20. Dezember 2018, 7:13 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Die virtuelle Realität ist die Zukunft der Menschheit. Diese Meinung vertreten mittlerweile nicht nur Technik-Nerds. Umso weiter sich die neue Technik entwickelt, desto mehr Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich im täglichen Gebrauch – sowohl privat als auch im Beruf. TECHBOOK stellt einige der derzeit spannendsten Anwendungen vor.
Bildung
Eine wichtige Zielgruppe für Virtual Reality (VR) sind Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen, und die VR-App „Titans of Space“ ist ein gutes Beispiel für eine einfache wie lehrreiche Anwendung. Via VR-Brille können die Schülerinnen und Schüler hautnah erfahren, wie groß die Planeten und Monde in unserem Sonnensystem sind.
Die 3D-Darstellungen sind simpel und geben ausführliche Informationen zur Beschaffenheit und zu den Maßen der Planeten. Die Reise durch die Galaxis ähnelt einer Stadtrundfahrt mit zahlreichen Informationen zu den verschiedenen Stationen. Die eingeschränkten Möglichkeiten und der Verzicht auf überladene Grafiken stellt das Beobachten und Staunen in den Vordergrund und erhöht somit den Lerneffekt. Im Vergleich zu den öden Abbildungen herkömmlicher Sachbücher weckt der Anblick des Gasriesen Jupiter oder des Ringplaneten Saturn aus nächster Nähe bei den Schülern schiere Begeisterung.
Virtuelle Führungen wie diese sind vielfältig einsetzbar, denkbar wäre ebenso ein Besuch im Museum oder im Zoo.
Arbeitsleben
Bei der Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitern legen Unternehmen für gewöhnlich weniger Wert auf Begeisterung als auf schnelles Verständnis für die Vorgänge im jeweiligen Betrieb. Mitunter aufwendige Einarbeitungsphasen sowie Schulungen und Weiterbildungen für das vorhandene Personal waren für große wie kleine Unternehmen bislang unvermeidbare Kostenfaktoren. Bei der Suche nach alternativen Methoden setzen einige Arbeitgeber wie die britische Regierung, die US-amerikanische Armee oder große Fast-Food-Konzerne nun auf Virtual Reality. Angefangen beim Erlernen von Soft Skills im Dienstleistungs-Sektor bis hin zu komplexen, mechanischen Produktionsabläufen – zukünftig sollen virtuelle Leitfäden das Anlernen von unternehmensspezifischen Arbeitsprozessen übernehmen.
VR bietet darüber hinaus die Möglichkeit, Ausnahme- und Stresssituationen zu trainieren, welche in der Theorie kaum darstellbar sind. Verglichen mit den üblichen Lehr- und Schulungsvideos, die konkrete Momente und Abläufe im Arbeitsalltag nur visualisieren, macht VR diese Fälle erlebbar und verstärkt den Lerneffekt. Anstatt Informationen nur passiv aufzunehmen, kann der lernende Mitarbeiter die Vorgänge nach eigenem Belieben testen und so häufig ausprobieren wie nötig. Im Pilotentraining wird dieses schon seit Langem praktiziert: im Simulator. Dort trainieren Piloten etwa schwierige Landungen und Extremsituationen.
Das „virtuelle Patientenzimmer“ gegen den Pflegenotstand
Deutschland klagt über fehlendes Personal im Pflegebereich. Um Abhilfe zu schaffen und neue Pflegekräfte im hohen Maße ausbilden zu können, entwickelten Bildungszentren für Aus- und Weiterbildung im Pflegebereich das sogenannte „virtuelle Patientenzimmer“.
Das löst gleich mehrere Probleme:
- Ausbildende können lernen und trainieren, ohne dass echte Patienten involviert sind.
- Teure und aufwendige Übungen mit Puppen oder Schauspielern entfällt.
- Es können mehr Pflegekräfte praxisnaher ausgebildet werden.
Denn durch die VR-Brille betritt das Pflegepersonal ein virtuelles Krankenhaus und besucht die Patientenzimmer mit jeweiliger Patientenakte in der Hand. Auf diese Weise lässt sich der Umgang mit dem Patienten üben und im Nachgang sogar bewerten. Was hat der Nutzer in welcher Reihenfolge erledigt, was hat er richtig beziehungsweise falsch gemacht, und wo besteht Verbesserungsbedarf? Der Unterschied zu herkömmlichen Methoden ist erneut vor allem in didaktischer Hinsicht spannend: Der Nutzer lernt, indem er eine Handlung ausübt.
Therapie
Im Bereich der Medizin sind VR-Anwendungen seit ihren Anfängen in den 1990er-Jahren ein Dauerthema geblieben. In der Forschung wurden seither beispielsweise selbstgebaute Headsets für die Therapie von Trauma-Patienten verwendet. Durch die Anwendung von VR-Simulationen werden Angstpatienten dabei in einem kontrollierten Setting schrittweise mit ihrem Trauma konfrontiert.
