8. April 2020, 17:30 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Streaming-App „Quibi“ stammt aus den USA und kommt mit einem etwas anderen Konzept um die Ecke als Netflix, Amazon und Co. TECHBOOK hat sich die App angeschaut.
Quibi – das steht für „quick bites“, zu Deutsch „schnelle Happen“. Hinter dem griffigen Namen verbirgt sich eine neue Streaming-App aus den USA. Zu Zeiten, in denen der Markt mit neuen Streaming-Anbietern überschwemmt wird, ist es wichtig, sich von der Konkurrenz abzuheben. Deshalb steht die App auch für ein völlig neues Konzept des Streamens.
Streaming in verdaulichen Häppchen
Hinter Quibi stehen die beiden Milliardäre Meg Whitman, ehemaliges Board of Directors-Mitglied bei Ebay, und Jeffrey Katzenberg, Filmproduzent und CEO sowie Mitbegründer von DreamWorks. Ihre Grundidee: Streamen in lediglich 10-minütigen Folgen. Der Vorteil dabei ist die Vereinbarkeit mit dem Alltag. Unsere Aufmerksamkeit wird nicht für die gängigen 50 Minuten einer normalen Serie beziehungsweise 30 Minuten einer Sitcom im TV gebunden. Stattdessen bekommt der Nutzer zurechtgeschnittene Stücke, zurechtgeschnitten auch auf das Streaming-Medium. Die Anwendung ist nämlich auf das Smartphone beschränkt und speziell dafür konzipiert.
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Das sind die Fakten zur App
Quibi startete am 6. April in den USA, ist aber auch in Deutschland als englische Version in den gängigen App Stores verfügbar. Gleich zu Beginn gingen acht neue Serien an den Start. 26 weitere sind geplant und teilweise bereits online abrufbar. Das ist auch nötig, kann man doch in den allermeisten Fällen nicht einfach bestehende Serienproduktionen in 10-minütige Teile auseinanderrupfen, ohne dass ein gehöriges Maß an Spannungsentwicklung verloren geht. Jeden Tag soll es im ersten Jahr von Quibi neuen Content geben, so Katzenberg bei Variety.
In den USA zahlen Nutzer nach einer 90-tägigen Testphase 4,99 Dollar im Monat für eine Version mit kurzen Werbespots, wer keine Werbung sehen möchte, zahlt monatlich 7,99 Dollar. In Deutschland steht nur die werbefreie Variante für 8,99 Euro im Monat zur Verfügung. Auch hierzulande kann allerdings die dreimonatige Testphase in Anspruch genommen werden.
Große Namen mit an Bord
Auf der Haben-Seite steht sicherlich die erstaunlich zahlreiche Prominenz, die vor und hinter der Kamera an den Originals zum Quibi-Start mitwirkt. Angefangen bei „Game of Thrones“-Star Sophie Turner, die die Hauptrolle in der Serie „Survive“ spielt, bis hin zu Starregisseur Steven Spielberg. Weitere große Namen sind unter anderem Jennifer Lopez, Will Smith, Tyra Banks, Bill Murray, Laura Dern, Guillermo del Toro und Laurence Fishburn – an Stars mangelt es Quibi wirklich nicht. Aber heißt das auch, dass Inhalte und Konzept überzeugend sind?
Konzept noch nicht ganz stimmig
TECHBOOK hat sich die App Quibi genauer angeschaut. Was beim Streamen vor allem auffiel, war natürlich die kurze Dauer der Episoden. Ob der Begriff Episode an dieser Stelle der richtige ist, ist schon strittig. Katzenberg selbst spricht im Zusammenhang mit seiner App von einzelnen Kapiteln eines Films. Der seriell verwöhnte Streaming-Nutzer von heute ist allerdings geneigt, in den kurzen Filmabschnitten eher sehr sehr kurze Episoden einer Serie zu sehen, wie ein erster Blick in die Foren und auch das eigene Bauchgefühl bestätigen. Die kurzen Spielzeiten sind ungewohnt, im Alltag allerdings durchaus praktisch. Man wird gefühlt nicht ständig aus dem Streaming-Vergnügen herausgerissen. Das führt allerdings nicht unbedingt zu gefesselter Aufmerksamkeit in diesen acht bis zehn Minuten – ganz im Gegenteil. Das Streamen wird, aufgrund der Kürze und auch dem Medium Smartphone geschuldet, zumindest im Alltag zur Nebentätigkeit. Kapitel können vor dem Gang zum Supermarkt oder vor dem Spaziergang in der Pause wie auch bei anderen Streaming-Apps heruntergeladen und anschließend fast schon beiläufig angesehen werden.
Die Bedienung der App ist intuitiv und simpel, Videos stehen bisher nur auf Englisch mit Englischen oder Spanischen Untertiteln zur Verfügung. Das Testabo kann jederzeit gekündigt werden.
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Test-Fazit zu „Quibi“
Das Konzept der App ist spannend und klingt erst einmal logisch. In der Praxis hapert es allerdings noch ein wenig. Nutzer beschweren sich jetzt, so kurz nach dem Start, bereits über das Format. Epische Einstellungen einer Klippe kann man auf dem Smartphone einfach weniger genießen als auf dem Fernseher. Die Verbraucher sind es aber gewohnt, Videos auf dem Medium ihrer Wahl schauen zu können; das große Alleinstellungsmerkmal schränkt an dieser Stelle eher ein. Die 10-minütigen Videos erfordern dafür eine erstaunlich geringe Umstellung. Sie verleiten zwar dazu, die qualitativ wirklich hochwertigen Inhalte einfach nebenher anzuschauen, ob nun beim Einkauf, Spaziergang oder beim Zähneputzen. Wer möchte, kann sie ja aber einfach alle am Stück ansehen und erlebt so einen Film mit interessanten und ungewohnten Spannungsbögen.
Stand jetzt ist die Streaming-Welt anscheinend noch nicht bereit für das Quibi-Konzept, was auch aus dem allgemeinen Tenor der bisherigen Nutzerstimmen herauszuhören ist. Aber wer weiß, vielleicht ist dieser angepasste Ansatz auch ein Anstoß für eine spannende Entwicklung der Branche, in der sich die Konkurrenz momentan nur noch durch Inhalte unterscheidet.