unserem Test handelte es sich entweder um Ringtoneking oder Ojom mobile, beides Unternehmen der freenet digital GmbH, einer Tochter der bekannten freenet AG.
Sicher ist in jedem Fall: FIFA-Points und FUT-Coins erhalten Sie am Ende in keinem Fall.
TECHBOOK kommt der Abzocke auf die Spur
Um die Vorgehensweise der Betrüger besser zu verstehen, haben wir uns den Quellcode der Hauptseite angesehen. Dort findet sich eine Website namens marketing-rhino.com. Diese beschreibt sich selbst als Anbieter für Premium CPA (Cost-per-Action) Landing Pages. Diese CPA Landing Pages sind ein Marketingmittel, das einfach erklärt dazu dient, Internetnutzer zu einer bestimmten Handlung zu motivieren – in diesem Fall den Abschluss eines Abos. Hier soll also die Aussicht auf FIFA Points einen Abo-Abschluss auslösen. Ziel der Initiatoren ist es immer, die Landing Page vor eine andere Seite zu schalten, auf der dann etwas verkauft werden soll. Marketing Rhino bietet die Landing Pages auf seiner Website an.
Marketing Rhino bewirbt dabei die einzelnen Funktionen der Seite und schreibt ganz klar, dass zum Beispiel „das Verhalten anderer Nutzer dynamisch simuliert wird“. Es handelt sich also im Endeffekt um einen kompletten Fake, der dem Nutzer nur vorgaukelt, einen FIFA-Points-Generator vor sich zu haben. Selbst das angebliche Kontaktformular dient lediglich dem Schein und kann nicht verwendet werden. Die Aussage aus dem Lockvideo, die betreffende Seite hätte ein bestimmtes Kontingent an Punkten und Münzen zu verschenken, ist also gelogen. Nicht nur FIFA-Zocker können hier auf Bestellung gelockt werden. Marketing Rhino hat gleich mehrere Landing Pages mit Fake-Generatoren für In-Game-Währung im Angebot. So sollten zum Beispiel auch Fortnitespieler aufpassen. Darüber hinaus gibt es noch Fake-Gewinnspiele.
Wer steckt hinter der Abo-Abzocke?
Auf der Suche nach den Hintermännern, stellten wir uns zunächst die Frage, wer von diesem Vorgehen profitiert. Das ist in diesem Fall einfach zu beantworten – die Aboanbieter Ringtoneking und Ojom mobile und damit das gemeinsame Mutterunternehmen, die freenet digital GmbH. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass diese oder deren Partner, die Landing Pages gekauft haben und von diesen auf ihre eigenen Angebote weiterleiten, um Abos zu verkaufen. Auch der Aufwand der betrieben wird, spricht für ein größeres Unternehmen. Die Lockvideos haben tausende Aufrufe und genauso viele Kommentare. Darunter findet sich jedoch kein einziger negativer, dafür viele positive. Da wir bereits wissen, dass der Generator nicht funktioniert, müssen also auch diese gefaked beziehungsweise gekauft sein und negative Kommentare regelmäßig beseitigt werden.
Um der Sache auf den Grund zu gehen fragte TECHBOOK bei der freenet AG nach, in welcher Beziehung die Abo-Anbieter, die freenet digital GmbH und die Landing Pages stehen. Das Unternehmen teilte daraufhin folgendes mit: „Wir distanzieren uns ausdrücklich von derartigen Angeboten. Unsere Seiten wurden hier ohne unser Wissen verbaut. Wir haben sofort reagiert und unmittelbar unsere Werbepartner aufgefordert, die Quellen zu identifizieren und zu stoppen.“ Diese Antwort erhielt TECHBOOK an einem Freitag. Bereits am Montag darauf war die betreffende Domain, die TECHBOOK freenet mitteilte, nicht mehr erreichbar.
Eine weitere Seite ist jedoch immer noch immer noch erreichbar. Diese leitet zum Angebot von ojom-mobile.de. Kurz nach unserer Anfrage ist auch ein vielgeklicktes Lockvideo aus einer Facebookgruppe gelöscht worden.
Machen sich die Anbieter solcher Dienste strafbar?
TECHBOOK hat diesbezüglich bei dem renommierten Anwalt für Internetrecht Christian Solmecke nachgefragt. Zunächst bewertet dieser das Angebot von Marketing-rhino.com: „Rechtlich gesehen können solche Seiten durchaus legal betrieben werden, sind also per se nicht illegal. In diesem Fall dürfte aber eine klare betrügerische Handlung vorliegen.“
Konkreter wird er dann aber bei Unternehmen, die diese Landing Pages auf ihren Domains nutzen, um Dienste oder Produkte zu verkaufen: „Hier dürfte es sich zumindest um einen versuchten Betrug sowie etliche markenrechtliche Verletzungen handeln. Insofern ist eine solche Seite illegal und dürfte natürlich auch nicht von deutschen Anbietern betrieben werden.“
Wie können sich geprellte Kunden verhalten?
Allen, die bereits Opfer einer solchen Masche geworden sind, rät Solmecke: „Opfer sollten Anzeige erstatten, damit die Täter strafrechtlich verfolgt werden können. Sollten Gelder von der Handyrechnung abgebucht worden sein, sollten Opfer Widerspruch beim Handyanbieter einlegen und eine Frist zur Rückbuchung setzen.“ Um in Zukunft sicher zu sein, könne „man generell auf kostenpflichtige Sonderdienste von Drittanbietern verzichten, indem man beim eigenen Mobilfunkanbieter eine sogenannte Drittanbietersperre eingerichtet“, so der Anwalt. Dann dürfen nur noch eigene Leistungen auf der Rechnung abgerechnet werden.
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Auf TECHBOOK-Anfrage wollte EA kein gesondertes Statement zu der Thematik abgeben. Dort verwies man lediglich auf die eigenen Richtlinien, die jeglichen Kauf und Handel mit FIFA Points und FUT-Coins über nicht lizensierte Drittanbieter verbieten. Da in diesem Fall nicht wirklich In-Game-Währung auf den Konten der Spieler landet, besteht zumindest nicht die Möglichkeit einer Accountlöschung. Ob das Unternehmen die Fake-Seiten aufgrund der Markenrechtsverletzungen belangt, ist also nicht klar.