Wenn jemand ein Trauma erlebt hat, erinnert er sich nur an Bruchstücke der Erfahrung. Erst wenn alle Bruchstücke wieder vereint werden, kann der Mensch das Erlebnis verarbeiten. Denn ist die Erinnerung erstmal vollständig, kann sie verändert werden. Sie ist formbar wie ein Klumpen Ton. Jeder kennt diesen Effekt, eigentlich war der gefangene Fisch kaum größere als eine Hand, doch je öfter wir darüber nachdenken und davon erzählen, desto mehr verformt sich die Erinnerung: Aus einem kleinen Fisch wird nach und nach ein großer. Diese Veränderung nennt sich Rekonsolidierungseffekt. Die VR-Therapie macht sich diesen Effekt zunutze, um Erinnerungen bewusst zu verändern.
Die wichtigsten Werkzeuge sind hierbei eine VR-Brille und eine Animation, die das erlebte Trauma so genau wie möglich simuliert. Das Ziel: Die Patienten sollen vergessen, dass sie sich in einer virtuellen Welt bewegen. Die Simulation lässt sie ihre größten Ängste immer wieder durchleben, aber mit der Möglichkeit, diesmal das Geschehen unter Kontrolle zu bekommen. Wiederholt man das immer wieder, soll sich die ursprünglich mit angsterfüllte Erinnerung tatsächlich verändern. Das Gehirn kennt nicht immer den Unterschied zwischen der realen Welt und der virtuellen Welt – durch eine neue VR-Erinnerung lassen sich womöglich Traumata behandeln.
Einige US-Studien bestätigen: Sie zeigen, dass die VR-Therapie bei etwa 80 Prozent der Trauma-Patienten wirkt. Vier von fünf Patienten hat die Virtual-Reality-Behandlung geholfen, wieder ein normales Leben führen zu können. Sie haben gelernt, ihre Erinnerungen als das zu sehen, was sie sind: Vergangenheit.
Sport
Auch im Bereich der Sportübertragungen werden neue Wege eingeschlagen: Das Auftaktspiel der Bundesliga-Saison 2016/2017 zwischen dem FC Bayern München und SV Werder Bremen wurde bereits in Virtual Reality übertragen. Den Ligastart gab es aus lizenzrechtlichen Gründen in VR jedoch ausschließlich in Nordamerika, der Karibik, Asien und einigen europäischen Ländern wie den Niederlanden zu sehen. Das Pilot-Projekt entstand in Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Mediengruppe Fox.
In den Staaten bestand die VR-Technik 2017 die letzte Reifeprüfung bei der landesweiten Live-Ausstrahlung des Super Bowls, dem Finale der Football-Liga NFL. Auch sämtliche Spiele der Basketball-Liga NBA können seither inklusive VR-Ticket gebucht werden. Gleiches galt auch im internationalen Rahmen für die Übertragungen der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang, Südkorea.
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Im März 2018 folgte die historische Premiere im europäischen Basketball, beim Spiel zwischen dem FC Bayern Basketball und Alba Berlin konnten die Zuschauer erstmals ein Spiel in VR erleben. Das digitale Erlebnis der „BayWa VR Experience“ ist ein Produkt des FCBB und der BayWa AG. Im Umlauf des Audi Dome sind VR-Stationen aufgebaut, an denen die Fans an Spieltagen mithilfe von VR-Brillen ins Spiel eintauchen können. Die Zuschauer können sich so frei im Raum umsehen und selbst entscheiden, welche Inhalte sie erleben möchten. Dabei helfen einzigartige Perspektiven, welche abseits der virtuellen Welt gar nicht erst erlebbar wären: Court-View, Vogelperspektive oder etwa die Sicht der Cheerleader in der Spielfeldmitte. Die unterschiedlichen Blickwinkel werden mit Eintauchfunktionen ergänzt, mit welchen der Anwender komplett animierte Räume betritt, beispielsweise zu den Highlights des letzten Spiels oder zur Spielervorstellung. Dank individuellem Sounddesign sind die jeweiligen Bereiche aufeinander abgestimmt und sorgen für ein realitätsnahes Erlebnis.
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Musik
Bereits Ende Februar 2016 fand das erste Virtual-Reality-Konzert statt. Damals streamte Samsung exklusiv und live die Show der Londoner Pop-Band Years & Years. Jeder Fan im Besitz der VR-Brille Samsung Gear konnte den Auftritt mittels interaktivem Livestream bequem vom heimischen Sofa aus erleben und war dennoch mitten im Geschehen, ob klassisch frontal in der ersten Reihe stehend, über der Band schwebend oder direkt an der Seite der Musiker auf der Bühne – diese drei verschiedenen Perspektiven standen zur Weltpremiere der neuen Technik zur Auswahl.
Seit Years & Years folgten viele weitere Künstler, die interaktive Konzerte einspielten, wie etwa AC/DC, Beck oder Coldplay. Neben der Anzahl der zur Auswahl stehenden Interpreten stieg auch die Zahl der verfügbaren Zuschauerperspektiven.